Die MiFID II-Richtlinie der EU tritt im kommenden August in Kraft. Sie verpflichtet Vermögensverwalter, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden in Erfahrung zu bringen.

Von Pierre Moulin, Global Head of Products and Strategic Marketing, BNP Paribas Asset Management

Ab 2. August 2022 müssen Berater und Anbieter von Finanzprodukten ihre Kundinnen und Kunden nach ihren Präferenzen in Bezug auf die Nachhaltigkeit von Anlageprodukten befragen.

Hintergrund dieser neuen Richtlinie sind die verschiedenen Initiativen der EU, privates Investitionskapital zu denjenigen Unternehmen zu lenken, die sich am aktivsten für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft einsetzen.

Dicht reguliertes Umfeld

Sie dürfte die Position der Investierenden stärken und für höhere Transparenz sorgen; dies in einem dicht regulierten Umfeld, in dem allseits gegen Greenwashing vorgegangen wird.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Mifid-Fragebogen, mit dessen Hilfe die Kundenpräferenzen ermittelt und eine Grundlage für die Gestaltung eines geeigneten Produktangebots geschaffen werden sollen.

Der Fragebogen adressiert ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung), die Angleichung der Produkte an die europäische Taxonomie und die negativen Externalitäten von Investitionen.

Grosse Herausforderungen

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat jüngst erste, bindende Elemente dieses Regulierungsrahmens bekanntgegeben, was zu einer Vereinheitlichung der Fragebögen führen dürfte.

Die Antworten der Anleger müssen dann in eine konkrete Produktpalette umgesetzt werden. Dieses «à la carte»-Modell bringt jedoch eine grosse Herausforderung mit sich: Wie lassen sich die Kundenpräferenzen mit den Hauptmerkmalen der jeweiligen Fonds in Einklang bringen?

Neue Herausforderungen für Vermögensverwalter

In diesem neuen Regime kommt der Vermögensverwaltungsbranche eine besondere Wichtigkeit zu. Sie muss ein umfassendes Produktangebot bereitstellen, das die gesamte Bandbreite der Anlegerprofile abdeckt – nicht nur in Hinsicht auf ESG-Präferenzen, sondern auch bezüglich Risikobereitschaft, Portfoliodiversifizierung, Liquidität, usw.

Im Einklang mit ihren erklärten Zielen müssen die Fonds unter anderem negative Auswirkungen wie Treibhausgasemissionen oder geschlechtsspezifische Lohnunterschiede begrenzen und einen bestimmten Anteil an als «nachhaltig» definierter Vermögenswerte beinhalten.

Eindämmung des Klimawandels

Sie müssen auch der europäischen Taxonomie entsprechen, das heisst, Anlagen umfassen, mit denen zum Beispiel die Eindämmung des Klimawandels oder der Schutz von Ökosystemen ermöglicht werden.

Die Einführung der Mifid II-Vorschriften dürfte die Attraktivität nachhaltiger Fonds weiter steigern. Es ist jedoch auf eine ausgewogene Kapitalzuweisung zu achten, um eine zu starke Konzentration der Investitionen zu vermeiden.

Datenerhebung und Technologie massgebend

Nach der Einführung von Mifid II werden am 1. Januar 2023 die technischen Regulierungsstandards der Stufe 2 in Kraft treten. Sie definieren einen strengen Rahmen, wie Vermögensverwalter gemäss der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) über «Fonds nach Artikel 8 und 9» kommunizieren sollen.

Schliesslich wird die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), über die noch verhandelt wird, ab 2024 die Finanz- und ESG-Berichtspflichten von Unternehmen verschärfen.

Andere Reihenfolge

Die von diesem Regulierungsrahmen zu erwartenden Fortschritte sind zu begrüssen, aber in ihrer Umsetzung wäre eine andere Reihenfolge logischer gewesen: Würden die Unternehmen zuerst ihre ESG-Daten transparent und einheitlich offenlegen, könnten die Vermögensverwalter diese Informationen für die Ausarbeitung ihres Fondsangebots nutzen.

Die Vertreiber der Fonds könnten dann in einem dritten Schritt ermitteln, was Anleger bezüglich nachhaltiger Investitionen bevorzugen. Wegen des von der EU gewählten Zeitplans sind Vermögensverwalter vorerst jedoch darauf angewiesen, sich die ESG-Daten bei den Unternehmen selbst zu beschaffen, was schwierig sein kann.

Blick in die Zukunft

Um anhand der ESG-Präferenzen eines Anlegers eine optimale Portfolioallokation festzulegen, ist zudem die Technologie für die Erfassung und Verarbeitung von ESG-Daten – und ihre angemessene Berücksichtigung in den Anlagestrategien – besonders wichtig.

Die Umsetzung der Gesetzgebung für eine nachhaltige Finanzierung wird die Finanzdienstleistungsindustrie in den nächsten Jahren vor grosse Aufgaben stellen. Es gibt noch viel zu tun, nicht zuletzt, um die Qualität der ESG-Daten der Unternehmen zu verbessern und sie leichter zugänglich zu machen. Mifid II und die verschiedenen Regulierungen werden jedoch zu einer besseren Koordination und Standardisierung führen, von der die Kunden profitieren werden.

Übergang braucht Zeit

Zu bemerken ist, dass es sich dabei nicht nur um einen neuen Rechtsrahmen handelt, sondern um einen wichtigen Schritt zur Umschichtung von Kapital in Richtung des ökologischen Wandels und sozial relevanter Bereiche.

Dieser Übergang wird Zeit brauchen und nur mithilfe aller Beteiligten zustande kommen: Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter, Regulierungsbehörden – und natürlich die Anleger selbst.


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