Das heutige Bitcoin-System sei schlicht zu langsam, sagte Thomas Moser von der Nationalbank in einem Interview mit finews.ch. Der Schweizer Finanzspezialist Pascal Hügli ist anderer Meinung und hat dazu eine Replik.
Der nachstehende Beitrag nimmt Bezug auf dieses Interview.
Mittlerweile hört und liest man es im Wochentakt: «Bitcoin ist ineffizient, Bitcoin ist langsam, Bitcoin ist verschwenderisch». Immer wieder werden dabei dieselben Vergleiche bemüht, allen voran der Bitcoin-Visa-Vergleich. Stolz klopfen sich Kritiker derweil gegenseitig auf die Schulter, hat man doch immerhin die Untauglichkeit Bitcoins entlarvt.
Leider greifen die Analysen der Kritiker viel zu kurz. Besonders bedauernswert ist es, wenn die vermeintlich vernichtenden Schelten von Finanzanalysten, Wirtschaftsprofessoren oder Zentralbankern stammen. Gerade sie müssten doch wissen, dass Finanzsysteme stets hierarchisch aufgebaut sind.
Hierarchie schafft Effizienz
Wer heute als Endnutzer über Fintech-Anwendungen wie Paypal, Applepay oder Revolut Real-Time-Zahlungen tätigt, löst dabei etliche, über zahlreiche Ebenen verteilte Abwicklungsprozesse aus. Fintechs operieren nicht selten auf der Grundlage von Visa oder Mastercard. Kreditkartenfirmen wie diese wiederum bauen auf traditionellen Bankbeziehungen. Diese traditionellen Banken sind auf ein Netzwerk von internationalen Korrespondenzbanken angewiesen, die eine Ebene über den lokalen Zentralbanken darstellen.
Letztere haben zwar das Geldmonopol über eine bestimmte Jurisdiktion inne, sind ihrerseits aber letztlich vom Federal Reserve (Fed) System der Vereinigten Staaten abhängig. Offensichtlich wurde dies nicht zuletzt im Zuge der Interventionen auf die Coronakrise, als die US-Fed Zentralbanken auf der ganzen Welt über sogenannte Swap Lines mit Liquidität versorgen musste.
Erst dieser schichtenartige Aufbau unseres heutigen Finanzsystems ermöglicht jene Effizienz, wie wir sie von Visa-Transaktionen kennen. Während letztere instantan sind, werden sie jeweils über die unterliegenden Ebenen in den darauffolgenden Tagen abgewickelt. Es findet ein sogenanntes endgültiges Clearing statt.
Äpfel mit Äpfeln vergleichen
Finales Settlement erlauben Zentralbankensysteme wie Fedwire in Amerika oder das europäische Target-System. Wer Bitcoin also in Relation mit dem gegenwärtigen Finanzsystem setzen möchte, sollte ihn folglich mit Fedwire vergleichen.
Ist die richtige Dimension erstmal hergestellt, wirkt Bitcoins unterste Ebene, die auch als Baselayer oder Mainchain bekannte Bitcoin-Blockchain, gar nicht mehr so ineffizient. Bitcoin wickelt heute durchschnittliche 305'000 Transaktionen ab. Fedwire prozessierte im vierten Quartal 2020 deren 550'000 Transaktionen.
Seit 3'000 Tagen
Genau wie Fedwire skaliert Bitcoin auch in der Grösse seiner Transaktionen, dem Umsatzwert, und nicht mit deren Häufigkeit. Wie über die Zeit ersichtlich, nimmt der Dollarwert der über den Bitcoin-Baselayer abgewickelten Transaktionen stetig zu.
Bitcoin bietet somit eine robuste Grundlage für zahlreiche höher gelagerte Schichten, mit denen die Effizienz und Geschwindigkeit des heutigen Finanzsystems dereinst wohl arg übertroffen werden kann. Während Abwicklungssysteme wie Fedwire oder das Target-System immer wieder kurzzeitig aussteigen, läuft die Bitcoin-Blockchain seit beinahe 3'000 Tagen ununterbrochen.
Innovation auf Hochtouren
Die höheren Ebenen sind bei Bitcoin eben erst in der Entstehung. Das berühmteste Skalierungsvorhaben ist das Lightning-Netzwerk. Die Innovation ist enorm und macht Bitcoin zu weit mehr als nur einer Kryptowährung. Bitcoin muss letztlich als ein mehrschichtiges Geld- und Finanzsystem angesehen werden, um das Potenzial richtig abschätzen zu können.
Die Vorteile eines Bitcoin-Finanzsystems sind beachtlich: Grössere Transparenz zumal Volumen, Transaktionen und Zahlungsflüsse über die öffentliche Blockchain eindeutig einsehbar sind. Das ermöglicht zuverlässigere Prüfungen und Auditierungen als in unserem gegenwärtigen Finanzsystem.
Weniger Gegenpartei-Risiken
Die heutigen Finanzstrukturen sind in fragmentierte Einzellösungen aufgeteilt, die über sogenanntes «Deferred Net Settlement» synchron gehalten werden müssen. Per Definition können die Bilanzen und Bücher innerhalb eines solchen Systems miteinander allerdings nicht perfekt in Einklang sein. Ein auf einer gemeinsamen Basis fungierendes System wie Bitcoin ist in dieser Hinsicht interoperable und lässt somit weniger Gegenpartei-Risiken zwischen Marktteilnehmer zu.
Von einem transparenten und damit hoffentlich stabileren Finanzsystem würden wir alle profitieren. Als Nutzer werden uns aber gerade auch Effizienzsteigerungen im Zahlungsverkehr zugutekommen. Zum Beispiel in Form internationaler Real-Time-Zahlungen über das Lightning-Netzwerk.
Bruchteil an Gebühren
Die sogenannten «Unbanked» aber auch wir, die wir «overbanked» sind, werden Nutzen daraus ziehen. Und selbst Online-Händler wie Digitec oder sogar Amazon werden sich dafür begeistern lassen. Auch ihnen bietet ein neues internetbasiertes Zahlungssystem alle bisherigen Vorteile, nur halt zu einem Bruchteil an Gebühren.
Hat sich Bitcoin erstmal zu dem entfaltet, was es alles sein kann, werden die Diskussionen rund um Ineffizienz und Schwerfälligkeit verstummt sein. Denn eines lehrt uns die Vergangenheit: Geschlossene, abgeschottete Netzwerke, wie diese unser heutiges Finanzsystem ausmachen, haben gegenüber offenen, interoperablen und für jeden zugänglichen Alternativen stets an Relevanz eingebüsst.
Pascal Hügli ist Leiter Research für den Vermögensverwalter Schlossberg&Co. Nebenbei engagiert er sich als Moderator, Debattierer und Dozent an der HWZ, wo er zu den Themen Bitcoin, Kryptoassets und Fintech unterrichtet. In seinem Wirken ist er stets bestrebt darin, die reale Welt möglichst vorbehaltlos zu verstehen und zu deuten, wie er selber feststellt.