Der Abschluss des Hypothekenstreits in den USA wäre eine neuerliche Gelegenheit für Urs Rohner, als Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse zurückzutreten.
Schon verschiedentlich haben Fachleute den Rücktritt von Credit-Suisse-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner gefordert.
Erstens weil die Schweizer Grossbank in den vergangenen Jahren strategisch in vielfacher Hinsicht enttäuschte, so dass die Aktionäre das Nachsehen hatten. Zweitens weil das Unternehmen kapitalmässig immer sehr schwach dastand, was sogar die Schweizerische Nationalbank zu einer Ermahnung bewegte. Und drittens weil Vergleichszahlungen und Bussen einen gesunden Neustart laufend beeinträchtigten.
Miserable Bilanz
So erstaunt es nicht, dass in Finanzkreisen schon lange kein Zweifel mehr besteht, dass der Verwaltungsrat – unter der Führung Rohners – versagt hat, selbst wenn die einzelnen Vertreter dieses Gremiums durchaus ihre Qualitäten hätten – in corpore fällt ihre Bilanz miserabel aus.
Dass Rohner nicht schon viel früher zurückgetreten ist, mag man damit erklären, dass er die Probleme im Hause selber anpacken und beseitigen wollte.
Nun mit einer der grössten Vergleichszahlungen in der Geschichte der CS wäre der ideale Zeitpunkt für einen Wechsel an der Spitze des Verwaltungsrats gekommen. Die Börsianer mögen zwar nun aufatmen und kurzfristig wieder CS-Aktien kaufen. Doch auf mittlere oder gar längere Sicht ist die zweitgrösste Bank der Schweiz noch nicht aus dem Schneider.
Dafür gibt es mindestens sieben Überlegungen:
1. Verwaltungsrat hat versagt
Seit mindestens zwei Jahren steht der Verwaltungsrat der CS in der Kritik. Zunächst weil er es versäumt hat, nach der Finanzkrise aus der damals guten Verfassung der Bank Kapital zu schlagen, und danach weil er mit einer geradezu lethargischen Haltung den immer grösseren Problemen – strategischer wie auch personeller Art – begegnete.
Nie hat dieses Gremium Leadership an den Tag gelegt, selbst als Konzernchef Tidjane Thiam von verschiedener Seite her unter Druck kam, blieb es um den Verwaltungsrat still – nie hat sich einer seiner Vertreter mit wegweisenden Überlegungen zu Wort gemeldet.
Es kam auch nie zu namhaften personellen Veränderungen. Nun, da mit der Einigung im US-Hypothekenstreit ein weiteres Problem gelöst scheint, wäre es ein guter Zeitpunkt, dass Präsident Rohner seinen Platz frei macht.
2. Compliance frisst weitere Milliarden
Die Kosten für den US-Vergleich dazu gerechnet, steigen die in den letzten Jahren getätigten Ausgaben der CS für die Beilegung von Rechtsfällen in die Nähe der 10-Milliarden-Franken-Grenze. Gleichzeitig hat die Bank seit Ende der Finanzkrise die Ausgaben für Compliance in Milliardenhöhe geschraubt – vielmehr, schrauben müssen. Dies indirekt als Folge der zahlreichen Vergehen und Fehltritte, für welche die CS nun büsst.
Insofern lastet das Gebaren der Bank, sei es im Offshore-Geschäft mit US-Kunden oder im US-Subprime-Markt oder im Aktienhandel in Darkpools, finanziell gleich doppelt auf dem Unternehmen. Schwacher Trost: Mit der CS ächzt die gesamte Branche unter den massiv gestiegenen Compliance-Kosten.
3. Schwache Kapitalkraft belastet Aktienkurs
Kurzfristig mag nun etwas Unsicherheit in der weiteren Geschäftsentwicklung der CS verschwunden sein, doch es bleibt eine Tatsache, dass dieser Vergleich – wie auch noch andere Einigungen, die folgen werden – einen massiven Einfluss auf die Kapitalkraft der Bank haben.
Klar scheint, dass erneut die Kapitalkraft der Bank in Frage gestellt wird, was wiederum einen Einfluss auf die Entwicklung des Aktienkurses haben wird. Vor diesem Hintergrund eignen sich die CS-Titel nicht als langfristiges Investment.
4. Auswirkungen auf die Schweizer Einheit
Die neuerliche US-Busse wird die Kernkapitalquote (CET1) unter Basel III der CS wieder nahe an die 11-Prozent-Marke führen. Die Frage lautet nun, was dies für die Schweizer Einheit und den geplanten Börsengang im kommenden Jahr bedeutet.
Laut CS-Management braucht eine abgespaltene CS Schweiz mehr Eigenkapital als die bisherige Schweizer Universalbank. Dies hätte wohl einen negativen Einfluss auf die Eigenkapital-Rendite und die Bewertung der Schweizer Einheit.
Sprich: Ein Börsengang könnte weniger Geld einbringen als vorgesehen und verschafft damit nicht die erhoffte Erleichterung beim Aufbau der Kapitaldecke der CS.
5. Auf die Zahlungsmodalität kommt es an
Die Vergleichszahlung ist für die CS ein Klotz am Bein – mindestens fünf Jahre lang. Denn in dieser Periode ist die Schweizer Grossbank verpflichtet, Entschädigungen in der Höhe 2,8 Milliarden Dollar an geschädigte Kreditnehmer zu bezahlen. Das macht 560 Millionen Dollar pro Jahr.
Noch ist unklar, wie die Fälligkeit der Zahlungen ausgestaltet wird. Sobald diese bekannt ist, lassen sich die Konsequenzen des Vergleichs auf die Ertrags- und Kapitalkraft der CS genau beurteilen.
6. Das 2016 wird rot enden
Die CS hat 2015 aufgrund von Abschreibungen und Restrukturierungskosten einen Verlust von 2,9 Milliarden Franken erlitten. Auch das laufende Jahr wird rot enden. Vontobel-Analyst Andreas Venditti rechnet mit einem Nettoverlust von gut 1 Milliarde Franken.
Damit steht auch die Dividende auf dem Prüfstand. Im letzten Jahr gab es trotz Milliardenverlust 70 Rappen pro Aktie. Es ist fraglich, ob die CS angesichts der bereits angespannten Ertrags- und Kapitalsituation an den 70 Rappen festhält.
7. Ende eines Geschäftsmodells
Betrachtet man die Entwicklung der beiden Schweizer Grossbanken in den vergangenen zehn Jahren, so hat es kaum je eine längere Phase der Stabilität gegeben. Immer wieder mussten die beiden Institute Rückschläge hinnehmen, die sie nur dank ihrer schieren Grösse einigermassen parieren konnten.
Anstatt dass die Aktionäre mehrheitlich am Erfolg partizipierten, verdienten sich die Firmenoberen über Boni und sonstige Zahlungen eine goldene Nase – selbst wenn fortdauernd von einer Mässigung der Salärpakete die Rede war.
Noch schwerer indessen wiegt der Umstand, dass es zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen dieser Universalbanken enorme Interessenkonflikte gibt. Private Banker und Investmentbanker mögen auf dem Papier harmonieren und Synergien schaffen, in der Praxis ist man von einigen Ausnahmen abgesehen noch weit davon entfernt.
Eine Universalbank hat auch aus Aktionärssicht nie viel Sinn gemacht. Die einzelnen Bereiche sind von der Risikoanlage dermassen verschieden, dass der Aktionär gar nicht weiss, in was er sein Geld investiert.
In diesem Geflecht noch ein Kleinkunden-Geschäft zu führen, macht immer weniger Sinn. Das ist denn auch mit ein Grund dafür, dass beide Grossbanken je auf ihre Weise diesen Bereich abgespaltet haben. Gerade das deutet klar darauf hin, dass das Ende der globalen Universalbank unwiederruflich naht. Die disruptive Kraft der Finanz-Technologie wird dabei ihren Teil noch dazu beitragen – viele Bankgeschäfte werden die Menschen künftig selber und abseits der Banken erledigen.