Investments in nachhaltig geführte Firmen erleben auch am Schweizer Finanzplatz einen Boom. Doch findige Finanzprofis spüren nun den schlimmsten Umweltsündern nach.
Kaum eine Fondsfirma kann heute noch auf das Kürzel ESG – Environmental, Social and Governance – auf ihrer Produkteliste verzichten. Nachhaltige Investments sind nicht nur politisch das Gebot der Stunde, sondern gelten auch als grosse Hoffnung für das in einer Strukturkrise steckende Asset Management. Das hat Folgen: Laut der Branchenvereinigung Swiss Sustainable Finance (SSF) sind die nachhaltig verwalteten Vermögen im Land 2018 um 83 Prozent auf 717 Milliarden Franken angestiegen. Der Löwenanteil stammt dabei aus den Schatullen von Institutionellen Anlegern.
Doch nicht alle Finanzprofis rennen dem grünen Geld nach, im Gegenteil. Findige Privatmarkt-Investoren stöbern mitten im Nachhaltigkeits-Boom nach Firmen, die nachweislich als Umweltsünder gelten.
Von der Heuschrecke zum Samariter
Wie das britische Branchenportal «Financial News» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete, steckt dahinter Kalkül. Denn Unternehmen, die weitherum als Leuteschinder und Umweltsünder bekannt sind, spüren dies oft bei der Bewertung. Mit anderen Worten – wer bei ihnen einsteigt und die Probleme beseitigt, kann mit einem Bewertungsgewinn rechnen.
Private-Equity-Firmen, die früher noch als «Heuschrecken» beschimpft wurden, werden auf diese Weise zu guten Samaritern. Zitiert wurde etwa die US-Finanzinvestorin Blue Wolf, die bei einer Bauzulieferer-Firma einstieg. Diese hatte auf Bauteilen krebserregende Substanzen verwendet. Blue Wolf sorgte im Anschluss nicht nur für die fachgerechte Entsorgung der Gifte, sondern auch für die Umstellung der Produktion und für eine günstige Krankenversicherung für die Angestellten des Unternehmens.
Und am Ende stimmte auch die Kasse. Blue Wolf verkaufte das Investment zum Dreieinhalbfachen des Einstiegspreises.
ESG-Experten gesucht
Solche Deals sprechen sich herum. Mittlerweile rüsten alle grösseren Private-Equity-Häuser ihre Reihen mit Nachhaltigkeits-Experten auf. Firmen, die Chemikalien oder Autolacke produzieren, aber auch Restaurants und Bars mit ihrem grossen Abfallausstoss werden plötzlich zur heissen Ware. Einzelne Teams schwärmen gar bis nach Russland aus, weil dort von Nachaltigkeit noch nicht gross die Rede ist.
Weil die Investoren dabei einige Risiken eingehen, wird die Nachhaltigkeit immer mehr kapitalistischen Prinzipien unterworfen: «ESG muss wertsteigernd sein. Ansonsten kostet die Übung nur Zeit und Geld», zitiert der Bericht einen Experten. Wenn sich das nur als nachhaltig erweist.