Grosse Anbieter senken die Gebühren für die beliebten Indexfonds massiv. Das machen sie nicht aus Nächstenliebe, wie Recherchen zeigen: Der ETF-Boom ist ins Stocken geraten.
Anfänglich waren die Bewegungen nur Fachpublikationen einige Zeilen wert. Auf jenen Portalen konnten Interessierte erfahren, dass im boomenden Universum der Indexfonds (ETF) die Preise purzeln. Mittlerweile hat sich aber gar die Branchenbibel «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) dem Thema angenommen: Die britische Zeitung spricht martialisch von einem Preiskrieg, der sich immer weiter ausbreite.
Tatsächlich sind enorme Bewegungen in Gange, und selbst die Marktführer sind davor nicht gefeit. So hat der weltweit grösste Indexfonds-Anbieter iShares die Gebühren einzelner europäischer Flaggschiff-Fonds massiv gesenkt: Die Blackrock-Tochter stutze etwa die Gesamtgebühr ihres ETF iShares MSCI Europe von 0,35 auf nur noch 0,12 Prozent. Laut der «Financial Times» sind iShares-Produkte im Wert von 50 Milliarden Dollar von Preissenkungen betroffen.
Enttäuschendes 2018
Und das ist nur der Marktführer. Internationale Rivalen wie State Street, AJ Bell oder Van Eck buchstabieren ebenfalls zurück. Mittlerweile sind nicht nur Aktien-ETF, sondern auch solche auf Gold oder Schwellenland-Anleihen betroffen. Die Häuser nähern sich damit in Europa Anbietern wie der Deutsche-Bank-Fondstocher DWS an, die mit ihren Xtrackers-ETF schon länger eine Preisbrecher-Strategie fährt. Neuankömmlinge wie Goldman Sachs heizen den Preiskampf weiter an.
Indes, iShares und Co. handeln nicht aus Nächstenliebe. Nach mehr als zehn Jahren Boom-Zeiten, in denen die ETF-Anbieter die übrige Fondsbranche vor sich hertrieben, hat sich das Umfeld für sie überraschend eingetrübt.
Denn wie ein Marktkenner berichtet, hat sich das Jahr 2018 bisher als mässig bis enttäuschend für die erfolgsverwöhnte Branche erwiesen. Angesichts der volatilen Börsen zogen Investoren Gewinne aus den liquiden Indexfonds ab – derweil die Neugelder meist nur spärlich flossen. So rapportierte das Analysehaus ETFGI vergangenen April einen Nettoabfluss von 1 Milliarde Euro aus in Europa gelisteten Aktien-ETF, während sich der März zuvor als volumenmässig schlechtester Monat seit 2015 erwiesen hatte.
«Die Nervosität steigt», berichtet jene Quelle gegenüber finews.ch.
Killerkriterium Preis
Weil das ETF-Business von Skaleneffekten getrieben ist, schlägt das ausbleibende Volumen schnell auf die Erträge durch. Um die Gelder fliessen zu lassen, kennen die Anbieter eigentlich nur ein bewährtes Mittel: runter mit dem Preis.
«Die Neugelder kommen da rein, wo es am günstigsten ist», erklärt der Marktkenner den Mechanismus. Der Preis, sagt er, sei bei der Auswahl von Indexfonds mehr denn je das Killerkriterium.
Dies entbehrt nicht einer gewissen Ironie, haben doch die ETF-Anbieter dank ihren günstigen Gebühren den teureren aktiv verwalteten Fonds in der letzten Dekade schwer zugesetzt. Jetzt sind sie selber einem Preiskampf ausgesetzt, der ins Bodenlose zu führen droht. «Theoretisch könnten die Gesamtgebühren auf Null fallen», so der Marktkenner.
Der kleine Anleger spürt wenig
Die Anzeichen dazu sind in den USA ersichtlich, wo das Umfeld für ETF noch viel kompetitiver ist und die Gebühren meist nur ein Bruchteil jener in Europa betragen. Nicht von ungefähr versuchen grosse ETF-Anbieter mit aller Macht, sich vom reinen Produktelieferant zum Anbieter von honorarbasierten Investment-Gesamtlösungen zu wandeln. Wie auch finews.ch berichtete, macht dieser Trend auch hierzulande Schule.
Es gehört zu den Widersinnigkeiten dieses «race to the bottom», dass das breite Anlegerpublikum davon nicht viel spürt. Noch immer zahlen Privatinvestoren beim Erwerb von ETF relativ hohe Gebühren – die Geld-Briefkurs-Spanne im Handel an der Börse liegt laut Kennern im zweistelligen Basispunkte-Bereich und damit oftmals höher als die eigentliche Gesamtgebühr.