An der heutigen Generalversammlung der Credit Suisse will Präsident Urs Rohner 6 Milliarden Franken von den Aktionären der Grossbank lösen. Angesicht der bitteren Pillen für die Eigner bedürfte es dazu eigentlich eines Wunders, findet finews.ch.
Tidjane Thiam musste schon im Vorfeld zur ausserordentlichen Generalversammlung der Credit Suisse von heute Donnerstag Sticheleien hinnehmen. Erstmals, so frotzelte etwa die Agentur «Reuters», werde der neue CS-Chef das bisweilen zu einigem Klamauk aufgelegte Schweizer Aktionärspublikum kennenlernen.
Indes, im Mittelpunkt der Generalversammlung auf dem Bernexpo-Gelände in der Bundeshauptstadt steht nicht etwa CEO Thiam, sondern sein Präsident, Urs Rohner (Bild). Entsprechend steht für diesen heute ungleich mehr auf dem Spiel. So viel gar, dass er aus Sicht von finews.ch eigentlich das «Wunder von Bern» beschwören müsste – um siegreich aus dem Treffen hervorzugehen.
Jenes Wunder ereignete sich letztmals 1954 im Wankdorf-Stadion (heute Stade de Suisse) in unmittelbarer Nachbarschaft der Bernexpo-Hallen: Damals trug die Deutsche Nationalelf im Weltmeisterschafts-Final gegen Ungarn überraschend den Sieg davon.
Wie anders als durch ein solches Wunder – müsste man meinen – kann Rohner die Bank-Eigner dazu bringen, die insgesamt 6 Milliarden Franken zu sprechen, mit denen der CS-Präsident die Vorwärtsstrategie der Grossbank finanzieren will?
Dies umso mehr, als die Aktionäre dazu nicht weniger als fünf bittere Pillen schlucken müssen:
1. Pille: Strategische Spitzkehre
Nach der Finanzkrise von 2008 konnte sich die CS brüsten, anders als die Erzrivalin UBS nie Staatshilfe in Anspruch genommen zu haben. Stattdessen rekapitalisierte sich die Grossbank bei einer kleiner Zahl von Grossinvestoren: Diese kauften Aktien, Obligationen sowie Pflichtwandelanleihen der CS. Ab 2009 als Vize und 2011 als Präsident stand Rohner hinter dieser Strategie – und durfte sich mit dem damaligen CEO Brady Dougan freuen, wenn dieser von einem «job well done» schwärmte.
Seit dem letzten Oktober ist jedoch alles anders. Dougans Nachfolger Thiam verkündete, dass es Milliarden von Franken an frischem Eigenkapital brauche, um die CS aus der strategischen Sackgasse und zurück auf den Wachstumspfad zu führen. Der Mythos von der krisenfesten Bank platzte wie eine Seifenblase.
2. Leerer Mythos
Bis zuletzt hatte Ex-CEO Dougan versichert, dass die CS kapitalmässig einzigartig ausbalanciert sei. Das Gegenteil wurde nun offensichtlich: Die Stärkung der Eigenkapitaldecke ist notwendiger denn je. Denn gemessen an der harten Kernkapital-Quote sank die Kennzahl im dritten Quartal von 10,3 auf 10,2 Prozent. Und die ungewichtete Eigenkapital-Quote – die so genannte Leverage Ratio – erreichte 2,8 nach 2,7 Prozent Ende Juni. Zum Ziel gesetzt hat sich die CS hier bis Ende 2015 eine Ratio von 3 Prozent.
Der Regulator wiederum beschloss vor wenigen Wochen, dass die CS sowie andere für die Schweiz «systemrelevante» Banken ihre Leverage Ratio bis 2019 auf 5 Prozent erhöhen müssten.
Schon zuvor waren Zweifel an der Stabilität der CS aufgekommen: Im Jahr 2012 rügte etwa die Schweizerische Nationalbank die Grossbank, sie geschäfte am Limit der Eigenkapitalvorschriften.
3. Starke Verwässerung
An der heutigen Generalversammlung geschieht, was unter der Ägide von CS-Präsident Rohner bisher nie ein Thema war: Eine starke Verwässerung der Anteile des bisherigen Aktionariats.
Laut der Schweizer Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» hat sich die Anzahl CS-Aktien mit der heute zu beschliessenden Kapitalerhöhung seit 2007 beinahe verdoppelt; die Verwässerung betrage für die Altaktionäre nunmehr fast 20 Prozent. Die seit der Finanzkrise betont aktionärsfreundliche Strategie der Grossbank, folgert das Fachblatt, sei nicht aufgegangen.
4. Heikle Ungleichbehandlung
Die Kapitalerhöhung geschieht in zwei Teilen und bedarf damit auch separater Abstimmungen.
Im Rahmen einer Privatplatzierung werden als erstes 58'000'000 neue Namenaktien an einige ausgesuchte Grossinvestoren verkauft – zu privilegierten Bedingungen. Der Bezugspreis beträgt 22.75 Franken pro Aktie, und für die neu auszugebenden Namenaktien wird das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre aufgehoben.
Erst ist einem zweiten Schritt folgt die «ordentliche» Ausgabe von bis zu 260‘983‘898 weiteren Namenaktien unter Gewährung von Bezugsrechten. CS-Aktionäre erhalten ein Bezugsrecht für jede Namenaktie, die sie per 20. November 2015 halten. 13 Bezugsrechte gewähren deren Inhaber das Recht, zwei neue Namenaktien zum Bezugspreis von 18 Franken pro Aktie zu erwerben.
Die Privatplatzierung birgt Zündstoff, kommt sie doch effektiv einer Ungleichbehandlung verschiedener Eigner-Gruppen gleich. Wie heikel ein solches Vorgehen sein kann, zeigt die nicht enden wollende Übernahmeschlacht um die Chemie-Firma Sika, die den Umgang mit Aktionärsrechten in der Schweiz weltweit in ein schiefes Licht rückte.
5. Blasse Aufsicht
Mit den Milliarden neuen Kapitals als Energiespritze – so zumindest dass Versprechen der CS – soll die Bank innerhalb dreier Jahre wieder fit für den Angriff sein. Diesen kommandiert allerdings CEO Thiam, genauso, wie es vorher Dougan war, der (zu) lange die überholten Strukturen innerhalb der Bank verteidigt hatte.
Oder anders formuliert: Präsident Rohner winkte zweimal Strategien durch – und blieb dabei merkwürdig blass. Das trug ihm – von Haus aus Jurist, kein Banker – den Ruf ein, die Zügel beim Bankriesen schleifen zu lassen.
Gewissen Eignern ist inzwischen nicht mehr wohl mit der Aufsicht über die Grossbank. Einzelne Investoren gingen gar soweit, nach dem Chefwechsel auch lauthals Veränderungen im CS-Verwaltungsrat zu fordern. Ein klares Misstrauensvotum an das von Rohner präsidierte Gremium also.
Vollmundiges Versprechen
Das alles müsste bedeuten, dass die Generalversammlung für Rohner alles andere als ein Spaziergang wird. Müsste – denn es bleibt beim Konjunktiv.
Beobachter gehen nämlich davon aus, dass die Aktionäre sämtliche Traktanden anstandslos durchwinken. Das scheint nur logisch: Täten sie es nicht, bliebe der Befreiungsschlag der CS saft- und kraftlos.
Indes: Es bedürfte schon eines doppelten Wunders, damit die Eigner der Grossbank die bitteren Pillen vom Donnerstag vergässen. Vielmehr werden sie mittelfristig die Versprechen der CS-Strategen haarklein einfordern – wie etwa einen verdoppelten Vorsteuergewinn bis 2018.