Über kaum etwas Anderes wird derzeit so viel debattiert wie über die geplanten Massnahmen zur Bankenstabilität. Was ist davon zu halten? Schiessen Bundesrat und Finanzmarktaufsicht übers Ziel hinaus? Eine Einschätzung von finews.ch-Chefredaktor Dominik Buholzer.

Selbst bei jenen, die nur am Rande betroffen sind, treiben die Massnahmen zur Bankenstabilität Schweissperlen auf die Stirn. Stefan Mäder, Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbandes, sprach am «Tag der Versicherer» Ende Juni 2024 in Bern von einem Zwischenerfolg.

Der Versicherungswirtschaft, immerhin der zweitgrösste Player auf dem Finanzplatz Schweiz, ist es gelungen, dass die Assekuranz in dem 339 Seiten starken Bericht kaum einmal genannt wird und die überwiegende Mehrheit der Massnahmen sie gar nicht betriff. «Doch wir müssen am Ball bleiben», betonte Mäder. Die Angst, doch noch in Geiselhaft genommen zu werden, ist noch immer gross.

Breitseiten von Sergio Ermotti

Der Bundesrat hat nach dem Debakel mit der Credit Suisse (CS) einen Bericht angeordnet, wie die Lücken bei der Too-Big-To-Fail-Regulierung geschlossen werden könnten. Eng miteinbezogen in die Arbeiten wurden die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank (SNB). Ende April 2024 präsentierte Finanzministerin Karin Keller-Sutter die Ergebnisse: 22 Massnahmen empfiehlt die Landesregierung zur Umsetzung, sieben weitere will sie prüfen.

Seither wird UBS-Chef Sergio Ermotti nicht müde, bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit der Pläne des Finanzdepartements von Karin Keller-Sutter eine Breitseite zu verpassen. Aus naheliegenden Gründen: Die vorgeschlagenen Massnahmen treffen die kombinierte Grossbank am stärksten.

Vom Mut zur Angst

Am Wochenende des 19. März 2023 habe die Schweiz Stärke und Mut gezeigt. Die Regierung, die Aufsichtsbehörden und die UBS hätten durch ihr entschlossenes Handeln dazu beigetragen, gravierende Folgen für die Finanzwelt und die Wirtschaft zu verhindern und den Ruf der Schweiz zu erhalten.

«Wenn ich mir allerdings die Debatten heute anschaue, sehe ich mehr Angst als Mut. Viele sehen nur noch die Gefahr einer grossen Bank in unserem Land», klagte er Mitte Juni bei einem Vortrag am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern.

Umstritten sind vor allem folgende Punkte:


1. Höhere Eigenmittelanforderungen

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Der eigentliche Stein des Anstosses: die höheren Eigenmittelanforderungen. Die Pläne der Landesregierung sehen eine deutliche Erhöhung vor. Für die UBS wird diese substanziell sein. Die Rede ist von 10 bis 15 Milliarden Dollar zusätzlichem CET1-Kapital in den kommenden Jahren; Common Equity Tier 1 Ratio ist ein Mass für die Widerstandsfähigkeit einer Bank. 

Die UBS will dies nicht hinnehmen, dies machte UBS-CEO Sergio Ermotti in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich. «Aus dem Untergang der Credit Suisse sollte man nicht ableiten, dass die einzige verbleibende Grossbank den Preis für das Versagen anderer bezahlen und für ihre globale Bedeutung bestraft werden sollte», sagte er in Luzern.

Vertrauen des Markts verloren

Völlig aus der Luft gegriffen ist dies nicht. Aufgrund der bislang vorliegenden Informationen deutet alles darauf hin, dass die CS nicht wegen mangelnder Kapitalausstattung untergegangen ist, sondern weil sie das Vertrauen des Marktes verlor. Zudem entsprechen die schweizerischen Anforderungen internationalen Standards und sind im Vergleich mit anderen Finanzplätzen bereits streng, und mit der Einführung von «Basel III Final» werden sie ab 2025 nochmals deutlich höher.  

Gegen einen Vertrauensverlust helfen selbst die strengsten Eigenmittelanforderungen nichts. Oder wie Issac Newton formulierte: «Ich kann die Bewegung der Himmelskörper berechnen, aber nicht den Wahnsinn der Menschen.»


2. Einführung Senior Managers Regime

(Bild: Shutterstock)

Bei Missmanagement sollen künftig Einzelpersonen stärker zur Verantwortung gezogen werden können. Der Bundesrat regt die Einführung eines so genannten «Senior Managers Regime» für systemrelevante Institute an und auf Gesetzesstufe als explizite Organisationsanforderung festzuhalten.

Dabei geht es unter anderem um die klare Zuweisung der Verantwortlichkeiten. Pflichtverletzungen würden entweder durch die Bank selber (beispielsweise über eine Kürzung der variablen Vergütung) oder aufsichtsrechtlich sanktioniert zum Beispiel durch ein Berufs- oder Tätigkeitsverbot oder eines Gewährsentzugs.

Zusätzliche Risikoprämie

Zusätzlich sollen die Corporate-Governance-Anforderungen im Finanzmarktrecht konkretisiert werden. Es geht dabei auch um die Verantwortlichkeit für Unternehmenskultur sowie verschiedene Vorschläge zur Sanktionierung von Fehlverhalten.

Ein «Senior Managers Regime» ist aus Kundensicht zu begrüssen, es schafft Vertrauen. Allerdings ist es fraglich, ob eine klare Zuweisung der Verantwortlichkeiten auch wirklich möglich ist, und ob die Massnahme letztlich nicht zu höheren Gehältern bei Top-Managern führt, weil die sich mit einer zusätzlichen «Risikoprämie» noch mehr absichern wollen. Fraglich ist im Weiteren, weshalb ein solches «Senior Managers Regime» nur bei systemrelevanten Instituten zur Anwendung kommen soll.

Zudem kann die Finma schon heute Berufs- und Tätigkeitsverbote oder weitere Massnahmen gegen einzelne Personen aussprechen. In der Aufsichtspraxis ist es jedoch vor allem bei grossen Instituten schwierig, Individuen eine Regelverletzung konkret nachzuweisen.


3. Bussen und Veröffentlichung von Enforcement-Verfahren

(Bild: Shutterstock)

Die Finma will künftig Bussen verteilen können mit dem Ziel, die Governance einer Bank zu stärken. «Neben den Eingriffen auf organisatorischer und operationeller Ebene fehlte der Finma bisher ein repressives Instrument, mit dem sie die CS verschuldensabhängig für die zunehmenden Verstösse sanktionieren und damit ein entsprechendes Signal an die Bankführung, aber auch an die Mitarbeitenden sowie die Aktionärinnen und Aktionäre aussenden konnte», schreibt sie in ihrem Bericht zu den Lehren zur Credit-Suisse-Krise. 

In diesem Kontext fordert die Finma zudem die Möglichkeit, Enforcement-Verfahren veröffentlichen zu können.

Wirkungslose Interventionen

Die Finma kann bereits heute Bussen aussprechen. Allerdings ist es fraglich, wie der Untergang der Credit Suisse durch das Aussprechen von Bussen hätte verhindert werden können.

Gerade der Untergang der Credit Suisse hat gezeigt, wie schwierig die Umsetzung solcher Bestimmungen zuweilen ist. Wie immer wieder aus Finanzkreisen zu vernehmen ist, wurde die Finma zwar regelmässig bei der CS vorstellig. Doch ihre Interventionen blieben wirkungslos, weil sie CS-intern nicht ernst genommen beziehungsweise ignoriert wurde und sich die beiden Parteien stattdessen ein juristisches Hin und Her lieferten.