Durch die Zusammenarbeit mit heiklen Kunden hat die renommierteste Beratungsfirma der Welt ihren Ruf arg ramponiert. Nun ringt McKinsey verzweifelt um eine neue Firmenkultur.
Es klang nach Beratersprech, wie er fast täglich zu vernehmen ist: Die Strategie «Evolve 2 Excellence» sollte den Verkauf des Produkts mit einem «Turbo» versehen, so das Versprechen der Experten an den Kunden.
Doch das Produkt und der Kunden erwiesen sich als alles andere als alltäglich: Die Beratungsfirma McKinsey hatte Purdue und die Besitzerfamilie Sackler beraten, den Absatz von opioidhaltigen Schmerzmitteln wie Oxycontin zu beschleunigen.
Fataler Rückschlag
Das schlug unlängst voll auf McKinsey zurück. Wie auch finews.ch berichtete, zahlte das Unternehmen im Februar in den USA rund 573 Millionen Dollar als Wiedergutmachung für ihre aktive Rolle in der Opioid-Epidemie in den USA; Oxycontin gehört mit zu den Medikamenten, welche die Opiate-Krise, die in den USA seit 1999 schon 450’000 Todesopfer gefordert haben soll, befeuerten.
Womöglich schwerer als die Millionen-Zahlung wiegt für die «Mackies» der Image-Schaden, den die renommierteste Beratungsfirma der Welt erlitten hat. Denn in den Augen der Öffentlichkeit hat McKinsey das Credo verraten, das von Mitgründer Marvin Bower im vergangenen Jahrhundert aufgestellt worden war: Dass die Partner der Firma niemals einen Kunden annehmen würden, an dem sie nur den Schatten eines Zweifels hegen. Integrität hat absoluten Vorrang übers Geschäft, so die Weisung von einst.
Den Kunden um die Ohren gehauen
Wie die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) am Dienstag berichtete, wird dieses Credo, das der Firma so viel Strahlkraft verliehen hat, den heutigen Partnern von Kunden nun um die Ohren gehauen – es kommt gar zur Aufkündigung der Zusammenarbeit.
Höchste Zeit also, dass sich McKinsey auf seine Kultur besinnt, zumal sich weitere Reputationsrisiken anhäufen: CIB, eine interne Investmentbank-Beratung, die erst 2019 gestartet worden war, musste jüngst wieder geschlossen werden. Mitarbeiter wurden gefeuert oder suspendiert, nachdem es zu internen Unregelmässigkeiten gekommen war.
Millionenzahlungen wegen Interessenskonflikten
In den vergangenen zwei Jahren zahlte McKinsey zudem 15 Millionen Dollar ans US-Justizministerium wegen Interessenkonflikten in Firmenpleiten, und weitere Dutzende Millionen Dollar in Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen in Südafrika. Auch das Wachstum in politisch heiklen Staaten wie China, Russland und Saudiarabien gerät zunehmend in den Fokus der Kritik.
«Hybris und Gier» ortete finews.ch kürzlich als Ursache der Negativschlagzeilen rund um McKinsey. Zu einem ähnlichen Befund gelangten von der «Financial Times» befragte Beobachter. Sie halten die Branchenführerin, die 2019 einen Umsatz von geschätzt 10,5 Milliarden Dollar erzielte und die Zahl der Partner in der vergangenen Dekade von 1’200 auf 2’500 mehr als verdoppelte, für «too big to govern». Also für zu gross, um gelenkt zu werden.
Zugang zu immer neuen Geldtöpfen
An die Stelle der absoluten Integrität, so lassen zumindest die jüngsten Vorfälle vermuten, ist das Vertrauen auf die marktbeherrschende Stellung getreten, die Zugang zu immer neuen Geldtöpfen und zu den besten Talenten sicherte. Auch in der Schweizer Finanzbranche ist McKinsey der Ratgeber der Wahl und kann auf ein Netz von hochplatzierten Alumni bei den Unternehmen zählen.
Mystik hat ausgedient
Mit der tradierten «Mystik» um McKinsey will der geschäftsführende Partner der Unternehmens, Kevin Sneader, nun aber aufräumen. Der Schotte, der 2018 die Leitung des Kolosses antrat, wertet diese als «halbseidene Heimlichtuerei». Er plädiert stattdessen für «gründliche Arbeit». Diese, so zeigt sich der 54-Jährige überzeugt, spreche für sich selber.
Doch allein bei Worten liess es Sneader nicht bewenden. Er wechselte seit seinem Antritt Führungsleute aus und liess nicht weniger als 2’000 Kundenbeziehungen unter die Lupe nehmen. So will er dem vermuteten «Graubereich» bei seinem Unternehmen zu Leibe rücken, schrieb die «Financial Times».
Widerspruch von unten
Indirekt bedeutet das auch, dass die Autonomie der Partner, die ganz im Sinne der Firmenkultur als «Entrepreneure» schalten und walten, eine Einschränkung erlebt. Zudem müssen sich die Gesellschafter nun auf Widerspruch von unten gefasst machen. Sneader fördert eine Dissens-Kultur, die Unterstellten ein Stimme gibt, wenn sie mit dem Vorgehen der Firma nicht einverstanden sind.
Als Kontrolle will Sneader das übrigens nicht verstanden wissen: «Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit», findet er.