Die Credit Suisse machte in den letzten Wochen mehrmals Negativ-Schlagzeilen. Anlass für einen amerikanischen Wirtschaftsethiker, Präsident Urs Rohner einen offenen Brief zu schreiben.
Die Kopfzeile des offenen Briefes an Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse lautet: «Ein einfacher Weg zu besserer Publicity». Der Absender des Schreibens nennt sich selber «The Ethics Guy». Bruce Weinstein (Bild unten) leitet in den USA das «Institute for High-Character Leadership» und hat sich als Autor und Redner einen Namen als Experte für Wirtschaftsethik und integre Wirtschaftsführung gemacht. Zudem ist Weinstein regelmässiger Autor im führenden US-Wirtschaftsmagazin «Forbes».
Dort hat Weinstein seinen Brief an Rohner nun veröffentlicht. Das Schreiben beginnt mit einem Quiz: «Welche Schlagzeile möchten Sie lieber in den Nachrichten lesen?»
Die möglichen Antworten sind
A) Credit Suisse Fined $77 Million In Corruption Inquiry (Credit Suisse: Ihre Vetternwirtschaft kostet sie Millionen)
B) Despite Reports, Credit Suisse Is Not Done With Its Sticky Intern-Touching Mess (CS: Firmenausflug endet mit Rauswurf)
C) Credit Suisse Pick That Went Sour Ends Up In Banker Appeal (Warum die CS einem verurteilten Ex-Banker plötzlich hilft)
D) Urs Rohner Is The High-Character Chair Of The Month (Urs Rohner ist der Wirtschaftsführer des Monats)
Auch finews.ch-Leser wissen: Option D) ist reine Fiktion. Die anderen Meldungen sind real und waren in den USA von der «New York Times», von «Dealbreaker» von «Bloomberg» publiziert worden.
Was um Himmels Willen?
Weinstein stellt im Namen der Credit-Suisse-Aktionäre die offene Frage: «Was um Himmels Willen veranstalten Sie da?» Er klärt auch gleich ein grosses Missverständnis: Wirtschaftsjournalisten haben keine Obsession mit Wirtschaftsführern, die etwas falsch machen.
Es bereite im Allgemeinen auch Journalisten mehr Freude, das Scheinwerferlicht auf ehrenwerte Menschen zu richten, deren vorbildliches und integres Verhalten Kunden, Angestellten und auch dem Ruf des Unternehmens zu Gute kämen, schreibt Weinstein.
Auch die CS operativ wieder auf dem richtigen Weg ist, sieht Weinstein dringenden Bedarf für einen «Turn around». Dafür müssten aber drei einfache Regeln befolgt werden.
1. Lassen Sie den Worten Taten folgen
Die CS überschreibt ihren «Code of Conduct» mit den folgenden Worten: « Als führender Finanzdienstleister wollen wir mit unseren ethischen Grundsätzen und professionellen Standards im Markt Massstäbe setzen.» Weinstein an Rohner: «Sie können nicht länger das Eine sagen und das Andere tun.» Verärgerte Aktionäre würden sonst Aufbegehren und Veränderungen verlangen – oder in ein anderes Unternehmen investieren.
2. Nehmen Sie eine Auszeit
Amerikaner benutzen den Begriff «Time out» nicht nur für Auszeiten während Basketball- oder Football-Spielen. Er wird auch vielfach in der Kindererziehung benutzt. Wenn Eltern oder Lehrer ihren Sprösslingen ein Time out verordnen, meinen Sie: Gehe in dich, überdenke dein Verhalten.
Rohner und der CS-Verwaltungsrat sollten dasselbe tun, so Weinstein. Rohner solle auf ein Stück Papier die ethischen Werte der CS aufschreiben, wie sie im «Code of Conduct» aufgelistet sind: Integrität, Verantwortung, Respekt, Compliance, Diskretion und Vertrauen.
Integre Unternehmensführung würde nun bedeuten, dass jeder einzelne dieser Grundwerte auf sein Konzept überprüft wird und wie sich diese auf Ereignisse und Situationen anwenden lassen, so Weinstein.
Integre Unternehmensführung würde auch bedeuten, dass Verwaltungsräte, Manager Angestellte mit gutem Beispiel vorangingen, um zu beweisen, dass sie tatsächlich zum Wohl des Unternehmens arbeiteten.
Konkret: An jedem Town-Hall-Meeting und an jeder Verwaltungsratssitzung sollte ein CS-Angestellter präsentiert werden, dessen Aufrichtigkeit und verantwortungsvolles Handeln in einem quantifizierbaren Gewinn des Unternehmens resultierte. Ausserdem sollte sich jeder CS-Angestellte den Grundwerten erneut verpflichten.
3. Demonstriere deinen Willen
Der CS-Verwaltungsrat haben die freie Wahl unter Präsident Rohner, jene Entscheidungen zu treffen, welche mit dem «Code of Conduct» über einstimmen. Die Folgen daraus seien viel einfacher zu handhaben als Fehlverhalten.
Die Voraussetzung für integre Unternehmensführung sei Willenskraft, so Weinstein weiter. Über Macht verfüge Rohner ja. «Doch haben Sie auch den Willen, diese Macht richtig einzusetzen?»
Zweifel sind angesichts des «Track records» von Rohner angebracht. In Erinnerung ist beispielsweise sein Ausspruch «Wir haben eine weisse Weste», nachdem die CS eine Rekordbusse von 2,6 Milliarden Dollar wegen US-Steuervergehen bezahlen musste. Mehrfach waren Rohners Salär und die vom VR abgesegneten Manager-Boni angesichts schlechter Resultate und kritischer Eigenkapitalausstattung Anlass für Proteste aus dem Aktionariat.
Wohlwissend, dass Rohner sich bislang entgegen allen Kritikern und Widerständen im Aktionariat auf dem CS-Präsidium hat halten können, warnt Weinstein: Sollte Rohner nicht reagieren, werde er aus seinem Amt gedrängt.