In den letzten zwei Jahren ist der Gegenwind für Sustainable Finance immer stärker geworden. Dank dieser Erfahrung kann die Nachhaltigkeitsbranche nun nüchtern mit dem US-Wahlergebnis umgehen und darin sogar Chancen sehen, wie an einer Veranstaltung in Zürich deutlich wurde.

Welche Auswirkungen hat die Wahl von Donald Trump vergangene Woche auf Sustainable Finance, also die Anstrengungen des Finanzsektors, bei seinen Geschäften ökologische, soziale und unternehmensspezifische Kriterien zu berücksichtigen, und damit die Transformation der Wirtschaft zu unterstützen? Und was erwartet die ESG-Branche von der Klimakonferenz COP29 in Aserbaidschan, die am Montag eröffnet wurde?

Bis vor etwa gut zwei Jahren reitete die Nachhaltigkeitsindustrie international auf einer Erfolgswelle: Dank dem hehren Anspruch, die Welt zu verbessern – oder vielleicht mit Blick auf den Klimawandel präziser: die Welt als lebenswerten Ort zu bewahren –, grossem Engagement und auch viel echtem Enthusiasmus (in der Finanzindustrie allgemein eher ein rares Gut) sowie einer wohlwollenden Begleitung der Medien und der Regulatoren schien das Wachstum (z.B. gemessen an den nach ESG-Kriterien verwalteten Vermögen) keine Grenzen zu kennen.

ESG-Industrie im Realitätscheck

Der Boom der «Gründerzeit» ist vorüber, heute hat mehr Realitätssinn Einzug gehalten. Die Gründe dafür sind vielfältig. So sind etliche Anbieter des «Greenwashing» überführt worden, haben also ihre Finanzprodukte fälschlicherweise als nachhaltig etikettiert. Einen herben Vertrauensverlust hat auch der Markt für den freiwilligen Handel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten und Kompensationsprojekten erlitten, Stichwort: South Pole.

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Freund der Ölbranche – und von Elektromobilitätspionier Elon Musk (Bild Keystone).

Zudem hat die immer feingliedrigere Regulierung – die zwar meist gut gemeint, aber nicht immer nachvollziehbar ist – dazu beigetragen, den Elan zu bremsen, Stichwort Bürokratiemonster EU-Taxonomie. Und schliesslich hat sich vor allem in den USA eine Gegenbewegung formiert, die bestreitet, dass sich ESG-Anlagen mit dem treuhänderischen Auftrag eines Vermögensverwalters überhaupt vereinbaren lassen – dieser sogenannte Anti-ESG-Trend hat sogar im jüngsten Jahresbericht des Stimmrechtsberaters Ethos Erwähnung gefunden.

Gedämpfter Optimismus

Der neue Realismus kam auch an einer sehr gut besuchten Veranstaltung zum Ausdruck, welche die auf nachhaltige Anleihen spezialisierte Finanzboutique ESG-AM am Montag in Zürich durchführte. Pünktlich zum Start der von eher tiefen Erwartungen begleiteten COP29 in Baku (etliche Länder haben auf eine Teilnahme verzichtet) wurde in Zürich die Frage «Net-Zero – eine Illusion? debattiert.

David Mazaira, Klimaexperte bei der UBS, versprühte gedämpfte Optimismus. Viele Schlüsseltechnologien in Bezug auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen (oder die Speicherung von CO2) seien nahe beim positiven «Kipppunkt», was entsprechende Anlagechancen eröffne.

Opportunitäten nutzen und Deals abschliessen

Wahrscheinlich würden sich die USA unter Trump, der als Freund der Ölindustrie gilt, wie bereits in dessen erster Amtszeit vom Pariser Klimaabkommen zurückziehen, aber der Präsident in spe sei eben auch ein Geschäftsmann, der Opportunitäten zu nutzen wisse und Deals abschliessen wolle. Ausserdem erinnerte Mazaira daran, dass mit Elon Musk ein Unternehmer Trumps Vertrauen geniesst, der selber zugleich massgeblich von der Wende hin zur Elektromobilität profitiert wie auch zu ihr beitragen hat.

Caroline de Leeuw den Bouter, ESG-AM, hielt fest, dass die Anti-ESG-Bewegung in den USA schon vor Trump Fahrt aufgenommen hat. In Europa habe im Finanzsektor die Begeisterung ebenfalls nachgelassen – was oft aber am Mangel an zuverlässigen Daten und Ratings liege. Die Zurückhaltung äussert sich beispielsweise darin, dass Finanzinstitute ESG-Aspekte für ihre Tätigkeit als weniger relevant einstufen und die Neuzuflüsse in nachhaltige Anlagen ins Stocken geraten sind.

Es ist nicht das Klima allein

De Leeuw den Bouter begründete zudem, weshalb sie in ihrem Anleihenfonds den CO2-Fussabdruck respektive das Klimaziel nicht als alleiniges Kriterium verwendet. «Wir berücksichtigen auch soziale Aspekte wie die Verteilungsfrage, weil es Wechselwirkungen zum Klimaziel gibt.» ESG-AM schliesst daher Bonds aus, deren Emittenten in entsprechende Kontroversen verwickelt sind.

Dass die «Flitterjahre» für Sustainable Finance bereits vor zwei Jahren zu Ende gegangen sind und die Branche den Realitätscheck damit hinter sich hat, erweist sich nun als ein Vorteil. Man nimmt das US-Wahlergebnis zwar freudlos, aber gefasst und ohne Zorn und Eifer zur Kenntnis – und sucht konstruktiv nach verborgenen Chancen, statt sich im Wehklagen zu ergehen.