Seit Jahren spricht alles über die Konsolidierung unter den unabhängigen Vermögensverwaltern. Seit Jahren hat sich kaum etwas bewegt. Bis jetzt.

Es ist, als hätte sich eine Schleuse geöffnet. Liessen sich die jährlichen Fusionen und Übernahmen von unabhängigen Vermögensverwaltern bisher praktisch an einer Hand abzählen, sind es 2022 bereits eine Handvoll – und noch ist der Januar nicht zu Ende.

Das ist natürlich auch dem Öffentlichkeits-Effekt geschuldet, wurden die Transaktionen doch meist monatelang hinter den Kulissen vorbereitet. Doch nach jahrelangem Werweissen über die Konsolidierung, ohne das sich gross etwas bewegt hätte, lässt sich nun über die Vermögensverwalter-Szene sagen: Sie bewegt sich doch.

Zürcher Zukauf

So wurde am vergangenen Freitag bekannt, dass die schnell wachsende Genfer Finanz-Boutique Decisive Capital Management einen Konkurrenten in Zürich geschluckt hat; dabei handelt es sich um die Schweizer Niederlassung des britschen Family Office Artorius Wealth.

Die Details des Deals bleiben geheim; es ist aber anzunehmen, dass die auf superreiche Privatkunden spezialisierte Decisive mit dem Schweizer Kundenbuch von Artorius nochmals einen Sprung nach vorne macht. Bereits jetzt verwaltet das vor sechs Jahren gegründete Wealth-Startup über 6 Milliarden Franken an Vermögen.

Pipeline an weiteren Deals

In Genf und Zürich sondiert auch Mathias Vandermeeren den Markt, und dies schon seit vorletztem Jahr. Dieser Tage konnte er nun erste Früchte seiner Arbeit ernten. Die von europäischen Grossinvestoren gesponserte Zuger Beteiligungsfirma Quaestor Coach hat die bekannte Zürcher Vermögensverwalterin Diem Client Partner (DCP) übernommen.

Wie Vandermeeren gegenüber finews.ch ausführte, soll dies die erste von mehreren Übernahmen in der Schweiz werden: «Es besteht bereits eine Pipeline an weiteren potenziellen Deals.»

Wie Legosteine

Quaestor Coach visiert in der Schweiz diskretionäre Vermögensverwalter mit Kundengeldern von mehr als 250 Millionen Franken an. Angestrebt ist jeweils die volle Integration unter die Marke DCP – die übernommenen Firmen werden also wie Legosteine auf die «Plattform» DCP gesetzt.

Sinnigerweise hat Vandermeeren das Vorgehen bereits anderswo durchgespielt: In den Niederlanden hat er so für seine Geldgeber aus sieben unabhängigen Vermögensverwaltern die Auréus Gruppe gezimmert. Nun, erklärt der Übernahme-Experte, die Schweiz zum neuen Fokusmarkt.

Kein Zufall

Die Ankunft von Quaestor Coach ist kein Zufall. Denn die mehr als 2’000 unabhängigen Vermögensverwalter stehen unter Zugzwang, seit sich bis Ende 2022 für sie eine Zäsur abzeichnet. Bis dahin müssen die Finanz-KMU ein Lizenz-Gesuch bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) einreichen und sich einer bewilligten Aufsichtsorganisationen (AO) unterstellen.

Allmählich geht ein Ruck durch die Branche, und die Nervosität steigt. Denn die Unterstellung an sich ist kostspielig genug. Der künftige Betrieb unter den neuen Vorschriften droht besonders für kleinere Vermögensverwalter prohibitiv teuer zu werden.

Drei Wege

Schliessen, verkaufen – oder selber zukaufen, um Skalen zu gewinnen: Dies sind die drei Wege, die sich mehr und mehr für das Metier abzeichnen. Und längst nicht nur Vermögensverwalter packen die sich bietenden Gelegenheiten beim Schopf.

Die Genfer Bank Syz etwa hat Anfang Januar die Übernahme des Zürcher Vermögensverwalter BHA Partners getätigt. Mit dem Kauf will das zur Syz-Finanzgruppe gehörende Institut das Geschäft in der deutschsprachigen Schweiz beschleunigen. Das siebenköpfige Team von BHA Partners verwaltet laut Syz Kundenvermögen im Umfang von 1 Milliarde Franken.

Auch hier soll die Transaktion Auftakt zu einer ganzen Serie werden. «Diese strategische Übernahme wird die erste unter vielen sein», liess sich Bankchef Yvan Gaillard zum Kauf von BHA vernehmen.

Management übernimmt

Genau in die entgegengesetzte Richtung bewegt sich die deutliche grössere Zürcher Privatbank Julius Bär. Zu Monatsbeginn verkaufte sie die zur Gruppe gehörende Wergen & Partner in Zürich an das Management der Vermögensverwalterin. Die Details des Deals blieben auch hier geheim; bekannt ist, dass die Trennung auf eine strategischen Überprüfung der Bank-Beteiligungen hin erfolgte.

Wergen & Partner war 2017 von Julius Bär übernommen worden und hat seither die verwalteten Vermögen auf 1,2 Milliarden Franken verdoppelt.

In Serien denkt auch Christoph Lieber. Der Schweizer Banker, der früher das Private Banking der St. Galler Kantonalbank in Deutschland leitete, führt heute die Firma Cinerius Financial Partners als CEO. Ausgestattet mit Geldern des amerikanischen Private-Equity-Hause Summit Partners plant er vier bis acht Übernahmen von Vermögensverwaltern – pro Jahr. Als Jagdgebiet hat sich Cinerius allerdings den gesamten DACH-Raum auserkoren, also ausser der Schweizer auch Deutschland und Österreich.

Deutschland als Vorbild?

Cinerius aus Zug ist nun zuerst in Deutschland fündig geworden. Ebenfalls dieser Tage machte die Finanzinvestorin bekannt, dass sie dort vier namhafte Vermögensverwalter unter der Schweizer Holding vereint hat. Wer unters Dach von Cinerius schlüpft, muss in der Regel mindestens 75 Prozent der Anteile am eigenen Unternehmen abgeben, darf aber weiter unabhängig operieren.

Sinnigerweise ist Deutschland jener Markt, der für die hiesige Branche oftmals als beispielhaft bezeichnet wird. Im nördlichen Nachbarland ist es im Rahmen der europäischen Finanzrichtlinie Mifid II schon vor Jahren zu einer Konsolidierung unter unabhängigen Vermögensverwaltern gekommen.

Von den Firmen blieben dort nur rund 10 Prozent übrig, wobei ein Umstand aber zuversichtlich stimmt: Die Anzahl der in der Branche Beschäftigten hat insgesamt nicht gross abgenommen.