Beharrlich und zunehmend erfolgreich etabliert sich Julius Bär als feste Grösse im deutschen Markt für Wealth Management. Vorteile erlangt die Privatbank ausgerechnet wegen der scharfen Regulierung.

Die jahrelang vom Erfolg verwöhnte Privatbank Julius Bär ist derzeit mit einer ganzen Reihe von Problemen konfrontiert. Das Geschäft und ihre Aktivitäten in Deutschland gehören definitiv nicht dazu. Im zumindest auf dem Papier attraktivsten Private-Banking-Markt Europas ist Julius Bär drauf und dran, der bedeutendste Anbieter zu werden – neben der UBS. 

Im Gegensatz zum globalen Schwergewicht UBS, das seine Präsenz in Deutschland nach Jahren der eher ungestümen Ausweitung deutlich verringert hat, hat Julius Bär in diesem Jahr gleich zwei Niederlassungen eröffnet: Mit Hannover und Berlin ist die Privatbank nun an zehn Standorten in Deutschland vertreten.

Kein Standortsammler

Auf die Frage nach einem möglichen elften Standort macht Heiko Schlag, Chef Private Banking Deutschland und Vorstandsvorsitzender der Julius Bär Europe, im Gespräch mit finews.ch deutlich, dass es nicht darum gehe, Standorte zu sammeln.

Heiko Schlag

Wie in Hannover bot sich auch in Berlin über den Gewinn eines Beraterteams die Chance auf einen neuen Standort. Auch in Berlin seien bereits Kundengelder in dreistelliger Millionenhöhe eingebucht, so Schlag. Dabei gilt die Bundeshauptstadt keineswegs als Paradies für Private Banker. Man erinnere sich an den Ausspruch des ehemaligen Bürgermeisters Klaus Wowereit: «Berlin ist arm, aber sexy.»

1,5 Milliarden Euro Neugeld

Doch Julius Bär hat die Chance gesehen. «In Berlin hat sich die Vermögensdichte in den letzten Jahren eindeutig erhöht, eine Folge der sehr lebhaften Startup-Szene in der Hauptstadt», sagt Schlag. Nicht nur Berlin zeige gute Leistungen.

Alle Standorte und Berater hätten in diesem Jahr positiv zum Nettoneugeld beigetragen, das Schlag mit 1,5 Milliarden Euro beziffert. Trotz teils widriger Marktentwicklungen habe sich auch die Assetbasis im Milliardenbereich ausgedehnt. Über die Höhe der verwalteten Vermögen macht Julius Bär keine Angaben, doch dürften sie sich im tiefen zweistelligen Milliardenbereich bewegen.

Fragezeichen schwarze Zahlen

Ob Julius Bär 2018 in Deutschland unterm Strich zum ersten Mal seit Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben wird, lässt der 54-Jährige offen. Immerhin so viel: «Wir konnten die Erträge gegenüber 2017 im zweistelligen Prozentbereich steigern.»

Allerdings musste Schlag auch mehr Geld ausgeben. Und das lag nicht am personellen Ausbau, der den Mitarbeiterbestand auf rund 200 erhöhte, davon rund 80 Kundenberater. Julius Bär investierte nämlich auch in IT und Digitalisierung, was die Aufwendungen steigen liess. «Auch die strengere Regulierung hat den Investitionsbedarf noch einmal erhöht», so Schlag, der seit 2011 für Julius Bär tätig ist.

MiFID II lässt Erträge sinken

In Deutschland ist seit 2018 die MiFID-II-Regulierung in Kraft, die in erster Linie dem Schutz von Kunden und Anlegern dienen soll, für Anbieter von Beratungsdienstleistungen aber einen erheblichen administrativen Mehraufwand im Kundenkontakt mit sich gebracht hat. Die Folge: Die Margen leiden und der Ertrag pro Kunde geht tendenziell zurück.

Das ist bei Julius Bär nicht anders. Doch die Schweizer Bank hat die strengere Regulierung zu ihrem Vorteil bereits nutzen können. «Infolge der MiFID-II-Einführung haben sich zahlreiche Konkurrenten aus dem Beratungsgeschäft zurückgezogen», sagt Schlag.

Die Mitbewerber steigen aus

Das ist insbesondere im Bereich der Sparkassen und Raiffeisenbanken zu beobachten, welche die hohen Investitionen, die MiFID II verlangt, um weiterhin Kunden eine Vermögensberatung anbieten zu können, nicht tragen möchten.

Insofern erweisen sich die höheren Eintrittshürden im Vermögensberatungsgeschäft in Deutschland für Julius Bär als Wettbewerbsvorteil. 500 Neukunden führten dazu, dass die Privatbank den durch die Regulierung verursachten strukturellen Ertragsrückgang mehr als kompensieren konnte. Dem in Deutschland teils sehr aggressiv geführten Preiskampf ist Julius Bär damit auch weniger ausgesetzt.

Wealth-Management-Anbieter, welche mittels Tiefpreisstrategie versucht haben, Marktanteile zu gewinnen, haben sich im Zuge der gestiegenen Kosten buchstäblich den Ast abgesägt, auf welchem sie sassen.