Nach Berechnungen von UBS-Ökonomen dürfte die Schweizerische Nationalbank dieses Jahr weitere Verluste schreiben. Dann sind die Zeiten vorbei, als über Bund und Kantone regelmässig das Füllhorn ausgeschüttet wurde.
Was sich vor einigen Wochen bereits angedeutet hat, wird nun immer mehr zur düsteren Gewissheit: Die Ausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an Bund und Kantone sind in der Schwebe. Nach einem Rekordverlust für das erste Halbjahr 2022 von rund 95 Milliarden Franken dürften auch die zweite Jahreshälfte wegen des Zinsanstiegs und der Aufwertung des Frankens tiefe Spuren im Portfolio der SNB hinterlassen.
Deshalb kalkulieren UBS-Ökonomen bereits mit einem Totalausfall der Ausschüttungen. Wie das UBS Chief Investment Office Global Wealth Management in einer Analyse vorrechnet, wäre lediglich in einem positiven, aber unwahrscheinlichen Szenario mit einer deutlichen Erholung der Aktienmärkte und einer Abwertung des Frankens eine Ausschüttung möglich, allerdings nicht in der maximalen Höhe.
Drohendes Loch im Budget
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) war in den vergangenen Jahren ein Garant für ein hochwillkommenes Zusatzeinkommen bei Bund und Kantonen. Aufgrund ihrer Geldpolitik weitete sich die SNB-Bilanz massiv aus, und die Erträge aus den reinvestierten Mitteln sprossen reichlich. Ein Teil davon wurde jeweils an die öffentliche Hand ausgeschüttet.
Zwei Drittel der SNB-Ausschüttungen werden nach einem Bevölkerungsschlüssel an die Kantone verteilt. Als die SNB in den vergangenen zwei Jahren jeweils die maximale Summe von 6 Milliarden Franken verteilte, machte dies je nach Kanton zwischen 2 und 6 Prozent des Gesamtertrags aus.
Ein Wegfall der SNB-Gelder würde die Kantone nach Ansicht der UBS kurzfristig allerdings nicht schwerwiegend treffen, weil abgesehen von fünf Ausnahmen alle Kantone im Durchschnitt der letzten zwei Jahre teils einen deutlichen Finanzüberschuss verbuchten.
Eine angenehme Gewohnheit
Seit 1991 werden regelmässig Ausschüttungen getätigt. Die Gesamtsumme ist mit der Zeit gestiegen, und in den letzten 30 Jahren gab es nur 1995 und 2013 eine Nullrunde. Deshalb wurden die Ausschüttungen zu einer Gewohnheit.
Gemäss den UBS-Prognosen liegt das langfristiges Potenzial für SNB-Jahresgewinne unter Berücksichtigung der einzelnen Anlageklassen bei 7 bis 10 Milliarden Franken jährlich.
Lateinische Schweiz braucht den Zustupf eher
Welche Summe davon ausgeschüttet wird, hänge wesentlich von der Rückstellungspolitik der SNB ab. Würde die SNB zudem ihre Devisenreserven künftig stark reduzieren, dürften die Bilanzgewinne abnehmen.
Rückschläge bei den Ausschüttungen könnten Kanton mit gesunden Staatsfinanzen wie die beiden Appenzell, viele Zentralschweizer Kantone oder Thurgau und Glarus besser verkraften als einige Westschweizer Kantone oder das Tessin.