Initial Coin Offerings boomen wie nie zuvor. Die Schweiz mischt dabei ganz vorne mit – doch andere Standorte setzen zum Überholmanöver an, wie eine Studie zeigt.
Trotz jüngsten Rückschlägen im Handel mit etablierten Kryptodevisen wie Bitcoin oder Ether ist der Appetit nach neuen digitalen Token und Coins so gross wie nie. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden weltweit 537 Neuausgaben von Kryptowährungen (Initial Coin Offering, ICO) mit einem Gesamtvolumen von 13,7 Milliarden Dollar durchgeführt.
Das ist laut einer Studie der Beratungsfirma PWC und der Standortförderungs-Organisation Crypto Valley mehr als in sämtlichen Jahren davor zusammengerechnet (siehe Grafik unten).
Allerdings: Mit dem Boom der letzten Monate ist der Schweiz ihre führende Position als ICO-Mekka Europas abhanden gekommen. Letztes Jahr rangierte das Land vor allem dank der pulsierenden Szene im Kanton Zug hinter den USA und vor Singapur als weltweit wichtigstes Zentrum für ICO. Das war Wasser auf die Mühlen all jener, welche die Schweiz als «Crypto Nation» wahrnehmen und entsprechend zu fördern versuchten, zuvorderst Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.
Briten überholen rechts
Doch die Führungsrolle erweist sich als flüchtig. Laut dem Report wurden 2018 hierzulande bisher 28 ICO unter Dach und Fach gebracht, die ein Finanzierungsvolumen von 456 Millionen Dollar anzogen. Dies gegenüber 1,462 Milliarden Dollar im Gesamtjahr 2017. Eine stolze Summe – doch weniger, als Erstausgaben von digitalen Devisen in Grossbritannien einspielten. Dort zogen in diesem Jahr 48 ICO ein Volumen von 507 Millionen Dollar an, was den alten Antagonismus zwischen dem Schweizer und dem britischen Finanzplatz nun ins Universum der Krypto-Assets weiterträgt (siehe Grafik unten).
Die Studienautoren sprechen von einem enormen Druck, unter dem die Standorte in ihrem Wetteifern um ICO stehen. Das schlägt sich auch in der globalen Hackordnung nieder. So haben die dort angesiedelten Milliarden-Neuausgaben von EOS und Telegram die Kaimaninseln sowie die Britischen Jungferninseln neu an die Spitze des weltweiten Ranking katapultiert. Ebenfalls viel Volumen ziehen mittlerweile die baltischen Staaten sowie Israel und Hongkong an.
Liechtenstein und Malta als Nachahmer
Der Aufstieg von Estland, Litauen und auch Israel zeigt, dass nicht nur ein starker Finanzplatz den Zuzug von ICO sichert. Wichtige Faktoren sind auch das technologische Umfeld und das regulatorische Entgegenkommen gegenüber Kryptofirmen. Der Ansatz der Schweiz, die auf den Abbau von Schranken für Krypto-Geschäftsmodelle und auf einen differenzierten Umgang mit Coin und Tokens setzt, findet dabei gerade in Europa Nachahmer.
Das Fürstentum Liechtenstein und die Mittelmeer-Insel Malta sind ebenfalls daran, sich mit einer differenzierten Blockchain-Gesetzgebung als verlässliche Gastgeber für ICO zu positionieren. Dies mit einigem Erfolg, wie finews.ch berichtete (etwa hier und hier).
Stütze für Startups
Das darf die offizielle Schweiz nicht kalt lassen. Denn ICO sind längst nicht mehr ein auf die örtliche Kryptoszene beschränktes Phänomen, sondern auch ein Wachstumstreiber geworden. So ist die Ausgabe von Krypto-Token unter Schweizer Fintechs mittlerweile der beliebteste Weg, um an benötigtes Wagniskapital heranzukommen.