Aktivistische Investoren sind europaweit auf dem Vormarsch. Auch Schweizer Gesellschaften geraten ins Visier der Wächter einer untadeligen Governance.
Die Investorengruppe um Newgame und Bruellan sorgt seit Wochen für Schlagzeilen. Im Bieterkampf um die Schweizer Investmentgesellschaft GAM hält sie den Druck auf den britischen Vermögensverwalter Liontrust und den GAM-Verwaltungsrat hoch. Doch die GAM-Rebellen stehen nur stellvertretend für einen Trend, der sich in Europa auszubreiten beginnt.
Aktivistische Investoren sind europaweit auf dem Vormarsch. Seit Jahresbeginn hat die Zahl der aktivistischen Kampagnen von Monat zu Monat zugenommen, wie die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Alvarez & Marsal (A&M) feststellt. Besonders im Visier der Aktivisten sind auch Unternehmen aus der Schweiz.
Steigende Kapitalkosten als Treiber
Die Spezialisten von A&M beobachten derzeit 102 Fonds, die in Europa aktivistische Taktiken anwenden. Zudem haben sie 143 Unternehmen identifiziert, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass sie Opfer von Aktionärsaktivismus werden, wenn keine Gegenmassnahmen ergriffen werden und keine besseren Ergebnisse erzielt werden.
Aktivistische Aktionäre versuchen, durch Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen aktiv Einfluss auf das Management und die Firmenstrategie zu nehmen. Häufig handelt es sich dabei um Hedgefonds oder vermögende Privatpersonen, deren Ziel es ist, die Unternemensführung zu verbessern und dadurch den Aktienkurs in die Höhe zu treiben.
Steigende Kapitalkosten werden für den Rest des Jahres und bis 2024 ein Hauptfaktor für Aktionärsaktivismus in Europa sein, heisst es im Bericht. Um zu verhindern, dass Unternehmen zur nächsten Zielscheibe von Aktivisten werden, müssen sie nach Ansicht der Experten ihre Kapital-, Struktur- und operative Effizienz steigern und entsprechende Anreizstrukturen schaffen.
Zahlreiche Angriffsmöglichkeiten
Da der Aktivismus in den USA im Jahr 2023 ein Rekordniveau erreichen wird, «sollten sich Verwaltungsräte in Europa auf eine Aktivismuswelle in den nächsten zwölf Monaten einstellen», warnen die Studienautoren. Die schwache operative und finanzielle Performance vieler westeuropäischer Unternehmen biete zahlreiche Möglichkeiten für aktivistische Interventionen, so die Experten.
Vor allem die «Big 5»-Märkte Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Schweiz und Skandinavien stehen im Fokus der Aktivisten. In einer Branchenbetrachtung erhalten Konsumgüter, Industrie und Technologie die grösste Aufmerksamkeit. Mehr denn je sind aktivistische Kampagnen auch ökologisch motiviert.
Reform leistet Vorschub
Britische und deutsche Unternehmen stehen am stärksten im Visier der Aktivisten, zumal sie bei der Steigerung der Bruttomarge, der Kapitalrendite und des Umsatzes pro Mitarbeiter im Durchschnitt schlechter abschneiden als ihre globalen Konkurrenten.
Auch französische und schweizerische Unternehmen bieten Aktivisten weiterhin Zielscheiben, wobei die relative Unterperformance gegenüber der globalen Konkurrenz bei EBIT, Cash-Margen und Eigenkapitalrenditen zum Tragen kommt.
In der Schweiz könnte zudem die Aktienrechtsreform, die im Januar 2023 in Kraft getreten ist und flexiblere Gründungs- und Kapitalvorschriften für Aktiengesellschaften mit sich bringt, den Aktivismus weiter fördern.
Schwer zu beurteilen
Die Investitionsrenditen von Aktivisten selbst sind nicht leicht zu beurteilen. Skeptiker weisen immer wieder darauf hin, dass aktivistische Investitionen den Markt nicht schlagen können, sondern dass sich die Aktienkurse der Zielunternehmen schlechter entwickeln als die breiten Aktienindizes.
Besonders schwierig sind erzwungene Veränderungen in der Unternehmensführung, wogegen die Transformation von Unternehmen den Aktionären der Zielunternehmen die besten Renditen bringt.