Für viele ein Katastrophenjahr, war 2016 tatsächlich eines mit vielen Tief-, aber auch einigen Höhepunkten für den Finanzplatz. Hier sind die acht prägendsten Ereignisse, aus Sicht der finews.ch-Redaktion.
1. Tidjane Thiam, ein CEO im Brennpunkt
Er wird dieses Jahr 2016 nicht ungern zur Vergangenheit zählen: Tidjane Thiam, CEO der Credit Suisse: Immenser Druck lastete auf ihm nach seinen markigen Strategieankündigungen. Abschreiber, Verluste und Milliardenbussen markierten dann aber seinen Weg durch das vergangene Jahr.
Im März gelang es Thiam mehr schlecht als recht, einen Handelsverlust von über 1 Milliarde Dollar auf illiquiden Positionen zu erklären. Gleichzeitig offenbarte er grosse Mühe, eine Revolte unter seinen Investmentbankern zu bändigen. Im Sommer schien Thiam das Tal der Tränen durchschritten zu haben. Die Bank schrieb zwei aufeinanderfolgende Quartale einen kleinen Gewinn, der Aktienkurs stieg wieder an.
Doch das Jahr endete wieder mit einer Milliarden-Ohrfeige. Die CS muss 5,28 Milliarden Dollar Wiedergutmachung bezahlen, weil sie vor der Finanzkrise mit hypothekenbesicherten Anleihen krumme Geschäfte gemacht hatte. Damit wird auch das Jahr 2017 für Thiam kein leichtes werden. Die CS ist wieder tief in die Verlustzone gesunken und muss umso mehr ihr Kapital aufpolstern.
2. Der Selbstmord von Martin Senn
Es war der dritte Selbstmord innert kurzer Zeit eines Schweizer Spitzenmanagers. Ende März erschoss sich der als Zurich-CEO zurückgetretene Martin Senn in seinem Bündner Ferienhaus. Nicht nur die Schweizer Wirtschaftswelt war schockiert. Nachdem sich zwei Jahre zuvor der Zurich-Finanzchef Pierre Wauthier sowie der Swisscom-CEO Carsten Schloter das Leben genommen hatten.
Die Taten hatten jeweils völlig unterschiedliche Hintergründe. Senns Tod hing wohl eng mit seinem unrühmlichen Ausscheiden bei der Zurich zusammen. Beim Versicherungskonzern hatte Senn seine Karriere mit dem CEO-Posten gekrönt. Doch das Jahr 2015 wurde verhängnisvoll: Eine gescheiterte Übernahme, ein hoher Quartalsverlust und verärgerte Investoren waren zu viel. Senn wurde zum Rücktritt gedrängt.
Wäre Senn dies in den USA passiert, wäre dies bloss eine Episode in seiner Karriere gewesen, der zu seiner Lernkurve beigetragen hätte. In der behäbigen und risikoaversen Schweiz bedeutet es hingegen: Senn war gescheitert, ein gefallener Manager, dem es fortan persönlich unmöglich schien, wieder Boden unter den Füssen zu finden.
3. Bye bye BSI
Die Schweizer und Singapurer Finanzaufsichtsbehörden Finma und MAS straften unerbittlich: Der traditionsreichen und 143 Jahre alten Tessiner Privatbank BSI entzogen die Singapurer die Banklizenz. In der Schweiz darf die Bank nicht mehr operieren – ihre sämtlichen Aktivitäten werden von der EFG International übernommen und integriert.
Die BSI ein Dreh- und Angelpunkt in der internationalen Geldwäscherei- und Korruptionsaffäre um den malaysischen Staatsfonds 1MDB, hatte grundlegende Regeln vernachlässigt und in der Kontrolle über die Herkunft von Kundengeldern mehrfach versagt.
Die BSI ist nicht die einzige Schweizer Bank im 1MDB-Sumpf. Auch der Falcon Private Bank entzogen die Singapurer die Lizenz, die UBS wurde sanktioniert. Der 1MDB-Skandal ist bei weitem noch nicht aufgearbeitet, und die Folgen eines Reputationsschadens für das Schweizer Banking sind noch nicht absehbar.
4. Vontobel: Eine Bankiers-Dynastie im Wandel
Anfang 2016 verstarb im biblischen Alter von 99 Jahren einer der letzten Doyens des Schweizer Bankwesens: Hans Vontobel. Kaum war dies bekannt, häuften sich bereits die Spekulationen über die Zukunft des Bankhauses. Besserwisser sahen bereits eine Veräusserung des Unternehmens an die Konkurrenz.
Doch genau das Gegenteil trat ein: Die zur Vontobel-Dynastie gehörenden Familien bekräftigten ihr Engagement für die Bank, indem sie 2016 den Aktionärsbindungs-Vertrag verlängerten; mit Maja Baumann und Björn Wettergren (Bild oben) nahmen auch zwei jüngere Familienmitglieder Einsitz im Verwaltungsrat.
Nicht viele kotierte Schweizer Finanzinstitute verfügen über ein stabileres Aktionariat als Vontobel. Unter der besonnenen Führung von CEO Zeno Staub navigiert die Bank in diesen Zeiten des Wandels auch operativ eher als Konsolidiererin denn als Konsolidierte.
5. Jürg Zeltners unbequeme Wahrheiten
Die UBS nimmt im Schweizer Banking gerne die Rolle der Vorreiterin ein – als grösste Vermögensverwalterin der Welt steht ihr dies auch zu. Auch 2016 setzte sie quasi als erstes Institut einen Trend. Oder viel mehr: Jürg Zeltner, President Wealth Management, brachte eine unbequeme Wahrheit ans Licht: die neue Realität im Private Banking.
Und diese lautet: Die Akquisition von Kundengelder führt nicht automatisch zu höheren Erträgen. Im Gegenteil, die Geldverwaltung von Kunden führt im Zeitalter von Negativzinsen und grösster Risikoaversion sogar zu höheren Kosten. Inzwischen räumt jedes Finanzinstitut ein, dass es unter der Passivität der Kundschaft leidet.
Zeltners Einsicht geht aber weiter: «Wir müssen kleinere Brötchen backen», kündigte er an, nachdem Grösse und Wachstum im Private Banking bislang die «heilige Kuh» gewesen waren. Zeltner hat die Kuh geschlachtet. Wenn die UBS kleinere Brötchen backen muss, dann betrifft dies das gesamte Swiss Private Banking.
6. Der Brexit und Auftritt Herbert Scheidt
Diese Abstimmung liess die Anlagemärkte beben: Grossbritannien, eine der bedeutendsten Volkswirtschaften der Welt, hat im sogenannten Brexit entschieden, aus der EU auszutreten. Während die Mechanik des effektiven Austritts noch nicht ganz geklärt ist, bereitet sich London auf das Schlimmste vor. Die «City», neben New York die wichtigste Finanzmetropole der Welt, ist stark mit der EU verbandelt.
Die plötzliche drohende Isolation Londons sehen Finanzpolitiker in der Schweiz als Chance, steht das Land doch seit Jahren bezüglich Forderungen für einen EU-Marktzugang für Finanzinstitute im Abseits. Lobbyisten machten sich ans Werk und schlugen eine Allianz der vier Aussenseiter vor (F4): Schweiz, London, Hongkong und Singapur.
Für den neu gewählten Präsidenten der Schweizerischen Bankiervereinigung, Herbert Scheidt, wartet somit eine anspruchsvolle Aufgabe. Er soll den zerstrittenen heimischen Bankenplatz wieder einen und eine Strategie ausarbeiten, welche die Schweiz in eine internationale Allianz einbringt und ihre Relevanz bewahrt.
7. Die Schweiz hat eine Fintech-Regulierung
Sie war die beliebteste Zielscheibe der jungen und aufstrebenden Schweizer Fintech-Szene: Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma. Und nicht nur Fintechs sahen sich lange durch die hohen regulatorischen Hürden und die angebliche Technologiefeindlichkeit der Finma benachteiligt.
Auch aus Banken wurde Kritik laut, die Schweiz hinke bezüglich Online- und Video-Onboarding dem Ausland hinterher und drohe deswegen ganze Kundensegmente zu verlieren. Im Jahr 2016 hat sich die Finma bewegt. Nachdem Direktor Mark Branson das Thema zur Chefsache erklärt hatte, ging es schnell.
Im März erlaubte die Finma das Kundenidentifikations-Verfahren über digitale Kanäle, ein wegweisender Entscheid, bauen doch zahlreiche Fintechs ihre Geschäftsidee um das Online-Onboarding auf. In einem zweiten Schritt kündigte die Finma an, eine neue Bewilligungskategorie für Fintech-Unternehmen zu schaffen sowie ein bewilligungsfreies Entwicklungsfeld, in der Branche liebevoll «Sandbox» also Sandkasten genannt.
Damit wird zahlreichen Startups der Markteintritt erheblich erleichtert. Die Finma hat 2016 dazu beigetragen, dass sich der Schweizer Fintech-Standort weiter entwickeln konnte.
8. Die Wahl Donald Trumps
Im Wahlkampf versprach Donald Trump der Finanzelite das Handwerk zu legen, und er warf seiner Rivalin Hillary Clinton vor, von Goldman Sachs kontrolliert zu sein. Inzwischen hat der angehende US-Präsident wichtige Posten mit ehemaligen Goldmännern besetzt.
So wird Steve Mnuchin, Hedgefonds-Manager und viele Jahre Partner bei Goldman Sachs, Finanzminister. Weiter ist Gary Cohn als Präsident des nationalen Wirtschaftsrats vorgesehen. Er arbeitete bis vor kurzem ebenso für die mächtige US-Investmentbank wie Stephen Bannon, Trumps Chefstratege in spe im Weissen Haus.
Die Besetzung von Schlüsselposten im Kabinett mit prominenten Wall-Street-Veteranen und Trumps Kampf gegen weniger Regulierung, für Steuersenkungen und mehr Investitionen in die Infrastruktur macht den künftigen US-Präsidenten für die Banken zum Hoffnungsträger.