Ralph Hamers hat als UBS-CEO in seinem ersten Jahr viel gearbeitet und viel geredet. Aber von einer Handschrift ist wenig zu erkennen. Dem Niederländer wird es in der Grossbank nicht einfach gemacht.
An einem kürzlich stattfindenden informellen Treffen mit UBS-CEO Ralph Hamers als Gast war der 55-Jährige ganz er selbst: Entspannt sprach er frisch von der Leber und überzeugend über seine ersten zwölf Monate bei der grössten Schweizer Bank, ihre Stärken wie auch die Herausforderungen.
Nur einmal verlor Hamers für einen Moment seine Fassung, als er zu der möglichen Anklage wegen Geldwäscherei in den Niederlanden gefragt wurde.
Eine komplizierte Mission
Dieser kurze Augenblick sprach gewissermassen Bände. Denn die Mission des Niederländers, die UBS zu transformieren und agiler zu machen, ist aufgrund seiner Vergangenheit bei der ING und den möglichen juristischen Folgen viel komplizierter geworden. Aus den Gesprächen im Umfeld von Hamers, welche finews.ch für diesen Artikel geführt hat, erklang nicht selten Zurückhaltung und Kritik: Mancher Manager und Herrscher über seinen Geschäftsbereich nutzt die Verletzlichkeit Hamers, seine Pläne wenn nicht zu verhindern, so doch deren Umsetzung zu verlangsamen.
«Hamers ist zweifellos fleissig und intensiv an der Arbeit, aber von effektiv Erreichtem und Umsetzungen ist nicht viel zu sehen», sagt eine Person, die mit ihm gearbeitet hat. «Er hat noch keine starken Akzente gesetzt, aber möglicherweise ist es dafür auch noch zu früh.»
Hierarchiestufen knacken
Hamers hat es bei der UBS mit einer bekanntermassen starren und streng hierarchischen Organisation zu tun. Diese Strukturen aufzubrechen und die Bank für die kommenden digitalen Herausforderungen zu transformieren, wird von ihm erwartet. Die Komplexität der UBS ist sprichwörtlich, sie verfügt mit ihren Group Managing Directors über mindestens eine Hierarchiestufe mehr als beispielsweise die lokale Rivalin Credit Suisse (CS).
Kommen Dutzende von Vice Chairman hinzu, die ausserhalb der Hierarchien ihre eigenen persönlichen Reiche in der Bank kontrollieren und keinen Grund sehen, irgendetwas zu verändern.
Wenig operative Gründe für einschneidende Massnahmen
Hamers verfügt über die Erfahrung, auch schmerzhafte Restrukturierungen durchzuziehen. Aber rein operativ gibt es bei der UBS dafür wenig Grund: Der grösste Wealth Manager der Welt legte zuletzt ein ansprechendes Quartalsresultat vor, mit einem deutlich gesteigerten Vorsteuergewinn und anhaltend starkem Neugeldzufluss.
Ein grösserer Umbau würde von den Investoren kaum goutiert werden, die stattdessen in den Genuss eines Aktienrückkaufprogrammes von bis 4 Milliarden Franken kommen.
Archegos überstanden, bleibt noch Frankreich
Der Verlust mit Archegos Capital war mit 861 Millionen Dollar zwar so substanziell, dass sich Verwaltungsratspräsident Axel Weber dafür entschuldigen musste. Aber die grosse Entrüstung traf die CS, die mit Archegos 5 Milliarden Franken verlor und dabei grosse hausgemachte Fehler im Risikomanagement offenbarte.
Ein Moment der Wahrheit steht bei der UBS noch bevor: Ende September wird das Urteil zum Steuerverfahren mit Frankreich erwartet. Hamers hat dieses von seinem Vorgänger Sergio Ermotti «geerbt». Es droht eine Milliardenzahlung.
Keine harten Massnahmen
Die bankinternen Kritiker von Hamers – innerhalb der Bank gibt es einige «Scharfschützen», wie eine mit den hierarchischen Verhältnissen vertraute Person gegenüber finews.ch sagte – reden gerne über sein Neigung, Video-Botschaften mit eher weichem und schwer greifbarem Inhalt zu versenden. Harte Massnahmen habe er bislang noch keine getroffen, lautet ein Vorwurf.
Diesen lässt der Niederländer nicht gelten: Die vor rund sechs Monaten (via Video) präsentierte Strategie einer UBS mit einem «purpose» für Kunden (am ehesten zu übersetzen mit ‘Bestimmung’), sei handfest.
Kosten sparen und Stellen abbauen
Die Ausführung eines Kostensparprogrammes von rund 1 Milliarde Dollar begleitet vom Abbau von Hunderten von Stellen zu erklären, überliess Hamers aber seinem CFO Kirt Gardner. Ein Nebenschauplatz ist auch die Schliessung von 44 Filialen zu Beginn dieses Jahres.
Der CEO liess die UBS-Belegschaft hingegen wissen, dass er die Anzahl der Mitarbeitenden ungefähr auf bestehenden Niveau halten werde, nur Funktionen und Tätigkeiten würden sich verändern. Allerdings glaubt er auch, dass im Zuge der weiteren Digitalisierung im Wealth Management bis zu 30 Prozent der Jobs wegfallen könnten.
Einen der auffälligsten Akzente setzte Hamers mit der Beförderung von Technologie-Chef Mike Dargan in die Geschäftsleitung. Mit Barbara Levi holte er eine Nachfolgerin für den im Herbst ausscheidenden Chefjuristen Markus Diethelm. Asset-Management-Chefin Suni Harford erhielt das Nachhaltigkeits-Mandat mit Michael Baldinger als Ausführendem.
Schwer zu verkaufende Transformations-Story
Intern läuft derzeit auch die Einführung von agileren Arbeitsmodellen im Wealth Management, sowohl in der Schweiz wie auch international, wie mehrere Personen gegenüber finews.ch bestätigt haben. In der UBS Investmentbank, wo der Einsatz von Hightech schon viel früher begonnen hat, ist das Arbeiten in kleinen und schnellen Teams schon seit einiger Zeit gebräuchlich.
Insofern hat es Hamers viel schwerer, in der UBS die Mitarbeitenden hinter seine Transformations-Story zu scharen als vor über acht Jahren bei der ING, wo eine Restrukturierung notwendig geworden war. Hamers ist aber auch klug genug, an gewissen Fundamenten in der UBS nicht zu rütteln.
Der lauernde Kronprinz
Iqbal Khan beispielsweise, der Co-Chef im Wealth Management, geniesse alle Freiheiten, wurde finews.ch versichert. Diese Konstellation wird in der UBS genau beobachtet. Denn dem ehrgeizigen 45-jährigen Khan, der schon in seinen Dreissigern als Auditor von EY die Bücher der UBS geprüft hatte, wird mehr zugetraut.
Gleichzeitig werden von Hamers mutigere Schritte erwartet. «Ich denke, es muss in den kommenden 24 Monaten einiges geschehen in der UBS. Sonst wird Iqbal Khan der nächste CEO sein», sagte die Person gegenüber finews.ch.