Wie wird das Finanzjahr 2025? Wahrscheinlich gar nicht so schlecht, wenn man Robert Lind, dem Ökonomen der Capital Group, glauben will. Ein Fazit von ihm dürfte Schweizer Privatbanken besonders freuen. 

Es ist der Tag, an dem das London Eye 25 Jahre alt wird. Einst wurde das Riesenrad als Schandfleck bezeichnet. Heute ist es ein Anziehungsmagnet: Jährlich über 3 Millionen Menschen zahlen umgerechnet rund 40 Franken und kommen dafür in Genuss eines wundervollen Ausblicks.

Einen herrlichen Ausblick gibt auch ein paar Meilen entfernt vom 16. Stock des Bürogebäudes der Capital Group beim Bahnhof Paddington im Herzen der britischen Metropole. Den sollte man sich laut Hamish Forsyth, Europa- und Asien-Chef, nicht entgehen lassen, riet er den Medienschaffenden. Doch im Zentrum steht an diesem Tag etwas anderes: der Ausblick auf die aktuellen Trends am Finanzmarkt.

Nur Staatsschulden trüben den Ausblick

Im Gegensatz zum Himmel über London an diesem Morgen ist der Ausblick laut Ökonom Robert Lind gar nicht so düster. Das globale Wachstum sei gut beziehungsweise robust, sagt er. Softlanding bei der Inflationsproblematik, Rezessionsängste, die sich verflüchtigen, tiefere Energiepreise: Es sieht wieder besser aus als auch schon. Einzig die hohen Staatsschulden weltweit mögen ihm einige Sorgen bereiten. «Man hat die Fiskalpolitik aus den Augen verloren», resümiert er. In den USA sei die Verschuldung so hoch wie im Zweiten Weltkrieg.

Capital Group Robert Lind

Robert Lind (Bild: zVg)

«Deutsche Wirtschaft ist sehr resilient»

Auch mag Lind nicht in den allgemeinen Klagegesang über die wirtschaftliche Misere in Deutschland einstimmen. Deutschlands Wirtschaft sei nicht mehr wettbewerbsfähig, die Autoindustrie steht vor dem Niedergang, das höre er jeden Tag. «Deutschland ist aber mehr als nur der Automobilsektor und die Pharmaindustrie. Es gibt auch noch den Dienstleistungssektor und der schlägt sich derzeit gar nicht so schlecht», sagt er.

Zudem verweist er auf die Geschichte Deutschland. Das Land habe schon viele schwierige Zeiten durchgemacht. «Die deutsche Wirtschaft ist sehr resilient, sie vermochte auch die zuweilen hohen Energiepreise bewältigen», sagt er. Das lässt ihn zuversichtlich nach vorn blicken. Er hat Deutschland definitiv nicht abgeschrieben.

Eng verknüpft mit der Schweiz

Die Prognosen der Capital Group haben Gewicht in der Finanzbranche. Die US-amerikanische Investmentgesellschaft, die 1931 in Los Angeles gegründet wurde und die 1962 in Genf ihre erste Niederlassung in Europa eröffnete, hat sich schon früh einen Namen geschaffen: 1950 machte sich das Unternehmen dafür stark, dass Investmentfonds nur noch über Finanzberater vertrieben werden; 1965 wurden von Mitarbeitenden in Genf die ersten Indizes für Länder ausserhalb der USA entwickelt und 1986 legte Capital Group einen Emerging-Market-Wachstumsfonds auf, den ersten seiner Art; Auslöser war die Anfrage der Weltbank nach einem Anlageinstrument für Schwellenländer. 

Bargeld horten lohnt sich nicht mehr

Die Emerging Markets betrachtet Capital Group nach wie vor als Anlagechance und mit einer langfristigen Optik sind es Bonds. «Bargeld zu horten, wird schon bald teuer», sagt Ökonom Robert Lind. Sprich: Zuwarten lohnt sich nicht. Das Ende der Zinserhöhungen ist ein aussergewöhnlich guter Einstiegszeitpunkt für Anleihen. Dies dürfte insbesondere die Schweizer Banken freuen.

Capital Group hatte vergangenes Frühjahr in einer Studie auf die Problematik der zu hohen Cash-Bestände hingewiesen. Laut dem Bericht halten rund 78 Prozent der wohlhabenden Privatpersonen hohe Bargeldreserven. Dies bekamen auch die Privatbanken in der Schweiz zu spüren. Neben dem starken Franken ist es eben diese Flucht ins Bargeld, die den Instituten hierzulande die Erträge aus dem Kommissions-Geschäft zusammenbrechen liessen.