Die Deutsche Börse ist die Überraschungs-Partnerin eines hiesigen Blockchain-Konsortiums. Das verspricht den Schweizern eine rasche Expansion – und den Deutschen ein neues Handelsuniversum.
Man kannte sich schon von den einschlägigen Fintechmessen her. Doch es brauchte zahlreiche Sondierungsgespräche, bis sich die Partner schliesslich die Hand zum überraschenden Pakt reichten: Wie auch finews.ch am vergangenen Montag berichtete, spannt die Deutsche Börse mit dem Schweizer Telekomriesen Swisscom und dem Fintech Sygnum zusammen. Dies, um rund um die Blockchain-Aktie Daura ein Ökosystem für digitale Investments aufzubauen.
Dass da die Deutsche Börse und nicht etwa die Schweizer Konkurrentin SIX zum Zug gekommen ist, sorgte hierzulande für einige hochgezogene Augenbrauen. Auf deutscher Seite ist man sichtlich zufrieden. «Uns überzeugt an der Zusammenarbeit, dass die Partner jeweils komplementäre Fähigkeiten ins Projekt einbringen, aber mit uns die gleiche Sichtweise bezüglich Vorgehen und des Potenzials von digitalen Assets teilen», erklärt Jens Hachmeister gegenüber finews.ch. Er bei der Deutschen Börse zuständig für Blockchain-Technologie (DLT), Kryptoanlagen und neue Marktstrukturen.
Nicht auf die Schweiz beschränkt
Noch sind die Partner damit beschäftigt, ersten Schweizer KMU die kürzlich lancierte Blockchain-Aktie Daura schmackhaft zu machen. Eine Handelsplattform für die digitalen Wertschriften gilt es ebenfalls noch zu bauen. Doch das Konsortium denkt bereits weiter, wie Hachmeister berichtet. «Als ein führender europäischer Finanzinfrastruktur-Dienstleister streben wir an, das Projekt auf die Ebene der 27 EU-Mitgliedstaaten zu heben», sagt der Börsen-Kadermann. «Es ist unser Ziel, dass sich das Ökosystem künftig nicht auf die Schweiz und Singapur beschränkt.»
Das zeigt: Swisscom und Sygnum haben im deutsche Partner nun einen Hebel, um rasch über die Schweizer Landesgrenzen hinaus zu expandieren. Dies ist im Einklang mit digitalen Geschäftsmodellen, die kaum mehr geographische Grenzen kennen und stattdessen den Erfolg in möglichst grossen Volumen suchen.
Kein Monolith
Die Schweizer Partner betonten am vergangenen Montag, dass man weiterhin «mit allen spreche». Doch das Wachstumspotenzial mag mit ein Grund gewesen sein, warum die SIX bisher nicht in die Kränze kam. Deren Projekt Swiss Digital Exchange (SDX) zielt nämlich zu guten Teilen darauf, bei der Börse bestehende Strukturen und Geschäft in die zukunftsträchtige Blockchain-Technologie zu übersetzen. Damit soll eine Brücke zwischen der traditionellen und der neuen Infrastruktur gebaut werden.
Swisscom, Sygnum und Deutsche Börse setzen den Schwerpunkt anders. Ihr Ansatz lautet, explizit neue Akteure und Anlageklassen ins digitale «Ökosystem» zubinden. «Wir planen keinen Monolithen, der für sich alleine steht», so Hachmeister.
Ungeahnte Kombinationen
Tatsächlich ist der deutsche Finanzkonzern auch deshalb mit im Boot, weil er dadurch massiv Neugeschäft gewinnen könnte. Denn eine Verheissung der Blockchain ist es ja gerade, handelbar zu machen, was bisher kaum handelbar ist. Dies, indem die Rechte auf einen Anteil in einem digitalen Token festgeschreiben und online gekauft und verkauft werden. Daraus ergeben sich ungeahnte Kombinationen. So plant das Bündner Tourismusunternehmen Weisse Arena Gruppe, Kunden beim Kauf eines Tickets auch gleich eine digitale Mikro-Aktie am Unternehmen zu übertragen – mittels der Daura-Lösung.
«Als Börsenbetreiberin sind wir daran interessiert, zusätzliche Anlageklassen für den Handel zu erschliessen und eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen, die den regulatorischen Anforderungen entspricht», erläutert Hachmeister das Potenzial.
Denkbar wären es aus seiner Sicht etwa, Immobilienanlagen oder Privatmarkt-Investments auf die Blockchain zu übersetzen, ebenfalls OTC-Werte aus dem deutschen Mittelstand. Alles enthalten im neuen Ökosystem, zu dem sich die Deutsche Börse nun einen frühen Zugang gesichert hat.