Vertrauen allein wird den hiesigen Banken künftig nicht reichen, um sich gegen neue Konkurrenz zu wehren. Drei Rezepte können die heimischen Player in die Pole Position bringen, schreibt Philipp Zutt für finews.ch.
Den hiesigen Banken geht es – trotz, oder auch dank der x-ten Restrukturierung in den letzten Jahren – immer noch gut. Vielleicht zu gut? Jedenfalls wird eine potentiell drohende Wachablösung aus dem Silicon Valley und anderen Fintech-Küchen auf der Welt nur halb ernst genommen; vergleichbar mit der Schweizer Uhrenbranche, die mehrheitlich trotz sinkender Absatzzahlen und Umsätzen oft noch keinen Zusammenhang mit Apple Watch und Co. sehen will.
Gerne wird die Eintrittsbarriere «Trust» (mit den dazugehörigen Faktoren Beratungskompetenz, persönlicher Kontakt und Finanzplatz Schweiz) als Argument der eigenen Stärke aufgeführt, weil man sich mit diesem Wettbewerbsvorteil der letzten 200 Jahre gegenüber den Digitalbanken um Jahre oder gar Jahrzehnte im Vorsprung wähnt.
Glück für die Schweizer Banken, dass auch die heute bereits bestehenden Tech-Banken und Robo Advisors ihre massiven Vorteile wie Convenience, Open Banking, Individualisierung, Geschwindigkeit und so weiter noch nicht wirklich auf den Boden zu bringen wissen.
Die Rezepte sind da
Untätig ist man hierzulande wohlgemerkt aber nicht, es wird weiterhin – wie eh und je – auf rationaler Ebene rationalisiert und teils auch innoviert. Was dabei aber meist vergessen geht, ist echte Emotionalisierung von Bank und Produkten.
Aus eigener Erfahrung im Gespräch und in der Zusammenarbeit mit Spitzen-Bankern weiss ich, dass diese Problematik sogar erkannt ist, dass aber die aus der Erkenntnis resultierende Konsequenz meist viel zu wenig weit geht, um wirklich einen Nagel für die Zukunft einzuschlagen.
Dabei wäre gerade die Kombination aus bestehenden Werten wie «Trust», Infrastrukturvorteilen (z.B. Präsenz vor Ort und menschlicher Beratungskompetenz) mit Emotionalisierungs-Innovation der Schlüssel zu neuem Erfolg und Vorsprung. Dazu drei Rezepte:
1. Seien Sie nahbar!
Banken gewinnen an Terrain, wenn sie sich endlich nach den emotionalen Wünschen der Kunden auszurichten beginnen. Die Finanzbranche gehörte zwar zu den ersten, welche die Worte «Kundenzentriertheit» und «Kundenfokus» kannte und nutzte, aber nie wirklich in den Alltag umsetzte.
Stattdessen wurden und werden fleissig klassische Kundenzufriedenheits-Befragungen durchgeführt, die aufgrund kognitiver Biases jeweils so gut rauskommen, wie man sie haben möchte. Logisch, dass diese Ergebnisse die Bankleitungen auch immer darin bestätigen, dass «Trust» der wichtigste Faktor sei. Aus unzähligen nonverbalen Befragungen des Neuromarketings wissen wir heute allerdings, dass Vertrauen zwar wichtig ist, aber einem Hygienefaktor gleich weder zu höherer Zufriedenheit beim Kunden noch zur besseren Profilierung der Bank führt.
Vertrauen ist demnach einfach eine nicht profilierende Notwendigkeit. Die Kunden suchen darüber hinaus Wärme, Nähe, echte Beziehung und Aufgehobenheit. Das gilt nicht nur für den persönlichen Kontakt, sondern insbesondere auch digital. Geographische Nähe oder die Einstellung «wir haben schliesslich die besten Berater» genügen alleine nicht. Marke, Produkte und Kundenkontakte müssen hinsichtlich des Bedürfnisses Nahbarkeit konsequent ausgerichtet werden.
2. Emotionalisieren Sie!
Banken begeistern, wenn sie beginnen, echt begehrenswerte Produkte zu entwickeln. Zu oft wird vorgeschoben, dass man in einem Low-Involvement-Sektor agiere und zudem intangible Produkte habe. Ersteres ist (wiederum eine intern geprägte) Irrmeinung: Man weiss heute, dass die Top-3-Motive im Leben der meisten Menschen «health», «wealth» und «social contacts» sind. Die Banken sind also ganz vorne dabei, wenn es um emotionale Treiber bei der Kundschaft geht.
Es gilt, mit den Produkten emotional daran anzuknüpfen und psychologische Prinzipien in der Vermarktung auch wirklich auszuspielen. Und zur Intangibilität: Gerade die Produkte, mit welchen die Techies von Spotify bis TikTok weltweit Milliarden begeistern, sind per se ebenfalls meist hochgradig intangibel und erobern gleichwohl unsere Herzen. Wenn Banken beginnen, über den eigenen Schatten zu springen und ihre Produkte wirklich zugänglich, cool, spannend, erlebnisreich zu gestalten, wird sich eine Menge ändern.
3. Nutzen Sie Ihren Standort!
Banken punkten, wenn sie den Vorteil «Standort» besser ausspielen. Anstatt Standorte primär als Kostenpositionen (was sie ohne Zweifel sind) zu sehen, die es effizienter zu machen gilt, sollte man beginnen, sie als wertvollste Marketingfläche überhaupt zu betrachten – grad weil man intangible Produkte hat, die es zu erleben gilt. Filialen werden künftig nur noch teilweise bei der Erbringung der Wertschöpfung nötig sein, also lohnt es sich auch nicht, sie durch schöne, neue Konzepte wie zum Beispiel neue Beraterbanken teuer aufzufrischen.
Viel mehr gilt es, sie als Hotspots und Treffpunkte in einem analog-digital durchgängigen Kundenerlebnis völlig neu zu erfinden. Die Diskussion muss weg gehen von Themen wie «brauchen wir noch einen Schalter, oder können wir die Kunden auch mittels Floor-Manager triagieren» hin zu «was für ein Erlebnis schaffen wir für unseren Kunden auf diesen teuren Flächen und was für Personal brauchen wir dazu»? Die Beantwortung dieser Fragen bringt echt neue, profilierende Lösungen, welche auch auf die Rezepte 1 und 2 einzahlen.
Es wird Zeit
Echter, ernst gemeinter Kundenfokus, begehrenswerte Produkte und physische Kontakte (durchaus auch nahtlos verschmelzend mit digitalen Elementen), welche zum weiter erzählbaren Erlebnis werden, sind Erfolgsfaktoren, welche weit über die Finanzbranche hinaus funktionieren. Solche Themen werden beispielsweise bei der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) mit dem Bankorama – einer interaktiven analog-digitalen Erlebnisinsel für Kunden (Bild unten) – ausgespielt.
Sie werden übrigens auch konsequent von Unternehmen im Silicon Valley ausgespielt. Wenn unsere Banken sich diese Rezepte auf die Fahne schreiben und mit den bestehenden Skills und dem noch vorhandenen Vorsprung kombinieren, besteht die Chance, dass sie auch in zehn Jahren noch den Markt machen.
Philipp Zutt ist Dozent für Neuromarketing und Managing Partner der Unternehmensberatung Zutt & Partner. Mit seinem Team berät er national und international tätige Unternehmen und Institutionen bei der auf Wissenschaft basierten Emotionalisierung von Marken und Client Experiences – darunter zahlreiche Banken und Finanzinstitute.