Nationalbank-Präsident Thomas Jordan ist am Freitag zum letzten Mal an der Generalversammlung in Bern vor die Aktionärinnen und Aktionäre getreteten. Dabei hat er die geldpolitischen Massnahmen unter seiner Aufsicht Revue passieren lassen – und ein positives Fazit gezogen.
Thomas Jordan, der per Ende September als Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zurücktritt, hat in seiner Rede an der Generalversammlung ein positives Fazit gezogen: Die Strategie des Direktoriums, bei sich ändernden Bedingungen schnell zu handeln, statt Entscheidungen aufzuschieben, habe sich bewährt, so der 61-jährige Notenbanker.
Mit der vorausschauenden Zins- und Währungspolitik habe die Nationalbank ihr übergeordnetes Ziel der Preisstabilität in weiten Teilen der turbulenten Phase der vergangenen drei Jahre erreicht.
Schweiz abgeschirmt
«Insgesamt konnten wir die Schweiz mit der seit 2021 erfolgten Aufwertung des Franken zu einem wesentlichen Teil von der global rasant steigenden Inflation abschirmen», sagte Jordan laut Redetext am Freitag in Bern.
Nach der rund zehn Jahre dauernden Niedrig- und Negativ-Zinspolitik mit phasenweiser Deflation in der Schweiz habe sich die Inflation mit dem Abklingen der Corona-Pandemie plötzlich weltweit mit aller Wucht zurückgemeldet. Im Aufschwung nach dem Ende der Pandemie waren die Lieferketten gestört und es dauerte eine Weile, bis die Produktion wieder in Schwung kam. Somit traf eine starke Nachfrage auf ein reduziertes Güterangebot und führte zu einem Hochschnellen der Inflation.
«Durch die Decke gegangen»
Anfang 2022 habe dann der Krieg in der Ukraine das geldpolitische Umfeld ein weiteres Mal schlagartig verändert und die bereits erhöhten Energiepreise seien «durch die Decke gegangen».
«Die jüngste Inflationsepisode hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig Preisstabilität ist», sagte der SNB-Präsident zum Grundauftrag der Notenbank. «Inflation hemmt das Wachstum der Wirtschaft und schmälert den Wohlstand aller. Am meisten aber belastet die Teuerung die wirtschaftlich schwächsten Gruppen in unserer Gesellschaft, da sie von einem Kaufkraftverlust am stärksten betroffen sind.»
Schneller reagiert
Die vorrausschauende Geldpolitik der SNB habe sich dabei bewährt, lobte Jordan sich selber. In der Anfangsphase sei die Geldpolitik durch Herunterfahren und dann den Stopp der Devisenkäufe gestrafft worden. Dabei wurde bewusst eine Aufwertung des Franken in Kauf genommen, sagte er. Die SNB habe früher reagiert als andere Notenbanken.
Bei der ersten Leitzinserhöhung Mitte 2022 betrug die Inflation in der Schweiz 3 Prozent. «Im Ausland wurden die ersten Zinserhöhungen vielerorts erst vorgenommen, als die Inflation bereits über 8 Prozent lag», betonte Jordan weiter. Danach ging es in mehreren Schritten um insgesamt 2,5 Prozentpunkte bis Mitte 2023 auf ein Niveau von 1,75 Prozent hinauf und die SNB begann mit dem Verkauf von Devisen. «Die Zinserhöhungen haben dem Inflationsdruck über ihre Wirkung auf die Gesamtnachfrage entgegengewirkt.»
Reale Aufwertung
Gleichzeitig setzte eine Aufwertung des Franken ein. Bis zum Frühjahr 2023 entsprach diese in etwa der Inflationsdifferenz zum Ausland. Damit blieb der reale Wechselkurs trotz turbulenten Zeiten stabil. Erst danach wertete der Franken auch real auf.
Die vorausschauenden Straffung der Geldpolitik habe auch dazu beigetragen, Zweitrunden-Effekte zu begrenzen. Das hätte eine selbstverstärkende Inflationsentwicklung in Gang setzen können, deren Bekämpfung langwierig sein könne. «Oder, um es ganz plakativ zu sagen: Ohne frühzeitige geldpolitische Straffung hätte der SNB-Leitzins später viel stärker erhöht werden müssen, mit potenziell negativen Konsequenzen für die Konjunktur und den Arbeitsmarkt.»
Die vorrausschauende Geldpolitik und die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation habe die SNB in die Lage versetzt, vergangenen März die Zinsen um 25 Basispunkte auf 1,5 Prozent zu senken. Dabei habe man den deutlich reduzierten Inflationsdruck und die im letzten Jahr erfolgte reale Aufwertung des Frankens berücksichtigt. Zugleich begünstigt die Zinssenkung die wirtschaftliche Entwicklung.
Erhöhte Unsicherheit
«Die Inflation liegt nun seit etlichen Monaten wieder unter 2 Prozent und dürfte gemäss unserer jüngsten Prognose auch über die nächsten Jahre im Bereich der Preisstabilität bleiben», ist Jordan optimistisch. Dafür gebe es aber keine Garantie. Im gegenwärtigen Umfeld bleibe die Unsicherheit erhöht. Daher werde die SNB die weitere Inflationsentwicklung genau beobachten und, wenn nötig, die Geldpolitik erneut anpassen.
Als wichtige Faktoren der SNB-Geldpolitik sieht Jordan den Risikomanagement-Ansatz. Es sei besser, Entscheidungen zu treffen, die für ein breites Band an Szenarien befriedigende Ergebnisse liefern. «Unser geldpolitisches Konzept hat es uns erlaubt, flexibel auf die verschiedenen Konstellationen in den vergangenen Jahren zu reagieren.» Die Definition der Preisstabilität als eine Spanne von 0 bis 2 Prozent Inflation und die mittelfristige Orientierung habe es ermöglicht, die Geldpolitik «mit ruhiger Hand» zu führen, und nicht auf jede Abweichung der Inflation von einem Zielwert reagieren zu müssen, so Jordan.
Andererseits erlaube der Ansatz ein frühes und rasches Handeln, wenn ein Risiko erkannt werde.
Gut gerüstet
Und doch bleibe es wichtig, die eigenen Einschätzungen stets kritisch zu hinterfragen, veränderte Rahmenbedingungen möglichst früh zu erkennen und deren Auswirkungen zu analysieren.
Für die Zukunft sieht Jordan die SNB gut gerüstet: «Die Nationalbank wird sich weiterhin im Gesamtinteresse des Landes voll und ganz dafür einsetzen, die Preisstabilität in der Schweiz zu sichern.»