Statt eine Revolution im Finanzbereich anzustossen ist Bitcoin zu einem spekulativen Investitionsvehikel geworden, wie Thomas Moser von der Schweizerischen Nationalbank im Interview mit finews.ch sagt. Die ursprüngliche Vision habe anderes beinhaltet.
Herr Moser, der Bitcoin ist im Moment in aller Munde – welche Beziehung haben Sie zur Kryptowährung?
Ich bin im Jahre 2013 eher zufällig auf den Bitcoin gestossen, als sich Zentralbanken noch kaum mit der Thematik beschäftigt haben. Ich habe gesehen, dass sich hier von der Idee und vom Konzept her etwas Spannendes entwickelt und habe angefangen, mich einzulesen.
Was empfehlen Sie einem interessierten Investor, der den Bitcoin verstehen möchte? Wo soll er beginnen?
Ich las als erstes das White Paper von Satoshi Nakamoto – für mich ist das nach wie vor einer der besten Beiträge, den es zum Bitcoin gibt. Aber um das technische Detailwissen zu erlangen, war ein ziemlicher Effort nötig.
Haben Sie auch einen Bitcoin gekauft?
Ich wollte damals Bitcoin im Wert von 10 Franken kaufen, um besser zu verstehen, wie die Währung funktioniert. Es gab 2013 in Zürich ein Café, das Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptierte. Doch gemäss unseren internen Richtlinien hätte ich eine mehrmonatige Haltefrist abwarten müssen. Das fand ich nicht wirklich sinnvoll für eine Tasse Kaffee.
Der Bitcoin hat seine Bedeutung auch nicht im täglichen Gebrauch erlangt, sondern als Investitionsvehikel.
Da Kryptowährungen oftmals eine hohe Preisvolatilität aufweisen, werden diese primär als spekulative Anlagemöglichkeit genutzt und erfüllen die Funktionen von Geld nur sehr beschränkt. Auch in anderer Hinsicht hat sich Bitcoin von der ursprünglichen Vision entfernt. Bitcoin sollte ein neues Finanzsystem ohne Intermediäre und zentrale Gegenparteien ermöglichen. Das Motto war: jeder kann seine eigene Bank sein.
«Viele wollen gar nicht ihre eigene Bank sein»
Es hat sich aber gezeigt, dass viele gar nicht ihre eigene Bank sein wollen und sehr gern auf die Dienstleistungen von Intermediären und zentralen Gegenparteien zurückgreifen. Wer heute in Bitcoin investiert, wird in den seltensten Fällen das Protokoll herunterladen und eine vollwertige Node auf der Blockchain betreiben. Es gibt auch gar keine privaten Miner mehr. Die Mining Farmen sind mittlerweile voll kommerzialisierte Unternehmen.
Die meisten Investoren kaufen Bitcoin über eine zentralisierte Handelsplattform und lassen sich die Bitcoins von einem Wallet-Anbieter aufbewahren. Dafür muss man nicht verstehen, wie Bitcoin funktioniert. Anstatt traditionelle Banken entstehen in diesem alternativen Finanzsystem einfach neue Intermediäre. Und wie alle Intermediäre bieten diese, was die Mehrheit der Nutzer möchte: Komfort – einfacher Einkauf, sichere Verwahrung, attraktive Apps.
Diese rapide Entwicklung, womit lässt sie sich am besten vergleichen?
Mit dem Internet. In der Zeit um 1989 musste man etwas von IT verstehen, wenn man das Internet benützen wollte und um eine Webseite zu erstellen, musste man programmieren können. Mit dem Beginn der Massentauglichkeit des Internets Mitte der 1990er Jahre wurde die Anwendung immer einfacher und neue Intermediäre tauchten auf.
«Die Blockchain ist in der heutigen Form zu wenig leistungsfähig»
Heute ist die Bedienung ein Kinderspiel. Wenn Digitalwährungen und Blockchain zu einem Massenprodukt werden, könnten wir eine ähnliche Entwicklung sehen.
Wo stehen wir in der Entwicklung der Blockchain?
Wir stehen ziemlich am Anfang der Massentauglichkeit, wohl ungefähr an einem Punkt, wo das Internet um 1990 stand, also bevor die Entwicklung richtig Fahrt aufnahm. Die Technologie ist für eine Massen-Anwendung noch nicht genügend ausgereift.
Woran happert es denn?
Die Blockchain ist in der heutigen Form zu wenig leistungsfähig. Der Grund liegt in der ursprünglichen Vision von Bitcoin, wo eine starke Dezentralisierung auf Kosten der Effizienz erreicht wird. Die Blockchain will ohne Intermediäre auskommen. Dies bringt aber Skalierungsprobleme. Mit etwa sieben Transaktionen pro Sekunde ist das heutige Bitcoin-System schlicht zu langsam. Zum Vergleich: Systeme der Kreditkartenfirmen können etwa 10’000 Transaktionen pro Sekunde durchführen.
Zweitens soll die Blockchain zensurresistent sein, also nicht von einem einzelnen Teilnehmer manipuliert oder abgestellt werden können. Um dies zu erreichen, muss jeder Teilnehmer (Node) eine vollständige Kopie des gemeinsam verwalteten Kontenbuches lokal gespeichert haben. Das bedeutet aber, dass jede einzelne Transaktion bei jeder der rund 10'000 Nodes von Tokio bis Moskau aufgezeichnet werden muss.
«Bitcoin ist der Beweis, dass Distributed Ledger im offenen Netzwerk funktionieren»
Die Reihe von Informationen wird aber zwangsläufig immer länger und jede Node braucht immer mehr Speicherplatz. Dies ist nicht wirklich effizient, dient aber dem Zweck der Zensurresistenz und Dezentralisierung. Dazu kommt noch der hohe Energieverbrauch durch den Konsensus-Mechanismus, der zum Datenabgleich zwischen den Nodes verwendet wird.
Was heisst dies nun für Bitcoin?
Es ist wichtig, zu verstehen, dass diese Aspekte von Bitcoin keine Bugs (Fehler), sondern Features (Eigenheiten) des Systems sind. Es sind die Kosten der starken Dezentralisierung.
Die Innovationsleistung von Bitcoin ist der Beweis, dass Distributed Ledger im offenen Netzwerk funktionieren. Für geschlossene Netzwerke hatte man schon früher ein gutes Verständnis darüber, wie man Informationen auf alle beteiligten Nodes dezentral synchronisieren kann, nicht aber für offene Netzwerke. Bitcoin hat dies mit seinem speziellen Konsensus-Mechanismus (Proof-of-Work) gelöst.
Die mit der Proof-of-Work verbundene hohe Rechenleistung verhindert, dass ein Teilnehmer einfach viele Kopien seiner Node machen und übermässigen Einfluss auf den Konsensus nehmen kann, weil das wegen dem hohen Energieverbrauch prohibitiv teuer würde. So gesehen ist der hohe Energieverbrauch eben ein inhärentes Sicherheitsfeature von Bitcoin, und nicht ein Fehler.
Was passiert mit diesen Features mit der Entwicklung der Blockchain?
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