Die Schweizer Kryptoszene hofft auf eine blühende Zukunft im Windschatten von Bitcoin und Ether. Die ersten zwei Kryptobanken des Landes stehen ein Jahr nach Erhalt der Lizenz allerdings vor vielschichtigen Herausforderungen.
Im vergangenen Jahr gewährte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) als weltweit erster Regulator zwei Kryptobanken eine Lizenz, nämlich den Startups Sygnum und Seba. Szenekennern zufolge geschah dies unter nicht unerheblichem Druck des Bundesrates, zumal von Finanzminister Ueli Maurer. Der hatte die politische Aufbauarbeit für die im Entstehen begriffene Schweizer Kryptoindustrie von seinem Vorgänger Johann Schneider-Ammann geerbt.
Ein Jahr später sind die mit Vorschusslorbeeren gestarteten Kryptobanken in der Realität angekommen. Die Entwicklung verlief langsamer als gedacht, und in einem Fall steht eine weitere Finanzierungsrunde bevor, inmitten eines internen Tauziehens um die Strategie. In keinem der beiden Institute herrscht abschliessende Klarheit darüber, wie man die schwarzen Zahlen erreicht.
Im Gegensatz dazu haben sich die etablierten Schweizer Banken ins Kryptofeld eingearbeitet und stellen mittlerweile eine ernstzunehmende Bedrohung für die neuen Anbieter dar.
Asiatische Investoren unerwünscht
Knifflig erscheint die Ausgangslage für die Seba Bank. Sie hat in den ersten zwei Jahren nach Gründung den grössten Teil ihres Startkapitals von 100 Millionen Franken verbraucht, und im viel gelobten Zuger «Crypto Valley» liegt das frische Kapital aktuell nicht auf der Strasse.
Gleichzeitig soll die Finma laut zwei Quellen über Sebas gewichtige Sponsoren aus Asien beunruhigt sein – zu den Seba-Investoren zählen Geldgeber wie Summer Capital aus Hongkong. Die Aufsichtsbehörde möchte, dass die Bank dafür sorgt, dass die Hälfte der bevorstehenden Finanzierungsrunde aus der Schweiz stammt, wie es heisst.
Diese informelle Anweisung illustriert die umfassenderen politischen Implikationen für die Finma, die nicht will, dass eine Schweizer Bank von asiatischen Investoren kontrolliert wird, sagte ein Insider. Seba enthielt sich gegenüber finews.ch eines Kommentars.
Ueli Maurer soll Druck gemacht haben
Die Finma wiederum stand im vergangenen Herbst unter erheblichem informellen Druck, die beiden Banken zu genehmigen, wie zwei mit dem Verfahren vertraute Personen es beschrieben. Obwohl der Regulator der Aufsicht des Parlaments untersteht, wollte Finanzminister Maurer das Versprechen einer «Crypto Nation» einlösen, das seinerzeit Wirtschaftsminister Schneider-Ammann machte – was die Finma offenbar zu spüren bekam. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Die Finma sagte auf Anfrage: «Diese Darstellung entspricht in keiner Weise den Tatsachen.» Die Behörde erteile Bankbewilligungen, wenn die Kriterien dafür erfüllt sind. Das sei bei den beiden Instituten der Fall gewesen.
In der Zwischenzeit, ein Jahr nach ihrer Ernennung zu regulierten Unternehmen, sind Seba und Sygnum auf ein praktisches Problem gestossen: Keine der beiden Banken ist stark mit Bankern besetzt, die das Brot- und Buttergeschäft des traditionellen Finanzwesens wie die etwa Kreditvergabe von der Pike auf verstehen. In Seba murrten die Trader offenbar über die Last der Compliance-Prüfungen aufgrund des Bankenstatus.
Thronstreit bei Seba
Seba müsste eigentlich keine Bank sein, um mit der Steigerung des Handelsvolumens Geld zu verdienen. Die weitere Strategie steht denn auch im Mittelpunkt eines Streits, der im vergangenen Monat zum plötzlichen Ausscheiden des Präsidenten Andreas Amschand führte, sagten zwei Personen, die mit seinem Ausstieg vertraut sind.
Amschwand, der 25 Jahre lang die Fremdwährungs-Geschäfte der UBS leitete, drängte darauf, dass Seba so bald wie möglich Einnahmen verbuchen sollte, hauptsächlich im Handel. Demgegenüber wollte eine Fraktion um CEO Guido Bühler eine Universalbank, die auch im Kryptobereich tätig ist.
Spendable Julius Bär?
Bühler, der potenziellen Investoren näher stehen soll, gewann die Oberhand. Amschwand reagierte auf Anfrage von finews.ch nicht. Um Kredite zu vergeben oder Fortschritte in der Tokenisierung zu erzielen – beides bilanzintensive Aktivitäten – braucht Seba liquide Mittel.
Julius Bär gehört zu den Investoren von Seba. Aber es ist unwahrscheinlich, dass das Unternehmen noch einmal in die Bresche springen wird, wie mehrere mit der Situation vertraute Personen berichten. Die Schweizer Privatbank hat eine Reihe hausgemachter Probleme zu lösen und somit weniger Geld zur Verfügung. Weder Julius Bär noch Seba wollten dies kommentieren.
Vorstoss als Kryptobörse
Im Gegensatz dazu hat Sygnum im Mai laut einem der Anwesenden still und leise mehrere Millionen Franken eingesammelt. Letztes Jahr sagte die Bank, sie werde in drei bis fünf Jahren darüber entscheiden, ob sie sich direkt an Kunden wendet oder zu einem Türöffner für traditionelle Banken wird.
Dieser Tage unternahm das Unternehmen einen Schritt in die letztgenannte Richtung, indem es die Genehmigung für ein Handelssystem einholte und seinen in Singapur ansässigen Vermögensverwaltungs-Zweig ausgliederte. Auf der eigenen Plattform will Sygnum künftig Vermögenswerte tokenisieren und handeln – ein Geschäft, das traditionelle Banken wohl nicht kampflos aufgeben werden.
Was plant die UBS?
Tatsächlich haben die Grossbanken wie die UBS allein durch ihre gigantische Kundenbasis ein Gewicht, das keine der beiden Startup-Banken auf die Waage bringt. Die UBS brütet indes ihre eigene Tokenisierungs-Strategie aus, will aber nicht darüber reden. Sollte sie aber einmal soweit sein, ist das Institut für alle anderen Akteure nicht zu unterschätzen.
Auch Bitcoin Suisse, die sich ebenfalls um eine Banklizenz bewirbt, steht in den Startlöchern. Der Kryptobroker, der seit fünf Jahren profitabel ist und im vergangenen Juli 45 Millionen Franken aufgenommen hat, wollte zu Beginn noch bis vergangenen November die regulatorische Prüfung hinter sich haben.
«Völlig verständlich»
Doch seither ist es offensichtlich zu Verzögerungen gekommen: Zwei Quellen gaben an, dass einige der Geschäftsbücher von Bitcoin Suisse einer genaueren behördlichen Kontrolle unterliegen.
Ein Sprecher von Bitcoin Suisse sagte, dass Altkunden oder Vermögenswerte «nach unserem Kenntnisstand in keiner Weise ein Hindernis darstellen». Das Unternehmen stellt fest, dass es ein breiteres, komplexeres Handelsgeschäft betreibt als Seba oder Sygnum. «Aus diesem Grund», so der Sprecher, «ist es völlig verständlich, dass die Aufsichtsbehörde sich mehr Zeit nimmt, um die Dinge im Detail zu beurteilen und zu verstehen.»
Incore mit grosser Reichweite
Ein weiterer Akteur, dessen Pläne Markbeobachter nur schwer einschätzen können, ist Incore – eine spezialisierte Zürcher Backoffice-Bank, die Transaktionen für ein Konsortium von Vermögensverwaltern abwickelt.
Incore tat sich vor zwei Monaten mit der US-Börse Kraken sowie der eigens entwickelten Handelsapplikation Honesto zusammengetan – und verfügt dank seiner Privatbankkunden über eine grosse Reichweite bei den Vermögenden.