Erfahrung als Inspiration
Auf die Idee, Bankern Yoga beizubringen, ist Lustinger durch seinen eigenen Beruf gekommen: «Seit 2014 habe ich für mehrere führende Banken in der Schweiz gearbeitet.» Von J.P. Morgan über UBS und Société Générale bis hin zu seinem aktuellen Arbeitgeber, der Credit Suisse (CS).
Doch eines war immer gleich: «Vom ersten Tag an hatte ich das Gefühl, dass die Arbeit sehr anspruchsvoll ist und extrem stressig werden kann.» Viele Banker sässen den grössten Teil des Tages am Schreibtisch oder vor dem Computer und nähmen sich nicht immer die Zeit für andere Aktivitäten.
Teilweise auch Verrenkungen
Vor wenigen Monaten habe er sich darum entschieden, seine beiden Welten, das Banking und das Yoga, zu kombinieren. Und seit Januar tut er das auch.
Bisher in kleinen Gruppen. Trotz Werbung in Kantinen, auf Facebook und anderen Online-Portalen tauchen neben mir gerade mal zwei andere Personen auf, ehemalige Société Générale-Arbeitskollegen Lustingers. Doch was erst traurig wirkt, entpuppt sich als praktisch, denn während den «Asanas», den Yoga-Positionen, teilweise auch als Verrenkungen bekannt, ist für den geneigten aber unbeholfenen Yoga-Laien eine überschaubare Klasse von grossem Vorteil, zwecks Individualbetreuung und Hilfestellungen. Und auch bei den Atemübungen zuvor und der Meditation zum Schluss ist es heimeliger, konzentrierter, entspannter.
Nicht nur PR
Doch macht es überhaupt Sinn, solche Klassen anzubieten, in einer Zeit, in der der moderne Arbeitgeber über Rutschbahnen, Tischfussball, Jogging-Gruppen oder eben auch Yoga-Klassen verfügt? Wenn man Lustinger fragt schon: «Schulen und Universitäten bieten sowas manchmal an, aber von Banken habe ich es noch nie gehört.»
In einer der Banken, für die er gearbeitet hat, sei zwar einmal ein Yogalehrer vorbeigekommen, der zusammen mit den Mitarbeitern einige Grundübungen und Haltungen gemacht habe. Doch ohne grossen Effekt: «Dies war jedoch nur eine einmalige Aktivität und es sah so aus, als wäre es eher für die Öffentlichkeitsarbeit als zum Wohl der Mitarbeiter gewesen», so Lustinger.
Muskelkater am nächsten Tag
Eigentlich wäre es einfach für Banken, mehr für ihre Angestellten zu tun als heute. Und laut Lustinger müssten sie das auch tun: «Die Banken sollten sich für die Gesundheit ihrer Angestellten stärker verantwortlich fühlen. Die Vorteile, wenn diese bei guter Gesundheit sind, käme ja schlussendlich auch ihnen wieder zugute.»
Die Stunde ist zu Ende, am nächsten Tag folgt der Muskelkater an Stellen, an denen ich bisher nicht glaubte, überhaupt Muskeln zu besitzen. Und doch kann ich mir gut vorstellen, «Yoga for Bankers» wieder einmal zu besuchen. Denn schliesslich richtet es sich auch an alle anderen, die viel vor dem Computer sitzen.
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