Die Kryptowährung Libra betrifft die Schweiz ganz besonders, weil das Projekt hier angesiedelt ist. Der Think Tank Avenir Suisse hat analysiert, was auf die Schweizer Regulatoren zukommt.
In einer am Mittwoch vorgestellten Studie zur Facebook-Kryptowährung Libra und dem Einfluss auf das globale Finanzsystem hat der Schweizer Think Tank Avenir Suisse auch die Bedeutung für die Schweiz beleuchtet.
Die Finma, so Avenir Suisse, müsse dabei sowohl die Libra Association beurteilen als auch den Libra-Token. Vor allem aus regulatorischer Sicht würden sich schwierige rechtliche Fragen stellen.
Zahlungs-Token oder Fremdwährungs-Derivat?
Da Libra eine eigene Denomination darstelle, die nicht in einem fixen Verhältnis zu anderen Währungen stehe, würde die Währung nach Finma-Klassifizierung eigentlich als Zahlungs-Token gelten. Weil ein Libra aber einen Anspruch auf einen Währungskorb darstelle, könnte er deshalb auch als Fremdwährungs-Derivat klassifiziert werden.
Interessant werde es in Bezug die autorisierten Wiederverkäufer von Libra. Nur diese dürfen offenbar mit der Libra-Reserve interagieren. Während ein Libra für Nutzer ein Zahlungs-Token ohne durchsetzbare Rechte sei, stelle die Kryptowährung für die autorisierten Wiederverkäufer ein noch nicht abschliessend definiertes Recht auf einen Anteil an der Libra-Reserve dar, so Avenir Suisse. Diese juristische Gemengelage dürfte die Finma noch länger beschäftigen.
Bedeutender Spieler auf dem Devisenmarkt
Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) werde Libra zur Herausforderung, wenn das Projekt zum Erfolg werde. Sollte die Libra-Reserve nämlich dereinst auch Franken halten wollen, taucht für die SNB plötzlich ein bedeutender neuer Spieler auf dem Devisenmarkt auf.
Die Libra-Reserve könnte im Falle eines Erfolgs schnell mehrere hundert Milliarden Dollar schwer werden, so der Think Tank. Je nach Umfang im Währungskorb könnte der Franken durch die Libra digitalisiert und internationalisiert werden. Dies könnte zu einer grösseren Verbreitung und damit zu höheren Geldschöpfungsgewinnen führen.
Beeinträchtigung des Bankensektors
Gleichzeitig dürfte gemäss der Einschätzung von Avenir Suisse der Druck auf die SNB in einer Krisensituation zunehmen. Die digitale Natur von Libra könnte Fluchtbewegungen in die neue Währung wohl vereinfachen. Folge: Stabilität und Kreditvergabetätigkeit des Bankensektors wären beeinträchtigt. Und es könnte zu einer rasanten Zunahme der Nachfrage nach Franken kommen.
Die Herausforderungen für die SNB würden noch grösser, wenn mehr private Währungen dem Beispiel von Libra folgten – bereits wird spekuliert, ob Google, Microsoft, Apple oder Amazon ein ähnliches Projekt planen. Viele der neuen Akteure auf dem Währungsmarkt dürften dann versucht sein, ihre neuen Währungen mit Franken zu hinterlegen.
Erhebliche Nebenwirkungen
Da Libra und dessen Nachahmer mehrheitlich mit ausländischen Devisen gekauft werden, würde sich der Aufwertungsdruck auf den Franken weiter erhöhen. Der SNB bliebe als Mittel der Wahl wohl nur eine weitere Ausdifferenzierung oder Erhöhung der Negativzinsen. Die Nebenwirkungen für die Schweizer Wirtschaft wären erheblich.