Der Mensch wird aber überall dort eine Chance haben, wo er durch Kooperation mit Robotern und durch Differenzierung von diesen «digitalen Kollegen» einen Mehrwert für Kunden schaffen kann.
Das entspricht dann dem heute schon verwendeten hybriden Modell im Kundenkontakt und in der Beratung.
Ich glaube an die Kombination aus dem Besten der digitalen und humanen Welt. So paradox es klingen mag: Die Digitalisierung führt zu einer Neu- und letztlich Höherbewertung des Menschen.
Menschen, die sich wie Roboter verhalten sollen, nämlich effizient, schnell, präzise, systematisch und ermüdungsfrei, werden psychisch, physisch und ökonomisch scheitern. Alle Tätigkeiten, die durch gut geölte Maschinen erledigt werden können, sollten auch durch diese erledigt werden.
«Nur Menschen können Emotionen empfinden, statt Emotionen zu simulieren»
Aber bis Roboter sich wie Menschen verhalten können, wird es aus heutiger Sicht noch eine ganze Weile dauern. Nur Menschen können Emotionen empfinden, statt Emotionen zu simulieren. Nur Sie können kreativ sein und nicht nur statistische Korrelationen liefern.
Nur Menschen sind Menschen ähnlich und stiften mit diesen Gemeinsamkeiten Sympathie, anstatt Matching-Punkte hochzurechnen.
Die Banken haben auf die Digitalisierung auch mit neuen Filialkonzepten reagiert. Welche Bedeutung haben diese gestalterischen Mittel in Ihrem Konzept?
Die neuen Begegnungsräume sind eine Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Bank. Diese Filial- und Raumkonzepte ermöglichen und fördern durch ihren ästhetischen Gesamteindruck die Kommunikation mit Kunden und solchen, die es werden sollen.
«Erst die Menschen schaffen Kundenerlebnisse»
Es ist wie im Theater oder Film: Die Kulisse ist integraler Bestandteil und Träger der Botschaft. Aber ohne Schauspieler bleiben sie blosse Fassade. Erst die Menschen, die diese Flächen glaubwürdig und erfolgreich bespielen können, schaffen gewünschte Kundenerlebnisse, erarbeiten Mehrwerte und sichern damit die Ziele der Bank.
Was genau zeichnet den Bankier 5.0 aus?
Der Bankier 5.0 verbindet die Haltung eines ethisch handelnden Kaufmanns von gestern – ein positives Klischee – mit dem modernen Wissen eines Bankfachmanns von heute und dem Methodenwissen «Predictive Advisory Competence».
Was steckt hinter der «Predictive Advisory Competence»?
Ausgehend von den bekannten Ausbildungs- und Lerninhalten der Bankfachleute habe ich mir die Erkenntnisse der Neurologie, der Psychologie und der Kommunikationswissenschaften genau angeschaut. Die aus meiner Sicht relevanten Aspekte konnte ich in den letzten zwei Jahren mit Live-Coachings im Retail-, Private- und Firmenkundenbanking meiner Kunden abgleichen.
«Ein perfekter Gastgeber zu sein, gehört dazu»
Daraus ist das Methodenbündel «Predictive Advisory Competence» entstanden. Es umfasst die Kompetenz, Muster zu erkennen, neue Lösungsansätze zu kreieren, komplex zu kommunizieren, physisch in Kontakt zu kommen. Schlussendlich gehört auch dazu, ein perfekter Gastgeber zu sein.
Wird da nicht wieder alter Wein in neuen Schläuchen angeboten?
Sicher nicht. Natürlich ist der eine oder andere Aspekt schon länger bekannt. Das gilt auch für einen Philosophen, der uns nach über 2'000 Jahren immer noch Orientierung geben kann.
Das Neue ist aus meiner Sicht die Kombination neuer und alter Aspekte und deren Einordung im Bankenkontext. Es handelt sich bei meinem Ansatz um ein offenes Betriebssystem: Schlüssig im Ansatz und offen für die individuellen Ziele einer Bank und ihrer unterschiedlichen Bereiche.
Sie sprechen die Kultur in einer Bank an. Was meinen Sie damit?
Ich meine damit die Atmosphäre, die emotionale Umgebung, Normen und Werte sowie deren konkrete Auswirkungen in einer Bank. Im übertragenen Sinn: die Software einer Bank. Ich bin überzeugt: Die Kultur ist der Erfolgstreiber Nummer 1.