Die wissenschaftlichen Grundlagen der Blockchain-Technologie wurden bereits in den 1990er-Jahren entwickelt, sagt Markus Bürgi vom Swiss Finance Institute. Darum seien Forschung und Ausbildung für den Schweizer Finanzplatz so wichtig.


Herr Bürgi, viele Banken müssen heute sparen. Spüren Sie das auch bei der Nachfrage nach Ihren Lehrgängen?

Die Teilnehmerzahlen an unseren Bank-Management-Lehrgängen sind tatsächlich nicht mehr auf dem Niveau früherer Jahre. Daraus einen allgemeinen Nachfragerückgang nach qualifizierter Weiterbildung abzuleiten wäre aber falsch.

Warum?

Wir stellen vielmehr eine Verschiebung der Nachfrage hin zu spezialisierten Ausbildungsangeboten fest. Diesem Trend tragen wir beispielsweise mit unserem CAS-Lehrgang in Banking mit Schwerpunkt Real Estate Finance oder Ausbildungen im Rahmen der SAQ-Kundenberaterzertifizierungen Rechnung.

Die Finanzbranche ist im Wandel. Verändert sich dadurch auch das Lehrangebot?

Natürlich reflektiert sich der Wandel in der Finanzindustrie auch in unserem Weiterbildungsangebot. Ziel ist es, unseren Teilnehmenden zeitgemässe Lehrgänge anzubieten, die sie mit relevanten Themen und Entwicklungen vertraut machen.

«Die grösste Stärke der Schweizer Finanzbranche gründet auf dem sogenannten Knowledge Capital»

So sind beispielsweise die fortschreitende Digitalisierung der Branche oder die Bedeutung nachhaltiger Anlagen integrierte Bestandteile in unseren Lehrgängen. Angeboten werden zudem, wie eingangs erwähnt, vermehrt Weiterbildungsangebote mit spezifischem Themenfokus, da Bankmitarbeitende heute oftmals einem fundierten Grundlagenwissen ins Erwerbsleben eintreten.

In der Erstausbildung leisten insbesondere unsere rund 50 Professorinnen und Professoren am Swiss Finance Institute (SFI), die nicht nur an den sechs Stiftungsuniversitäten forschen, sondern auch aktiv ihre Expertise an die Studierenden weitergeben, ihren Beitrag zu dieser Entwicklung.

Das SFI beteiligt sich erstmals an der Umfrage über die Berufsaussichten in der Schweizer Finanzbranche. Was versprechen Sie sich davon?

Obwohl wir als Forschungs- und Ausbildungsstätte, die massgeblich von der Schweizer Bankenbranche getragen wird, bereits sehr nahe am Puls der Finanzindustrie stehen, erachten wir die Erkenntnisse aus besagter Studie als wichtigen Indikator, um unsere Aktivitäten im Bereich der Aus- und Weiterbildung auch in Zukunft optimal auf die Bedürfnisse der Studierenden respektive auf die Anforderungen der Finanzinstitute auszurichten.

Wie schätzen Sie die Stärken und Schwächen der Schweizer Finanzbranche ein?

Die grösste Stärke der Schweizer Finanzbranche gründet sicherlich in den Bankmitarbeitenden selber respektive in deren Qualifikation und Expertise – am SFI fassen wir das unter dem Begriff «Knowledge Capital» zusammen.

«Das SFI leistet einen wichtigen Beitrag im Bereich der Grundlagenforschung»

Gleich einer Geldanlage muss dieses Kapital aber aktiv bewirtschaftet werden, damit es gedeiht und wächst. Nur so kann der Schweizer Finanzplatz die anstehenden grossen Herausforderungen bewältigen und seine Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Das SFI leistet hier nebst einem zeitgemässen Weiterbildungsangebot einen wichtigen Beitrag im Bereich der Grundlagenforschung und schafft damit ein tragfähiges Fundament für neue und innovative Lösungsansätze.

Das mag vordergründig wenig spektakulär klingen, am Beispiel der Blockchain-Technologie, die derzeit in aller Munde ist, verdeutlicht sich allerdings die Bedeutung der Forschungstätigkeit: Die wissenschaftlichen Grundlagen der Blockchain-Technolgie wurden nämlich bereits in den frühen 1990er-Jahren entwickelt. Heute, rund 25 Jahre später spricht man in diesem Zusammenhang von einem «Game Changer».

«Das Erfolgsgeheimnis des Schweizer Modells liegt in einer tief verwurzelten Konsens-Kultur»

Als – wenn auch nicht Schweiz-spezifische – Schwäche sehe ich vor allem die zunehmende Komplexität der Finanzindustrie und ihrer Bedürfnisse. Politik und Regulatoren müssen entsprechend ein grosses Verständnis dafür haben, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes als Ganzes auch künftig sicherstellen zu können.

Sind Sie mit der Zusammenarbeit von Privatwirtschaft (Banken, Finanzgesellschaften, Asset Management), Akademia, Politik und Behörden zufrieden?

Das Erfolgsgeheimnis des Schweizer Modells gründet auf einer tief verwurzelten Konsens-Kultur, die auch eine enge Zusammenarbeit aller Finanzplatzakteure begünstigt. Insofern bin ich zuversichtlich, dass unterschiedliche Ansichten und divergierende Interessen im gemeinsamen Dialog gelöst und überbrückt werden – zumindest ist das meine Wahrnehmung.

Was macht Sie zuversichtlich, dass der Schweizer Finanzplatz auch in fünf oder zehn Jahren international zu den führenden Zentren gehört?

Die Schweiz, und damit auch ihr Finanzplatz, sind ein Synonym für Rechtssicherheit, Stabilität und eine ausgeprägte Expertise in der privaten sowie in der institutionellen Vermögensverwaltung. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, sofern es gelingt, die tiefgreifende Transformation der Finanzindustrie in die digitale Zukunft aktiv mitzugestalten und tragfähige Geschäftsmodelle weiter zu entwickeln.

Das SFI unterstützt und begleitet diesen Veränderungsprozess aktiv in den Dimensionen Grundlagenforschung, Ausbildung und Knowhow-Austausch – darauf sind wir stolz.


Markus Bürgi ist Chief Financial and Operating Officer am Swiss Finance Institute (SFI). Er besitzt einen Master-Abschluss in Banking & Finance und promovierte in den Bereichen Bankenregulierung, bedingtes Kapital sowie Informationsökonomie an der Universität Zürich. Bevor er seine aktuelle Funktion am SFI wahrnahm, war er für zahlreiche SFI-Aus- und Weiterbildungsangebote verantwortlich und für eine Schweizer Grossbank in der Fixed-Income-Analyse tätig. Als Mitglied des Parlaments und Präsident der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission der Stadt Adliswil bringt er seine Erfahrung im Finanzbereich auch auf politischer Ebene ein.