Kaum eine Schweizer Bank, die nicht mit digitalen Diensten punkten will. Doch was gut gemeint ist, nimmt in der Praxis oft eine unerwartete Wendung.
Anton Simonet, der Chef der UBS-Vermögensverwaltung in der Schweiz, hat gegenüber Innovation eine klare Haltung. «Am Ende zählt vor allem eine Frage: was nützt es dem Kunden?», erklärte er Anfang Jahr gegenüber finews.ch.
Vergangenen Juli liess Simonet das Credo erneut anklingen, als er zum Start des mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten UBS Companion referierte. Die Digitalisierung, sagte der Bankmanager vor der versammelten Presse, entfalte vorne an der Kundenfront zuweilen unerwartete Nebenwirkungen.
Während nämlich die Grossbank in der Schweiz immer neue digitale Kanäle zur Kundschaft öffne, habe die Anzahl Telefonanrufe im Servicezentrum der Bank 2017 um einen Drittel zugelegt. Die Digitalisierung, lässt sich aus Simonets Ausführungen schliessen, wurde bei der UBS unerwartet Treiber einer analogen Nachfrage.
Kunden sind nur ein Teil der Problematik
Mit diesem Befund steht die Grossbank allerdings nicht alleine da. Diverse in der Schweiz durchgeführte Studien haben längst festgestellt, dass Kunden gegenüber den neuen digitalen Finanzdienstleistungen oftmals misstrauisch bis ablehnend reagieren – ein Thema, das auch an der ersten Schweizer Fintech-Messe vom (heutigen) Donnerstag zu reden geben dürfte. Gute geölte digitale Kanäle, sind sich die Experten einig, bringen noch keine Volumen. Doch die Kunden sind nur ein Teil der Problematik. Auch die Banker verhalten sich nicht immer so, wie die Chefdigitalisierer sich das vorstellen.
Bei den Banken sei der Fintech-Hype der Ernüchterung gewichen, stellte Falk Kohlmann bereits vor zwei Jahren fest. Damals leitete er noch E-foresight, den Fintech-Thinktank des Telekomkonzerns Swisscom. Heute ist Kohlmann für die Digitalisierung der St. Galler Kantonalbank (SGKB) mit verantwortlich und erfährt nun aus erster Hand, wie Fintech-Konzepte in der Praxis ein Eigenleben entwickeln.
Berater nutzen Online-Hypothek auf eigene Weise
«Es kommt vor, dass ein Tool anders verwendet wird als gedacht», berichtet der Leiter Digital Banking der SGKB. So stellte er fest, dass bei der neuen Online-Verlängerung von Hypotheken einige Berater das Instrument verwendeten, um den Kunden damit tüfteln zu lassen – und dann das Gespräch mit ihm zu suchen.
Anders ausgedrückt: der digitale Dienst wurde als Anknüpfungspunkt für einen analogen Kontakt mit der Klientel verwendet. «Geplant war eine linearere Nutzung», sagt Kohlmann, der bei der Staatsbank auch schon fünf Marketing-Anläufe nehmen musste, um ein digitales Produkt erfolgreich zur Kundschaft zu bringen.
Amelia konnte am Anfang zu wenig
Immer noch bei der Belegschaft für ihr digitales «Kind» am Weibeln ist derweil Jennifer Hewit, bei der Grossbank Credit Suisse (CS) zuständig für den internen Chatbot Amelia (Bild unten). Am Anfang des Projekts fasste Hewit den folgenschweren Entschluss, Amelia Service-Anfragen behandeln zu lassen, obwohl sie wusste, dass der Sprachroboter nur jede fünfte Frage überhaupt verstand.
«Dieses Vorgehen würde ich anderen Nutzern von Chatbots nicht mehr empfehlen», blickt die Entwicklerin zurück. Denn die CS-Banker hätten wie selbstverständlich angenommen, dass Amelia schon von Anfang alles kann – manche reagierten entsprechend verärgert auf die Lücken.
Pepper auf dem Abstellgleis
Mittlerweile versteht Amelia 87 Prozent der Anfragen. Doch die Entwicklerin muss weiterhin auf den Spruch zurückkommen, den sie sich unterwegs angeeignet hat: Amelia sei eben wie ein Baby – und habe noch viel dazuzulernen.
Ganz ausrangiert wurde hingegen der Grüssroboter Pepper bei der Saxo Bank Schweiz. «Wir haben ein Jahr lang sehr viel lernen dürfen mit dem Versuch, einen humanoiden Roboter ins Kundenerlebnis einzubinden. Einmal muss man aber auch sagen können: Jetzt ist gut», bestätigte Bankchef Patrick Hunger gegenüber finews.ch den Entscheid.
Dabei, so der Saxo-CEO weiter, habe man Pepper der Kundschaft durchaus zumuten können. Den Angestellten zu sagen: Kommt, lasst uns gemeinsam mit Pepper experimentieren – das habe sich aber in der Praxis wegen der Handlungs- und Ergebnis-Ungewissheit als anspruchsvoll erwiesen.
Fehler werden totgeschwiegen
Hunger stellt gleichzeitig fest, dass im Banking kaum jemand übers Scheitern spricht. «Wir hören nur die geglätteten Erfolgsmeldungen. Die Folge ist, dass die Industrie nicht aus gemachten Fehlern lernen kann.» Dies im Unterschied zum Innovations-Mekka des kalifornischen Silicon Valley, wo Pleiten, Pech und Pannen als Wegabschnitt zum Erfolg begriffen werden.
Dass Fintech-Neuerungen teils unerwartete Nebenwirkungen entfalten, dringt inzwischen mehr und mehr durch. Nun müssen Banker lernen, darüber zu sprechen. Die neue Fintech-Messe bietet heute Gelegenheit dazu.