Übernahmegerüchte brodeln um eines der grössten unabhängigen Fondshäuser Europas. Dabei fällt auch der Name der Schweizer Grossbank Credit Suisse. Das lässt aufhorchen.
«Gerade im Mittelfeld geht es zunehmend um Leben und Tod», das sagte Martin Gilbert (Bild unten) noch im letzten Mai gegenüber finews.ch. Der CEO des zweitgrössten unabhängigen europäischen Fondshauses Aberdeen Asset Management (Aberdeen) sprach damit die Konsolidierung an, die seine Branche erfasst hat – und bei der er mit «seinem» Unternehmen kräftig mittun will.
«Wir schliessen nicht aus, dass wir auch in der Schweiz zukaufen könnten», so der gebürtige Schotte damals.
Nun ist Aberdeen, das zu den grössten ausländischen Fondshäusern in der Schweiz gehört, selber zur Zielscheibe von Übernahme-Spekulationen geworden. Laut der britischen Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) soll Gilbert verschiedene Konkurrenten angegangen haben, um eine Fusion zu sondieren.
Altbekannte Credit Suisse
Pikant: Laut dem Blatt könnte, neben anderen Marktgrössen wie die Private-Equity-Häuser Blackstone und KKR, auch die Credit Suisse (CS) an Aberdeen interessiert sein.
Das lässt aufhorchen. Denn das Fondshaus mit Wurzeln im schottischen Aberdeen und die Schweizer Grossbank haben eine gemeinsame Vergangenheit. Im Jahr 2008 hatte die CS nämlich ein Grossteil ihres Asset Management – Fondsvermögen in der Höhe von 75 Milliarden Franken – an Aberdeen verkauft. Mit dem Deal wurde die CS zeitweilig auch Grossaktionärin bei den Briten. Die beiden Häuser kennen sich demnach bestens.
Ein Job für Iqbal Khan?
Zudem: Anlässlich der von CS-Chef Tidjane Thiam vor wenigen Tagen publik gemachten Strategieanpassung bei der Grossbank fand auch das Asset Management prominente Erwähnung. Unter der Leitung des neuen Chefs der internationalen Vermögensverwaltung, Iqbal Khan, soll es von seiner bisher eher untergeordneten Position aus deutlich ausgebaut werden. Wäre eine Transaktion «unter Freunden» nicht die ideale Gelegenheit dazu?
Umso mehr, als Aberdeen derzeit ernsthafte Probleme bekundet. Der Aktienkurs des Fondriesen gab an der britischen Börse in den letzten sechs Monaten um ein Viertel nach. Gleichzeitig hatte Aberdeen im letzten Jahresviertel Vermögensabflüsse von 10 Milliarden Pfund zu beklagen. Dies nicht zuletzt, weil das Fondshaus stark in den turbulenten asiatischen Märkten engagiert ist.
Vehementes Dementi
Indes, Aberdeen-Chef Gilbert will nicht das Geringste von Fusionsgesprächen wissen. Er dementierte den «Financial Times»-Artikel wenige Stunden nach Erscheinen in vollem Furor. In seinen 32 Jahren an der Spitze von Aberdeen habe er niemals mit irgendjemanden auch nur ansatzweise den Verkauf der Firma diskutiert, zitierte Gilbert unter anderem das britische Portal «The Press and Journal».
Auch seitens der CS würde ein Deal mit Aberdeen mehr als überraschen. Gegenüber der Schweizer «Finanz und Wirtschaft» (Artikel im Print) sagt CS-Chef Thiam kürzlich, dass er «derzeit» nicht akquirieren wolle. Das Institut enthielt sich gegenüber der «Financial Times» jeglichen Kommentars.
Konsolidierung rollt
Dass ein gewöhlich gut informiertes Blatt wie die «Financial Times» einen Riesen wie Aberdeen schon in der Auslage wissen will, wirft dennoch ein Schlaglicht auf die Konsolidierungswelle im weltweiten Asset Management. Auch dort werden die Margen immer schmaler. Die Kosten durch die Regulierung steigen. Und die Anleger verlagern Milliarden von aktiven Investment-Managern hin zu günstigeren, passiven Indexprodukten.
Vor diesem Trend sind selbst Branchengrössen nicht gefeit, wie gerade am Schweizer Finanzplatz die Übernahme von Swisscanto durch die Zürcher Kantonalbank letzten Dezember zeigte.
Aus dem Umfeld von Aberdeen Schweiz ist derweil zu hören, dass das Fondshaus auch hierzulande an seinem Kurs festhält. Die Schweiz bleibe ein Schlüsselmarkt, der weiter ausgebaut werden soll.