Nachdem sie beim letzten Direktorenwechsel übergangen wurde, steht Birgit Rutishauser nun an der Spitze der Finanzaufsicht. Der Druck auf das Amt ist dabei so hoch wie noch nie in der Geschichte der Behörde.
Urban Angehrn ist es zuviel geworden: Die hohe und dauerhafte Belastung habe gesundheitliche Folgen, begründete er am Mittwoch seinen überraschenden Entscheid, noch diesen September als Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zurückzutreten. Es falle ihm sehr schwer, diese Aufgabe abzugeben, so Angehrn weiter. Dies aber zu tun, sei ein Schritt der Vernunft.
Angehrn geht – aber das, was die Behörde in der Mitteilung zum Rücktritt als «die grösste Verantwortung in der Geschichte der Finma» bezeichnet, bleibt: Der Zwangsverkauf der Credit Suisse (CS) an die UBS, den die Aufsicht seit vergangenen Herbst intensiv mit vorbereitet hat, und der wohl noch unberechenbare Folgen nach sich zieht.
Expertin für Versicherungen
Zumal für die Finma selber: Die Aufsicht muss sich vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen eine Beschwerde von Investoren wehren, welche mit dem von der Finma veranlassten Abschreiber auf Pflichtwandelanleihen der CS Milliarden verloren haben.
Dieses Erbe tritt nun Birgit Rutishauser als Interim-Direktorin an. Wie schon zuvor der scheidende Angehrn ist sie eine Expertin nicht etwa für Grossbanken, sondern für Versicherungen. Bereits im Jahr 2018 war die an der ETH Zürich ausgebildete Mathematikerin zur Leiterin des Geschäftsbereichs Versicherungen und Mitglied der Geschäftsleitung ernannt worden – 2019 avancierte sie zur Stellvertreterin des damaligen Direktors Mark Branson.
Vergeblich in der Pole-Position
Doch als Branson zwei Jahre später zur deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) wechselte, vermochte Rutishauser nicht von ihrer Pole-Position zu profitieren. Interim-Direktor wurde damals der Bankenspezialist Jan Blöchliger. Zum definitiven Handkuss kam dann mit Angehrn, dem vormaligen Investmentchef des Versicherers Zurich, ein Externer.
Nun erhält Rutishauser ihre Chance sozusagen in der zweiten Runde, und bildet damit eine weibliche Doppelspitze mit Marlene Amstad, Präsidentin des Verwaltungsrats der Finma. Wie Rutishauser und Amstad dem Testosteron-geladenen Führungsduo bei der UBS, Bankpräsident Colm Kelleher und CEO Sergio Ermotti, begegnen, wird spannend zu beobachten sein.
Urteil über Wettbewerb
Klar ist, dass es allein schon bezüglich des Grossbanken-Zusammenschlusses keine Schonfrist für die Interim-Direktorin givt. Medienberichten zufolge wird die Wettbewerbskommission Weko bereits Ende Monat ihren Bericht zu den Auswirkungen der Fusion auf den Bankenmarkt überstellen; es obliegt dann der Finma zu urteilen, ob wegen der neuen Grösse der UBS eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt, die letztlich zulasten der Schweizer Bürgerinnen und Bürger ginge.
Dieses Urteil wird auch den Ton vorgeben, wie die Finma künftig mit dem neuen Bankenriesen umgehen wird, dessen Bilanzlänge das Schweizer BIP weit Weitem übertrifft. Ein vom Bundesrat in Auftrag gegebener Expertenbericht zur Bankenstabilität hat sich jüngst als relativ zahm erwiesen; harte Forderungen nach mehr Eigenkapital für die Grossbanken suchte man unter den Empfehlungen vergeblich.
Steilvorlage für mehr Macht
Immerhin forderten die Experten mehr Macht für die Finma – eine Steilvorlage, die es aus Sicht der Behörde nun zu nutzen gilt.
So ruft die Präsidentin Amstad seit dem CS-Debakel laut nach der Erlaubnis, Bussen zu verhängen und fehlbare Institute und Banker klar benennen zu können. Diese Instrumente sind der Finma weiterhin nicht gegeben, womit diese hinter hinter den Möglichkeiten ausländischer Aufsichtsstellen zurückbleibt.
Kann Rutishauser die nötige Vorarbeit leisten, damit die Finma vom Gesetzgeber dieses Zugeständnis erhält, würde sie wohl allein deswegen in die Annalen der Behörde eingehen.