Die Schweizerische Nationalbank muss einen neuen Vizepräsidenten suchen. Dies ist auch mit Blick aufs Präsidium und politischen Begehrlichkeiten ein brisantes Unterfangen, wie finews.ch aufzeigt.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist dem Vernehmen nach von Fritz Zurbrügg (Bild unten) ebenfalls überrascht worden: Wie auch finews.ch am (gestrigen) Montag berichtete, hat der amtierende Vizepräsident entschieden, kommenden Juli in den Ruhestand zu treten.
Sein Stellvertreter Dewet Moser ist ein Jahr älter als der 61-jährige Zurbrügg und dürfte für eine längerfristige Nachfolge eher nicht infrage kommen; so oder so muss sich die SNB nun auf die Suche machen – und dies in einer Zeit, wo die Politik mehr und mehr Einfluss auf die Währungshüterin nehmen möchte.
Gute Chancen für den nächsten Sprung
Das verleiht der Zurbrügg-Nachfolge eine höhere Bedeutung, wie Beobachter betonen: Mit der Nachfolge im Vizepräsidium werden auch die Weichen für den nächsten SNB-Präsidenten sowie für die Strategie der Nationalbank gestellt, sagt Geldpolitik-Experte Fabio Canetg zu finews.ch. «Diese Person hat sehr gute Chancen, Thomas Jordan (Bild unten) abzulösen, der bald der Präsident mit der zweitlängsten Amtszeit in der Geschichte der SNB sein wird», sagte er. Canetg, der in Währungs-Ökonomie promoviert hat, ist Dozent und betreibt den Podcast «Geldcast».
Die Nationalbank machte am Montag keine näheren Angaben zum Suchprozess. Dieser ist jedoch in ihren Statuten geregelt. So sucht der SNB-Bankrat, dem auch Julius-Bär-Präsident Romeo Lacher angehört, nach Kandidaten. Diese werden dann dem Bundesrat präsentiert, der sich dann für einen Bewerber entscheidet. Es wird erwartet, dass der Rat im Frühjahr einen Nachfolger vorschlagen wird.
(Bild: Keystone)
Extreme Expansion
Die «natürliche Ordnung» der SNB sieht vor, dass die bestehenden Departements-Chefs befördert werden – was bedeuten würde, dass Direktorin Andréa Maechler (Departement III) auf Zurbrüggs Platz als Stellvertreterin des 58-jährigen Präsidenten Jordan rutscht.
Jordans Amtszeit ist geprägt von einer extrem expansiven Geldpolitik, die unter anderem Negativzinsen zur Abschreckung ausländischer Investitionen in den Franken und Interventionen an den Devisenmärkten zu ihren Werkzeugen zählt. Letzteres hat in den vergangenen Jahren die Bilanz der SNB stark aufgebläht. Neben der Kritik auf dem Finanz-Lager an diesem Vorgehen gerät die SNB nun wiederum ins Zentrum politischer Begehrlichkeiten.
Strafzinsen für die AHV
So debattiert das Parlament etwa über einen Vorschlag, der die Verteilung der Einkünfte aus den Strafzinsen der Banken vorsieht; die SNB hat allein in den ersten drei Quartalen dieses Jahres gegen 800 Millionen Franken aus dieser Quelle eingenommen. Das Negativzins-Regime ist seit Ende 2014 inkraft.
Linke und rechte Parlamentarier sind sich nun einig, dass die Erlöse aus den Negativzinsen in die Finanzierung der Sozialversicherungen fliessen sollen. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber die Befürworter der Vorlage schätzen, dass seit Beginn der Politik im Jahr 2015 rund 10 Milliarden Franken geflossen sind. Nach der Gold-Initiative zu den SNB-Goldreserven im Jahr 2014 und der Vollgeld-Vorlage von 2018 bahnt sich das nächste Volksbegehren an. Einmal mehr wäre die Unabhängigkeit der Währungshüterin bedroht.
(Zu) komplexe Welt
Auch aus den «eigenen Reihen» wird die SNB kritisiert. Der Finanzwissenschaftler Dirk Niepelt forderte die Notenbank auf, ihre Strategie angesichts der immer komplexeren Welt zu überdenken. Letzte Woche rügte Geldpolitik-Doyen Ernst Baltensperger, dass die Zentralbanken die sich ausbreitende Inflation herunterspielen würden.
Zurbrüggs Abgang ist auch eine schlechte Nachricht für Klimaaktivisten. Die Nationalbank ist für ihr Aktienportfolio kritisiert worden, das auch Investments in fossile Brennstoffe enthält. Von den drei derzeitigen Gouverneuren war Zurbrügg politisch am engsten mit den Umweltschützern verbunden, obwohl er keiner politischen Partei angehört. Die SNB hat sich gegenüber der Kritik an ihrer Rolle im Klimawandel in der Vergangenheit nicht sehr aufgeschlossen gezeigt, sich aber etwa Ende letzten Jahres von Anlagen in Kohle verabschiedet.
Nächste Generation rückt heran
Die Fülle an brisanten Themen, die bei der SNB aktuell aufeinandertreffen, bedeutet eine Steilvorlage für die politischen Parteien: Sie werden sich in die Zurbrügg-Nachfolge einklinken wollen. Auch mögliche Kandidaten beginnen sich abzuzeichnen. Canetg hat mehrere potenzielle Nachfolger für Zurbrügg (und damit auch für Jordan) benannt, darunter Martin Schlegel.
Der 45-jährige Schweizer Ökonom ist ein Nationalbanker der nächsten Generation, dessen Karriere nach weniger als zwei Jahren als Leiter des asiatischen Handelsbereichs Fahrt aufgenommen hat: Vor drei Jahren wurde er zum Stellvertreter Jordans befördert.