Was hat der Präsident der Schweizerischen Nationalbank nach dem langen, historischen Tag getan? Er machte der «Pfnüselküste» seine Aufwartung und gab sich volksnah.
Der Anlass sei bereits vor mehr als einem Jahr vereinbart worden. Damals habe man aber natürlich nie gedacht, welche Brisanz er dereinst erhalten würde, sagte der Zürcher Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor Ernst Stocker an einer Veranstaltung der SVP und FDP am Donnerstagabend am linken Zürichseeufer («Pfnüselküste») in Horgen.
Als Gastredner stand Thomas Jordan (Bild), der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), auf dem Programm – und er hielt seine Zusage auch ein – was man ihm nach einem solchen Tag hoch anrechnen müsse, erklärte Stocker. Vor diesem Hintergrund erhielt Jordan denn auch zweimal kräftigen Applaus von den mehreren hundert Anwesenden.
Kein Paradies für alle Wirtschaftssektoren
Nachdem der Nationalbankpräsident nochmals die offizielle Begründung für die Absetzung der Euro-Untergrenze und die Erhöhung der Negativzinsen erläutert hatte, räumte er ein, dass die SNB mit ihrer Geldpolitik tatsächlich «kein Paradies» für alle Wirtschaftssektoren bieten könne. Sie könne nicht der ganzen Wirtschaft sämtliche Risiken abnehmen.
«Es war immer klar, dass man sich eines Tages vom Mindestkurs wieder verabschieden würde. Und nun ist der Tag gekommen», sagte der SNB-Präsident. Die Aufhebung des Mindestkurses zum aktuellen Zeitpunkt sei auch durchaus verantwortbar gewesen, so Jordan weiter, weil die Schweizer Unternehmen seit der Einführung der Euro-Untergrenze im September 2011 ausreichend Zeit gehabt hätten, sich auf die neue Währungssituation einzustellen.
Überschiessen der Märkte
Die Absetzung habe allerdings «überraschend» erfolgen müssen, damit sie die nötige Wirkung entfalte, verteidigte Jordan den brisanten Entscheid und erklärte weiter, dies sei bereits bei der Einführung klar gewesen. Die ebenfalls am Donnerstag bekanntgegebene Erhöhung der Negativzinsen werde erst mittelfristig greifen. «Negativzinsen wirken über die Zeit und sollen die Aufwertung des Franken verhindern», sagte Jordan.
Was man am Donnerstag – «an diesem ganz speziellen Tag» – an den Finanzmärkten habe beobachten können (massive Kurseinbrüche bei Schweizer Aktien), sei eindeutig ein «Überschiessen» gewesen, erklärte der oberste Währungshüter.
Kein Feintuning möglich
Die Hauptaufgaben der Nationalbank seien die Wahrung der Preisstabilität und der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen, erklärte der SNB-Präsident weiter, aber dies könne nicht per Feintuning geschehen, betonte Jordan. Die Schweizer Wirtschaft sei heute in einer viel besseren Verfassung als 2011, um allfällige Schocks einer solchen geldpolitischen Massnahme abzufedern.
«Wenn man zum Schluss kommt, die Geldpolitik anzupassen, dann muss man es tun, selbst wenn es unangenehm ist. Man darf sich der Realität nicht verschliessen», sagte Jordan und betonte, dass dieser Entscheid unabhängig vom Bundesrat und anderen Zentralbanken gefällt worden sei.
Ganz anders als in den 1970er-Jahren
Die kürzliche Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), geldpolitische Lockerungsmassnahmen (Quantitative Easing) in den nächsten Wochen einzuführen, habe keinen Einfluss auf den Entscheid der SNB gehabt, sagte Jordan. Massgebend sei die weltwirtschaftliche Entwicklung gewesen, bei der in den vergangenen Monaten eine wachsende Divergenz zwischen den USA und dem Euro-Raum entstanden sei.
Last but not least betonte Jordan, dass es zur Einführung von Negativzinsen in den 1970er-Jahren und heute einen riesigen Unterschied gebe. Damals seien die Guthaben ausländischer Bankkunden mit einem Negativzins belegt worden. Doch dies habe zu Umgehungen geführt, indem die Anleger einfach Schweizer Wertschriften gekauft hätten. So sei die Wirkung dieser Massnahme damals verpufft.
Volksnah und entspannt
Heute seien die Girokonten der Banken bei der Nationalbank mit Negativzinsen belegt, was eine Umgehung wie damals ausschliesse, betonte Jordan gegenüber finews.ch.
Trotz der enormen Arbeitsbelastung am Donnerstag gab sich Jordan nach seinem Referat in Horgen und dem «Q&A» höchst volksnah und stand dem Publikum auf informeller Basis noch lange Red und Antwort.