Überfüllte Städte und eine tief verwurzelte Kultur der Bürokratie und Einmischung könnten die wirtschaftliche Zukunft Asiens dauerhaft behindern, schreibt Andrew Isbester, Editor-at-large von finews.asia.
Der jüngste Reichen-Report der Beratungsfirma Capgemini enthielt einige Überraschungen. Aus der Sicht des Banking in Asien war dies vor allem die Erkenntnis, dass die Zahl der reichen Privatkunden (HNWI) in Nordamerika im vergangenen Jahr schneller wuchs als in Asien.
Was noch überraschender ist: Es war nicht das erste Mal, sondern das zweite Jahr in Folge. Tatsächlich ist die Population der HNWI in Nordamerika seit 2013 stärker gewachsen als in Asien.
Ein Gefühl der Ungereimtheit
Das ist auch insofern erstaunlich, als hier von riesigen und aufstrebenden Volkswirtschaften die Rede ist. Die Definition der Capgemini-Berater der Region Asien-Pazifik schliesst sowohl China als auch Indien ein, die beide eine Gesamtbevölkerung haben, die fast viermal so gross ist wie die der Vereinigten Staaten und von Kanada zusammen.
Wird zudem bedacht, dass das BIP-Wachstum in China seit der Jahrtausendwende jenes der USA übertrifft, dann vertieft sich das Gefühl einer Ungereimtheit.
Vielleicht ist es eher so: Die aktuelle Generation der asiatischen Superreichen, um welche das Finanzwesen so viel Aufhebens macht, ist nur eine Anekdote, welche nicht die ganze Geschichte erzählt. Stattdessen sollten wir uns fragen, warum die Region bis dahin gar nicht so gut darin ist, Millionäre und Milliardäre hervorzubringen.
Der Tech-Boom in den USA
Der Capgemini-Bericht ist hier zuversichtlich. Der Report schreibt den grössten Teil der Vermögensgewinne in Nordamerika den Renditen von Tech-Aktien zu; die Titel Apple, Amazon und Microsoft machten im vergangenen Jahr 53 Prozent der Gesamtrenditen des US-Leitindex’ S&P 500 aus.
Künftig erwarten die Berater nun, dass die strukturellen Vorteile des asiatisch-pazifischen Raums – eine jüngere Demografie und eine robuste Wirtschaftsdynamik – der Region helfen werden, Nordamerika wieder zu übertreffen.
Aber dazu darf man anderer Ansicht sein. Was das BIP betrifft, so scheint die Pandemie einen harten Reset ausgelöst zu haben, wobei Nordamerika und Europa ein ähnliches BIP-Wachstum wie viele Länder in Asien erwarten. Vorübergehend, zumindest.
Wo sind die strukturellen Vorteile?
Die demografische Entwicklung nimmt sich ebenfalls sehr gemischt aus. Indien ist immer noch auf dem Weg, bis 2027 die bevölkerungsreichste Nation der Welt zu werden, auch wenn sich das Bevölkerungswachstum verlangsamt. Dies, während China am Rande einer Krise zu stehen scheint. Chinas Bevölkerung wächst so langsam wie seit den 1950er-Jahren nicht mehr, und ergraut in gleichem Masse wie die Bevölkerung vieler westlicher Industrieländer.
Entsprechend könnten die strukturellen Vorteile in Zukunft an Bedeutung verlieren. Chinas Verlängerung der Pandemie-Grenzbeschränkungen um ein weiteres Jahr und Japans Händeringen mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele deuten daraufhin, dass die Region bis auf Weiteres im Corona-Limbo verbleibt: Niedrige Impfraten, strenge Quarantänen, kein Tourismus und nur sehr begrenzte Geschäftsreisen.
Und wenn permanente Fernarbeit in unserer Post-Pandemie-Zukunft liegt, dann könnten die dicht bebauten asiatischen Städte voller teurer Wolkenkratzer und mit wenig Platz für Vorstädte die Region völlig ungeeignet für beschleunigte Wachstumsraten aussehen lassen.