Martin Greweldinger, Co-CEO bei Avaloq, zeigt auf, wie Finanzinstitute mit Technologie ESG-Präferenzen effizient in die Anlageberatung integrieren können.

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat im vergangenen April die Konsultation zu den Änderungen an MiFID II abgeschlossen – am 2. August 2022 werden die neuen Regeln der EU-Behörde in Kraft treten. Im Zuge dieser Änderungen schreibt die EU vor, dass Präferenzen in Bezug auf ESG in die Anlageberatung integriert werden müssen.

Ziel ist es, dadurch den Anlegerschutz zu verbessern und nachhaltige Investitionen zu fördern. Mit den neuen Regelungen werden Finanzinstitute also verpflichtet, Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden proaktiv zu erfragen, genauso wie sie bereits deren Risikotoleranz und Investmentkompetenz erfassen.

Passive Nachhaltigkeitsangebote nicht mehr ausreichend

Nachhaltiges Investieren gemäss ESG-Kriterien gewinnt stetig an Bedeutung und wird sowohl von Anlegern als auch von Regulatoren vermehrt eingefordert. Die meisten Finanzinstitute bieten bereits Zugang zu nachhaltigen Produkten, aktuell besteht jedoch häufig eine Holschuld seitens der Anleger.

Sie müssen ESG-Angebote proaktiv einfordern. Nachhaltigkeitspräferenzen werden jedoch bald zu einer Standardkomponente jedes Anlegerprofils. Die Änderungen an MiFID II erfordern nicht nur einen Kulturwandel in der Finanzbranche, sie zwingen Finanzinstitute auch dazu, ein ESG-Klassifizierungssystem – basierend auf regulatorischen Vorschriften und Branchenstandards wie EET (European ESG Template) – anzuwenden, um eine Liste mit nachhaltigen Produkten zusammenzustellen.

Finanzinstitute müssen die neuen Regeln bis zum Inkrafttreten der überarbeiteten Richtlinie im August 2022 umsetzen. Andernfalls riskieren sie, hinter die Konkurrenz zurückzufallen und mit Regulatoren in Konflikt zu geraten.

Technologische Lösung für ESG-Anlagen

Investieren nach ESG-Kriterien bietet aus ethischer sowie finanzieller Sicht viele Chancen, stellt aber technologisch eine Herausforderung dar. Das grosse Potential kann nicht ausgeschöpft werden, wenn die eingesetzte Technologie den Anforderungen nicht gewachsen ist.

Finanzinstitute müssen sicherstellen, dass ihre Investmentplattformen in der Lage sind, mit veränderten Regeln für Kunden in der EU umzugehen und Investmentprodukte anzubieten, die sich an ESG-Kriterien orientieren und sowohl Vermögensverwaltungs- als auch Anlageberatungsmandate umfassen.

Eine moderne ESG-Lösung sollte die Nachhaltigkeitspräferenzen von Investoren anhand der zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen (Principal Adverse Impacts – PAI) erfassen, Minimalquoten für nachhaltige Anlagen in Abhängigkeit der Klassifizierung von Anlageprodukten festlegen und nachhaltige Investments gemäss der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (SFDR) klassifizieren.

Die Nachhaltigkeitspräferenzen der Investoren sollen in sämtliche Prozesse in den Bereichen Anlageberatung und Vermögensverwaltung einfliessen. Die Lösung sollte Eignungsanforderungen modellieren und ESG-Daten von verlässlichen Quellen wie MSCI automatisiert zusammentragen und vergleichen können.

Am einfachsten können Finanzinstitute die neuen Regeln umsetzen, indem sie ihrem Framework zur Geeignetheitsprüfung einen spezifischen ESG-Layer hinzufügen. Dies kann bedeuten, dass sie den Investorenfragebogen erweitern, standardisierte ESG-Ratings integrieren und neue Ausschlusskriterien definieren.

In Sachen ESG die Führung übernehmen

Die neuen regulatorischen Anforderungen holen Verpasstes nach und räumen dem Thema ESG jene Wichtigkeit ein, die es bei Anlegern bereits geniesst – insbesondere bei der jüngeren Generation, also den vermögenden Kunden von morgen.

Die neuen Regeln bieten Finanzinstituten aber auch die Chance, im Bereich Nachhaltigkeit eine Führungsrolle einzunehmen, statt der Entwicklung hinterherzuhinken. Indem sie proaktiv handeln und eine solide technologische Lösung implementieren, um die neuen Regeln umzusetzen, können Finanzinstitute ihren Ruf und ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Nachhaltigkeit stärken. In Zukunft wird dies für die Akquisition und Bindung von Kunden unerlässlich sein.


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