Höhere US-Zinsen dürften die Volatilität begünstigen, die mit dem einen oder anderen Tweet aus dem Weissen Haus noch beschleunigt werden dürfte, sagt Investmentexperte Franz Wenzel.
Franz Wenzel ist Anlagestratege für institutionelle Kunden bei Axa Investment Managers. Er schreibt abwechselnd mit Richard Mooser eine Kolumne für finews.ch.
Ein Tweet zum nationalen Feiertag am 4. Juli brachte es ans Licht: Amerika geht es grossartig! Die Arbeitslosenquote ist mit 4 Prozent auf langjährigem Tiefstand, und das reale Bruttosozialprodukt expandiert 2018 mit knapp 3 Prozent. Gleichzeitig schreibt die aktuelle Expansion im zehnten Jahr nach der grossen Finanzkrise quasi Geschichte. Warum also die internationale Handelsfehde, die beinahe jeden Tag neue Varianten hervorbringt?
Aus der Sicht Amerikas sind die Handelsbilanzdefizite mit China, aber auch mit der Eurozone, genauer formuliert mit Deutschland, ein Dorn im Auge. Nach dem «Warum» lassen die Verantwortlichen bis dato mit einer Antwort auf sich warten. Weitaus wichtiger ist die häufig gestellte Frage, wann denn dieser Spuk endlich aufhört. Eine einfache Antwort gibt es nicht. Schlimmer: Beinahe jede Woche geistern neue, noch grössere Drohungen durch die Medien.
Substanzielle Nebenwirkungen
Angesichts der anstehenden Zwischenwahlen im November, den «mid-terms», kann man nicht gänzlich ausschliessen, dass ein Erfolg im Aussenhandel sich auch innenpolitisch vermarkten liesse. Daraus allerdings eine Zeitachse zu konstruieren, erscheint sehr weit hergeholt.
Allerdings darf man bei all den Wortgefechten nicht die Tatsache übersehen, dass sich höhere Tarife nicht ausschliesslich nach aussen auswirken, sondern dass sich im internationalen Handel substanzielle Nebenwirkungen auch nach innen entfalten. So werden die Importe der betroffenen Sektoren schlicht und ergreifend teurer, vorausgesetzt, die importierten Güter können nicht über Nacht von der einheimischen Industrie substituiert werden. In der (langfristigen) Konsequenz kann dies zu geringeren heimischen Investitionen und, last, but not least, sogar zu niedrigerer Beschäftigung führen. Dies wirkt allerdings mit einem deutlichen Zeitverzug.
Chinesen als grosse Verlierer
Dieser Zeitverzug nimmt bereits Form an und lässt sich am einfachsten an der Börsenentwicklung der betroffenen Länder ablesen. Seit Jahresbeginn hat sich die Wallstreet um rund 5 Prozent (S&P 500) erhöht, trotz der allseits erwarteten weiteren Zinserhöhungen. Der deutsche Aktienindex DAX hat sich in diesem Vergleich wacker geschlagen und nur leicht im Negativen (-0,5 Prozent) abgeschwächt. Mit rund 15 Prozent Kursverlusten ist der chinesische Aktienmarkt der grosse Verlierer. Die Märkte geben wohl der amerikanischen Regierung zumindest kurzfristig recht.
Die Gretchenfrage für Investoren lautet daher, wie man sich in den kommenden Quartalen strategisch ausrichten sollte. Es kann kaum Zweifel daran bestehen, dass höhere (US-)Zinsen eine im Trend steigende Volatilität begünstigen, die sicherlich von dem einen oder anderen Tweet aus dem Weissen Haus noch beschleunigt wird. Andererseits sprudeln die Firmengewinne fleissig weiter und stützen die aktuelle Bewertung der Aktienmärkte.
Zwei komplementäre Ansätze
Trotz der aktuellen guten Wirtschaftszahlen sind langfristige Investoren gut beraten, Vorsicht walten zu lassen. Eine steigende Volatilität wird sicherlich den einen oder anderen Durchsetzer mit sich bringen und über kurz oder lang auch zu deutlicheren Marktkorrekturen führen.
Die einfachste Antwort wäre, die Aktienquote zu reduzieren. Allerdings ist diese Lösung nicht für jedermann opportun, zumal man damit jedwedes Aufwärtspotenzial aufgibt. Wir meinen, dass sich das aktuelle Umfeld vielmehr für asymmetrische Anlagestrategien via Optionen anbietet. Eine wachsende Zahl von Investoren nähert sich diesem Ansatz. Die geeignetsten Antworten verbinden unserer Ansicht nach mindestens zwei komplementäre Ansätze:
- Um das Marktrisiko zu schmälern, eignet sich ein aktives Risikomanagement in Form von «value at risk»-Strategien, die bei steigendem Risiko aktiv das Markt-Exposure reduzieren, kombiniert mit
- einer Volatilitäts-Cap-Strategie, die die Portfoliorisiken (mehr oder weniger) neutralisiert, wenn die Volatilität bestimmte vordefinierte Marken erreicht oder gar überschreitet.
Zugegeben, einen «free lunch» gibt es in der Finanzwelt nicht, und solche Strategien sind keineswegs ein Allheilmittel. Unserer Erfahrung nach zu urteilen, können mit solchen kalibrierten Strategien die Risikomerkmale für ein Portfolio verbessert werden und haben somit durchaus ihre Legitimation.
Franz Wenzel gehört seit Oktober 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Seit Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.
Zuvor hatte er drei Jahre als Chief Investment Officer für das Bankhaus Metzler in Frankfurt/Main gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere war er als Marktstratege und Produktentwickler bei der Commerzbank in Frankfurt/Main tätig gewesen. Von 1985 bis 1988 hatte er einen Lehrauftrag im Fach Banking and Finance an der Universität Würzburg, Deutschland, wo er 1989 in Betriebswirtschaft promovierte.