Der Vergleich von Unternehmen auf der Grundlage ihrer ESG-Praktiken werde in Zukunft einfacher werden, erklärt Sabine Döbeli von Swiss Sustainable Finance gegenüber finews.ch. Das fördert einen anderen Trend in der nachhaltigen Finanzwirtschaft. 

Zwei Massnahmen zur Klimaberichterstattung werden dieses Jahr im Fokus der nachhaltigen Finanzwirtschaft stehen.

Zum einen haben grosse Schweizer Unternehmen bis 2024 Zeit, einen Bericht zu erstellen, der auf den Empfehlungen der Taskforce über klimabezogene Finanzberichterstattung, einer globalen Initiative, basiert und Finanzinstituten sowie Unternehmen ein vollständiges Bild ihrer Umweltrisiken vermitteln soll.

Unabhängig davon empfiehlt zum andern die Schweizer Regierung den Finanzinstituten, eine Reihe von Indikatoren zur Klimaausrichtung ihrer Portfolios anzuwenden, die so genannten «Swiss Climate Scores».

Wachsende Kontroversen

«Ich freue mich auf eine Situation, in der wir mehr Vergleichbarkeit auf der Grundlage klarer Indikatoren sehen werden», sagt Sabine Döbeli, CEO von Swiss Sustainable Finance (SSF). Die Organisation bietet sowohl Forschung als auch praktische Instrumente für Unternehmen an, um Nachhaltigkeitsfaktoren in ihr Geschäft zu integrieren.

Im vergangenen Jahr spitzten sich die Kontroversen rund um das Thema nachhaltige Finanzen zu. Sie drehten sich um Energiesicherheit, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurden, aber auch um Finanzinstitute, die aus Angst vor einem Boykott in bestimmten ölreichen US-Bundesstaaten von ihren Netto-Null-Verpflichtungen abrückten. Doch für Döbeli gab es in der Schweiz keine Gegenreaktion auf ESG-Investitionen.

Ganz im Gegenteil: Obwohl die Investitionen in ESG-Produkte von der insgesamt negativen Entwicklung in allen Märkten betroffen waren, wuchs das Volumen der nachhaltigen Fonds weiter, betonte sie.

ESG wird massentauglich

Während der Fondsmarkt bis Ende Oktober Abflüsse in Höhe von 9,5 Milliarden Franken hinnehmen musste, verzeichneten nachhaltige Fonds gemäss Berechnungen von Morningstar 13,9 Milliarden Franken an Zuflüssen. «Ich glaube nicht, dass man dies als Gegenreaktion bezeichnen kann», stellte sie fest.

Döbeli räumte jedoch ein, dass die Kritik an ESG-Investitionen zugenommen hat und dass das regulatorische Umfeld für Banken und Vermögensverwalter, die nachhaltige Anlagen anbieten, komplizierter geworden ist. Sie sieht dies jedoch als einen natürlichen und wichtigen Teil des Prozesses, wenn ein Nischenmarkt zum Mainstream wird.

Ethisch Denkende

Döbeli ist seit 25 Jahren im Bereich der nachhaltigen Finanzen tätig und seit 2014 als CEO in Diensten von SSF. Mit Blick auf diese Zeit findet sie es bemerkenswert, dass sich der Kreis der Kritik an nachhaltigen Finanzen geschlossen hat.

Als die nachhaltige Finanzwirtschaft vor rund 30 Jahren aufkam, galt sie als etwas für die «ethisch Denkenden». Diese Investoren waren mehr daran interessiert, Gutes zu tun als ihre Rendite zu maximieren.

Jetzt, da ESG-Faktoren in die Aktienauswahl integriert werden, um das Risiko-Ertrags-Profil zu verbessern, werden solche Investitionen dafür kritisiert, dass sie nicht genug Auswirkungen auf die reale Welt haben. Dies verdeutlicht für Döbeli die Verwirrung über die unterschiedlichen Ziele der verschiedenen Nachhaltigkeitsansätze und fordert mehr Klarheit für die Anleger.

Verlagerung auf Impact Investments

Darüber hinaus begrüsst SSF die Bemühungen der Schweizer Regierung, Greenwashing zu bekämpfen. Die Organisation wird sich an der Arbeitsgruppe beteiligen, die konkrete Vorschläge dazu ausarbeitet.

Die Angst, in die Greenwashing-Falle zu tappen, treibt auch die Verlagerung von der ESG-Aktienauswahl hin zu Investitionen, die ihre positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Planeten nachweisen können, so genannte Impact Investments, ist Döbeli überzeugt.

«Um dieses zunehmende Engagement der Anleger zu unterstützen, werden die Finanzdienstleister in diesem Jahr ihre Kapazitäten im Bereich der nachhaltigen Finanzen weiter ausbauen», so Döbeli.