In der globalen Wirtschaft stehen die Zeichen auf Sturm – und die Zentralbanken haben ihr Pulver verschossen. Der ehemalige Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand schlägt radikale Massnahmen vor.

Geht es nach dem ehemaligen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Philipp Hildebrand, rieselt bald ein Geldregen auf die Firmen und Konsumenten in Europa nieder. Das ist zumindest – kurz zusammengefasst – die Forderung, die der heutige Vice Chairman des weltgrössten Asset Managers Blackrock in einem Positionspapier stellt.

Darin beschäftigen sich Hildebrand und seine Kollegen mit möglichen Massnahmen der Notenbanken angesichts einer drohenden Rezession. Nach der Finanzkrise ab 2008 hatten die Währungshüter die Zinsen so weit gesenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln, dass nun keine weiteren effektiven Schritte mehr möglich scheinen.

Geld direkt zum Konsumenten

«Wenn überhaupt noch Munition übrig ist, dann sehr wenig», sagte Hildebrand in einem Fernseh-Interview (siehe unten) mit «Bloomberg» gestern Donnerstag über die Tiefzinspolitik der Nationalbanken. «Der nächste Schritt muss etwas anderes sein, als mehr vom Gleichen.»

Es gehe darum, einen «direkten Weg» zu finden, Geld zu Konsumenten und Firmen zu bringen und so den Konsum anzukurbeln. Dabei müsse man künftig den indirekten Einfluss via Zinsen umgehen.

Damit schlagen Hildebrand und seine Mitautoren die Idee in den Wind, dass zwischen der Geldpolitik der Zentralbanken und der Fiskalpolitik der Staaten eine Art Gewaltentrennung herrschen sollte. Unter der Führung der Blackrock-Ökonomin Helga Bartsch haben neben dem früheren SNB-Chef auch der frühere Chef der israelischen Notenbank Stanley Fischer und der Kanadier Jean Boivin zum Papier beigetragen.

Helikoptergeld

«Man muss einen anderen Weg einschlagen als den Kanal der Zinspolitik, weil die Zinsen bereits so tief sind», sagte Hildebrand. «Das bedeutet, dass man zwangsläufig viel engere Kooperation zwischen Fiskal- und Geldpolitik als zentrales Element eines solchen, nächsten Regimes sehen wird.»

Im Interview mit «Bloomberg» stritt Hildebrand nicht ab, dass es sich dabei im Wesentlichen um sogenanntes Helikoptergeld handeln würde. Blackrock nennt dies allerdings eine «Standing Emergency Fiscal Facility»: Eine Reserve, die dann eingesetzt würde, wenn die Inflation weit unter dem angestrebten Wert zu bleiben droht.

Idealbesetzung Christine Lagarde

Wem dieses Geld zugute kommt und in welchem Ausmass, würden dabei «unabhängige Experten» entscheiden. Sie sollen sich dabei nach den Vorgaben der Politik richten, welche allerdings bisher namentlich in der nördlichen Hälfte der Europäischen Union nicht willens war, dem Wirtschaftswachstum auf diesem Weg auf die Sprünge zu helfen.

Hildebrand sieht Europa als erstes Versuchskaninchen für den Vorschlag. Dabei sei die Wahl der bisherigen Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, zur Präsidentin der Europäischen Zentralbank ein Glücksgriff.

«Fiskal- und Geldpolitik verschwimmen», sagte Hildebrand. «Für dieses Umfeld, falls wir uns zu einer solchen Politik hinbewegen, ist Christine Lagarde einzigartig qualifiziert.»