Nach dem Schlagzeilenwirbel um die Credit Suisse und ihrem Turnaround-CEO Tidjane Thiam lohnt sich ein Blick auf die Grossbank mit etwas Abstand. Was ist das überhaupt für ein Konstrukt?

Nimmt man die Worte von CEO Tidjane Thiam als Grundlage, dann liegt die «raison d'être» der Credit Suisse (CS) darin, ein führender Wealth Manager mit starker Investmentbank zu sein. Der unterm Strich erfolgreiche Turnaround der Schweizer Grossbank mag dieser Strategie recht geben – auch wenn am Investorentag einige Fragen offen blieben: Beispielsweise, wie Thiam gedenkt, den schleichenden Ertragsschwund der CS zu stoppen und den Trend umzudrehen.

Doch Fragen zur CS und ihrem Daseinszweck können auch an ganz anders, grundsätzlicher, gestellt werden. Dies tat die internationale Fachpublikation «Global Capital»: «Würden Sie die Credit Suisse in dieser Form erfinden?», fragte sie. Die Antwort im Artikel folgt am Schluss: «Gäbe es die Credit Suisse nicht, müsste man sich fragen, wer sich entscheiden würde, sie zu erfinden.»

Enormer Kapitalbedarf – geringe Renditeaussichten

Der Artikel nimmt an sich eine fortwährende Debatte um Sinn und Unsinn globaler Universalbanken auf, die Geschäfte betreiben, die wenig bis nichts miteinander zu tun haben, jedoch einen enormen Kapitalbedarf mit geringen Renditeaussichten schaffen.

Die CS präsentiere sich als «curious beast» – als Sonderling –, nachdem die Restrukturierung erfolgt sei, Ansprüche heruntergeschraubt wurden und sich der Fokus auf weniger Aktivitäten konzentriere, schreibt «Global Capital». Heute betreibt sie vier Divisionen.

Sonderling und Sammelsurium

Die Schweizer Universalbank (SUB), also die Credit Suisse Schweiz: Eine Inland-Universalbank, die Retail-, Corporate- und Private Banking unter einem Dach vereint und als eigenständiges Institut hervorragend dasteht. Eine Zeit lang wollte Thiam die SUB teilweise an die Börse bringen. Als die Kapitalbeschaffung an den Märkten wieder günstiger wurde, kam er davon ab.

Das internationale Wealth Management, eine Ertragsperle im CS-Konzern: Mit knapp 800 Milliarden Franken an verwalteten Vermögen die weltweite Nummer 6 im Private Banking. Doch die Synergien zur Investmentbank sind trotz erheblicher Anstrengungen nach wie vor gering. Eine Verbesserung der Zusammenarbeit strebt die CS weiter an.

Gutes Zusammenspiel in Asien

Credit Suisse Asien: ein höchst eigenständiger Geschäftsbereich, in dem das Wealth Management und die Investmentbank wie sonst nirgendwo auf der Welt relativ gut miteinander funktionieren, weil viele Unternehmerkunden aus beiden Bereichen Dienstleistungen beziehen.

Im Investmentbanking sucht die CS – sie war lange eines der führenden Häuser an der Wall Street – mittlerweile nach ihrer Identität. Gut laufen Geschäftslinien wie Leveraged Finance und Securitization, doch die Handelsabteilung in der Spare Global Markets ist bis jetzt nicht rentabel.

Suche nach Synergien

Ein «Sammelsurium» von Geschäften sei dies, fasst «Global Capital» zusammen, was sich auch im Reporting der CS äussert, wo einmal in Franken und einmal in Dollar berichtet werde. Synergien würden zwar bestehen, doch müsse man schon scharf hinschauen, um sie zu entdecken.
Das Fachblatt weist zudem daraufhin, dass die US-Kapitalvorschriften nur wenig Spielraum liessen, Schweizer Bilanzwerte für Kapitalmarktgeschäfte in den USA zu verwenden.

Aus Aktionärssicht ein Problem

Thiam verdiene zwar Lob dafür, dass er Gründe angibt, all diese Geschäfte unter einem Dach zu führen. Aber eben: «Gäbe es die Credit Suisse nicht, müsste man sich fragen, wer sich entscheiden würde, sie zu erfinden.»

Der vorliegende Artikel lässt sich als zugespitzter Kommentar apostrophieren. Doch er adressiert ein grundlegendes und schon lange bestehendes Problem grosser Banken: Im Zuge der Deregulierung und der Vernetzung der Finanzmärkte, gelang es diesen Konzernen in Boomphasen, die erheblichen Risiken aufgrund geringer Kapitalpuffer und inhärenter Interessenkonflikte zu verdecken.

In Krisenphasen – und vor allem in der jüngsten Finanzkrise – zeigte sich allerdings, dass diese durch Akquisitionen entstandenen Bankkolosse volkswirtschaftlich eher eine Gefahr als ein Gewinn sind.