Die Finanzministerin schuf durch den Credit-Suisse-Deal eine neue globale Mega-Bank. Ist sie erschrocken vor dem eigenen Mut und will die UBS mit wenig durchdachter Regulierung abstrafen?, fragt finews.ch.
Noch vor kurzem sah es so aus, als sei die UBS der unangefochtene Sieger rund um das Credit-Suisse-Debakel.
Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher konnte sich zu Recht als genialer Stratege feiern lassen. Es war ihm gelungen, der Schweizer Politik, und zuvorderst Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP), davon zu überzeugen, dass die UBS die CS eigentlich gar nicht übernehmen wolle.
Patriotischer Akt
Und wenn, dann nur in einer Art patriotischem Akt und zu dem, was die Angelsachsen als «firesale price» bezeichnen: Zum Preis, den man bereit ist zu zahlen, wenn ein Objekt in Flammen steht.
Keller-Sutter und der Bundesrat schlugen ein.
Für den Staat war die Notübernahme durch die UBS der Weg des geringsten Widerstandes. Man konnte die Lösung sogar als halbwegs marktwirtschaftlich verkaufen. Oder, in den Worten von Karin Keller-Sutter: «This is not a bailout, this is a commercial solution.»
Weg des geringsten Widerstands
Mit der CS, ihrer Führung und ihrer Bilanz musste sich die Politik nicht weiter beschäftigen. Im scharfen Kontrast zu einer Verstaatlichung und allenfalls Abwicklung unter der Ägide von Finanzmarktaufsicht und Nationalbank. Das hätte weh getan und die Bürokratie auf Jahre hinaus beschäftigt.
Man kann das Arrangement als einen Pakt zwischen der UBS und den Spitzenpolitikern ansehen: Die UBS reicht dem Bundesrat die Hand, um das Problem Credit Suisse schnell und geräuschlos zu beseitigen.
Vorteilhafte Konditionen
Im Gegenzug für ihren patriotischen Dienst erhielt die UBS die CS zu vorteilhaften Konditionen. Sie musste nur drei Milliarden Franken auf den Tisch legen für eine Bank, die gemäss damaliger Börsenbewertung immerhin noch etwa acht Milliarden Franken wert war.
Der wahre Unternehmenswert lag allerdings bedeutend höher, wie der von der UBS im Folgequartal verbuchte Buchgewinn von 29 Milliarden Franken zeigte, über den auch finews.ch berichtete.
Seit diesem Pakt mit dem Bundesrat ging es mit der UBS bergauf. Sie konsolidierte ihre hervorragende Position im Banking mit den Reichen der Welt. Sie fasste neuen Appetit auf die USA, inklusive Investment Banking. Der Börsenkurs ging steil nach oben.
Ein Big Player ist besser als keiner
Vor einer Woche hätte man als Zwischenfazit sagen müssen: «Not bad. Not bad at all.» Man hätte auch der Finanzministerin ein Kränzlein winden können dafür, dass sie dem Schweizer Finanzplatz einen Gefallen tat: Ein Big Player ist zwar schlechter als zwei Big Players, aber immer noch besser als gar kein Big Player.
Doch dann präsentierte die gleiche Finanzministerin, die vor einem Jahr dankbar die Hilfe der UBS annahm für ein Bailout der Politik durch die Grossbank, ihre Ideen für die künftige Regulierung der Grossbanken.
Fesseln, Fesseln, Fesseln
Das Potpourri an 22 Vorschlägen ist bislang nur vage. Die umschriebenen Vorschläge lassen sich aber auf den Nenner bringen: Fesseln für die UBS, Fesseln und nochmals Fesseln, wie finews.ch analysierte.
Besonders ins Gewicht fällt die «signifkante» Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen an systemrelevante Banken (lies: UBS). Je nach Ausgestaltung würde dies bedeuten, dass die UBS in diversen Geschäftsfeldern international nicht mehr wettbewerbsfähig wäre.
Auch die Ausstattung der Schweizer Wirtschaft mit Firmenkrediten dürfte unter dieser Massnahme noch stärker leiden, als dies ohnehin durch den Wegfall der CS der Fall ist.
Unerwartete Wendung
Die Regierung hat also vor einem Jahr willentlich eine Schweizer Super-Bank geschaffen, der sie jetzt nicht mehr über den Weg traut.
Über die Ursachen dieser unerwarteten Wendung kann man nur spekulieren: Beschlich die Bundesrätin und den Bundesrat das Gefühl, von UBS und Kelleher über den Tisch gezogen worden zu sein? Will man der UBS jetzt zeigen, wo der Bartli den Most holt? Ärgerten sie sich über ihre eigene Freigiebigkeit vor einem Jahr?
Stapel von AT1-Klagen
Ist das bundesrätliche Ideenpapier das Ergebnis eines Wunschkonzerts unter Finanzbeamten, in dem jeder sein Steckenpferd einbringen konnte?
Wurde der Regierung mulmig zumute infolge der sich stapelnden AT1-Klagen, die den Schweizer Staat womöglich teuer zu stehen kommen werden (finews.ch berichtete)? Will sie zur Beruhigung der Volksseele einfach in das Empörungs-Konzert um Sergio Ermottis Lohn einstimmen?
Der Schweiz über den Kopf gewachsen?
Oder ist der Bundesrat der Getriebene der Idee, dass die UBS der Schweiz über den Kopf wächst? Wenn ja: Warum hat er dann vor einem Jahr nicht eine andere Lösung ins Auge gefasst?
Diese Fragen können wir mangels Einsicht in das Denken der Bundesräte leider nicht beantworten.
Internationale Schwächung der UBS
Feststellen können wir lediglich, dass der Bundesrat durch seine vorgeschlagenen Massnahmen eine weitreichende Schwächung der UBS im internationalen Konkurrenzkampf in Kauf nimmt. Und dass im Krisenfall eines Bank Runs ein paar Prozente mehr oder weniger Eigenkapital auch nur ein paar zusätzliche Tage kaufen. Die Credit Suisse ist nicht am fehlenden Eigenkapital zerbrochen, sondern an der Liquidität.
Wären diese regulatorischen Ideen vor einem Jahr im Kleingedruckten der Verträge um die CS-Übernahme gestanden – wer weiss, ob die UBS sich trotzdem darauf eingelassen hätte?
Deal aus Bequemlichkeit
Ein einmaliger Sondergewinn von 25 Milliarden plus ist ja eine nette Sache. Aber um den Preis einer zukünftigen Regulierung, die die Bank in manchen Geschäftsbereichen ins weltweite Mittelmass zwingt? Interessanterweise entsprechen die kolportierten Zahlen der drohenden zusätzlichen Eigenkapital-Anforderungen in der Grössenordnung von rund 20 Milliarden Franken ziemlich genau dem, was die UBS aus der CS-Transaktion einmalig gewonnen hat.
Es sieht also so aus, als wolle sich der Bundesrat kraft seiner obrigkeitlichen Befugnisse nach gelesener Messe im Nachhinein schadlos halten an dem für die UBS vorteilhaften Deal, den er selber seinerzeit aus eigener Bequemlichkeit eingegangen ist.
«Wissen, Mut, Entschlossenheit»
Kürzlich wurde Keller-Sutter von der «Financial Times» zu einer der weltweit einflussreichsten Finanz-Persönlichkeiten erklärt. In ihrer Laudatio schrieb die schwedische Finanzministerin Elisabeth Svantesson: «Wissen, Mut und Entschlossenheit sind vielleicht die wichtigsten Eigenschaften eines Politikers – und für mich verkörpert Karin all diese Eigenschaften.»
Ungefähr gleichzeitig vertraute die Schweizer Finanzministerin der «NZZ am Sonntag» an, dass ihr privates Vermögen auf einem Sparbuch liege: «Wenn man Anlagen tätigen will, muss man Zeit haben. Und diese habe ich nicht.»
Volkstümliche Nonchalance
Man kann das in seiner volkstümlichen Nonchalance für sympathisch halten. Oder man kann sich die Frage stellen, ob eine Finanzministerin, die derart weit von den Realitäten des internationalen Bankgeschäfts entfernt ist, den Schweizer Finanzplatz steuern sollte.
UBS-Präsident Kelleher hat bei seinem Big-Chips-Deal mit der Schweizer Politik scheinbar zu wenig beachtet, dass die schweizerische Politik ihren eigenen Gesetzmässigkeiten folgt.