Der Zuger Regierungsrat Heinz Tännler weibelt in Bern für die Blockchain-Technologie. Banken, die zu spät einhakten, seien selbst für die Konsequenzen verantwortlich, sagt er gegenüber finews.ch.
Heinz Tännler, ich bin hier, weil sie mit einem Artikel von finews.ch nicht einverstanden sind, wonach die Blockchain-Technologie bisher ihren Versprechungen nicht gerecht geworden ist.
Ich bezweifle die Aussage, dass es die Blockchain-Technologie nicht braucht, dass es sich dabei nur um einen Hype handelt, der wieder versanden wird. Denken sie daran zurück, dass auch Computer, Smartphones, das Internet anfangs verteufelt und kleingeredet wurden. Ohne diese Technologie könnten wir heute so nicht kommunizieren oder arbeiten. Die Blockchain-Technologie wird funktionieren, sie tut es schon.
Die Technologie mag funktionieren, aber brauchen tut es sie ja nicht wirklich.
Ihre Aussage, Blockchain werde nicht gebraucht, bezweifle ich schwer. Als der Wasserdampf, die Elektrizität, das Auto, der Fernseher, der PC oder das Internet erfunden wurden, gab es die gleichen Zweifel und Skepsis. «Wozu braucht man diese Erfindungen und Technologien?». Bei Blockchain erleben wir derzeit die selben Diskussionen. In der Finanz-, der Energiebranche oder in der Industrie wird an zahlreichen Projekten gearbeitet und geforscht. Denn die Technologie erlaubt durch das Ausschalten des Intermediärs ganz neue Anwendungsbeispiele und Geschäftsmodelle, die wir zum Teil noch gar nicht kennen.
«Diese Technologie schaltet das Dreiecksverhältnis bei Bankgeschäften aus»
Natürlich stimmt es, dass auch viel heisse Luft produziert wird und viele der neuen Unternehmen wieder vom Wagen fallen werden. Am Anfang ist das in allen Technologiebereichen so, dass vielleicht von 1'000 nur zehn übrig bleiben. Nicht weil die Technologie nicht funktioniert, sondern weil die Anwendungen nicht funktionieren. Aber Blockchain hat ein Fundament. Sie wird die Gesellschaft in eine neue Geländekammer bringen.
Ein wichtiger Aspekt ist das Ausschalten des Intermediärs und diese neue Geländekammer der Gesellschaft, wie sie sagen. Was wird sich denn in unserer Lebenswelt ändern?
Das ist ein Quantensprung. Ich kann zum Beispiel meine Finanzgeschäfte direkt ohne Intermediär abwickeln. Als Bürger können wir Blockchain-basiertes E-Voting machen. Wir sind zum Beispiel mit der Fachhochschule Luzern an einem entsprechenden Forschungsprojekt. Damit soll dem Bürger das Wählen, Abstimmen massiv erleichtert werden. Ich bin überzeugt, dass es zu einer Simplifizierung von Lebensabläufen kommen wird, die wir heute so noch nicht auf dem Tisch haben.
Wie würde das denn funktionieren?
Ich bin überzeugt, dass diese Technologie das Dreiecksverhältnis ausschaltet, auch zum Beispiel bei Bankgeschäften. Das führt zu einer Vereinfachung und Simplifizierung der Geschäftsabwicklung.
Banken sind ein gutes Beispiel. Statt dass wir über eine Bank gehen, machen wir das untereinander aus. Damit bleibt die Recherche, die Vorleistung der Bank an uns hängen. Warum ist das ein Fortschritt?
Was heisst Recherche? Wenn ich ihnen Geld schulde, muss ich doch nichts recherchieren. Ich weiss ja, wem ich Geld zu zahlen habe.
Was ist mit Beratung, Kreditkarten, Anlagen?
Es geht nicht darum, die Bank auszuschalten. Aber Beratung kann ich zum Beispiel auch anderswo bekommen. Banken dürfte es auch in Zukunft brauchen, weil Beratung weiterhin gefragt ist. Diese kann ich aber auch woanders einholen. Dass ist mir ja völlig frei überlassen. Wenn ich will, kann ich auch selbst recherchieren. Die Banken werden ihre Geschäftsmodelle an die dezentrale Welt anpassen müssen.
Aber eben, weshalb brauche ich dafür ausgerechnet diese Technologie? Vieles wäre doch sicher auch einfacher machbar.
Ein ganz wesentlicher Aspekt ist die Sicherheit. Abgesehen davon, dass es günstiger und schneller wird, ist Sicherheit ein grosses Problem. Die Zuger Kantonalbank zum Beispiel stellt die Blockchaintechnologie nicht in Frage. Die Banken stellen die Technologie und gerade den Sicherheitsaspekt nicht in Frage.
«Bei den Banken fehlt der Leidensdruck»
Sollte es tatsächlich stimmen, dass die Technologie wieder versanden wird, dann frage ich mich doch auch, warum der Bund dann Gesetze anpasst und einen Bericht veröffentlicht. Das würde ja heissen, der Bund macht etwas, das es gar nicht braucht.
Ich lasse das unkommentiert, ob der Bund wirklich immer nur Dinge tut, die es auch braucht. Zurück zur Finanzindustrie. Sie haben Beispiele von Anwendungen genannt, an denen gearbeitet wird. Wissen sie von einem Projekt, wo es tatsächlich bereits zu einer Disruption kam, die mit dem Computer oder dem Smartphone vergleichbar wäre?
Beispiele in dieser Dimension gibt es heute noch nicht. Aber die Disruption beginnt in zahlreichen Bereichen. In der Nordsee wird bereits über eine Blockchain-Applikation mit Erdöl gehandelt. In der Schweiz haben Versicherer das Projekt B3i lanciert, die Post und die Swisscom stellen gemeinsam Infrastruktur zur Verfügung.
Warum mauern viele Banken denn?
Erstens verdienen die Banken heute gutes Geld, nach wie vor. Die Zuger Kantonalbank, bei der ich ja den Hauptaktionär vertrete, funktioniert mit ihrem Geschäftsmodel wunderbar; vor allem mit den Hypotheken, trotz Negativzinsen. Weshalb würden die sich also neuen Risiken aussetzen, wenn es nicht notwendig ist? Da ist kein Leidensdruck.
«Sie sehen ja im Wirtschaftsleben immer wieder, wie viele Firmen zu spät sind»
Ein zweiter Punkt ist, dass die Banken vor diesem Hintergrund kolportieren, Blockchain sowie die Kooperation mit Startups – auch zum Beispiel im Crowdfunding-Bereich – seien kein Businessmodel.
Drittens lassen sich die Banken nur dann auf etwas Neues ein, wenn sie todsicher sind, dass es funktioniert. Die Finanzkrise hat die gesamte Branche durchgerüttelt und zum Teil stark verunsichert. Geldwäscherei ist auch ein Thema. Die Finma reguliert zwar nur so viel wie nötig, gibt aber keine Blankochecks. Solange die Finma das aber nicht absegnet und aktiv sagt, «das dürft ihr», machen die Banken nichts. Aber in den nächsten Monaten und Jahren werden sich auch Banken dieser Technologie öffnen müssen und können nicht mehr nur immer mauern.
Wird es gelingen, auf den fahrenden Zug aufzuspringen?
Wenn die Technologie wirklich den Durchbruch schafft, werden sie müssen. Dann werden die Banken unter Druck kommen.
Nur, wird das rechtzeitig sein? Wenn die Technologie plötzlich den Durchbruch schafft, ist es dann nicht zu spät für die Banken?
Das müssen die Banken selber entscheiden. Entscheiden tut der Bankrat mit der Geschäftsleitung, welche Modelle sie unterstützen wollen. Wenn die Bank erst zuwarten will, dann ist das ihr gutes Recht. Wenn es dann irgendwann zu spät ist – sie sehen ja im Wirtschaftsleben immer wieder, wie viele Firmen zu spät sind und dann übernommen werden oder eingehen.
Heinz Tännler ist Finanzdirektor des Kantons Zug und Präsident der Swiss Blockchain Federation. Letztere lobbyiert für die Standortattraktivität der Schweiz als Blockchain-Hub. In seiner Funktion als Regierungsrat vertritt er zudem den Hauptaktionär der Zuger Kantonalbank.