Die Schweizer Fintech-Szene mag rührig sein. Aber es fehlt ihr immer noch an grossen Inkubatoren. finews.ch nennt jetzt die Kandidaten und «Locations».
Mochte die Schweizer Fintech-Szene dieser Tage von einer Zusammenkunft zur nächsten pilgern, so fehlt ihr doch weiterhin Entscheidendes: Ein Zentrum, wo findige Start-up-Unternehmer, Forschung und angestammte Finanzunternehmen aufeinandertreffen.
Während es der Fintech-Hochburg London relativ schnell gelang, selbst wichtige Schweizer Player wie die UBS in ihre Inkubatoren zu holen, steht der Schweizer Finanzplatz diesbezüglich nackt da. Entsprechend muss sich die aufstrebende Fintech-Branche mit behelfsmässigen Treffpunkten zufriedengeben.
Über den Geleisen
In Zürich ist dies unter anderem die Time Lounge (Bild oben) just über den Geleisen des Zürcher Hauptbahnhofs. Die unmittelbare Nähe zum öffentlichen Verkehr wie zum Bankenplatz habe die Bar seit ihrer Eröffnung zu einem beliebten Stelldichein für die Szene werden lassen, berichten Akteure.
Die Ledersessel mögen dort zwar gemütlich sein. Dennoch ist die Lounge meilenweit von Inkubatoren wie dem Londoner Level 39 entfernt, wo sich Banker, Entrepreneure, Forscher und Investoren auf Hunderten Quadratmetern Fläche tummeln.
Ein klares Manko, findet Thomas Puschmann. Der Wissenschafter am Business Engineering Institute der Universität St. Gallen (HSG) ist mit den Vorarbeiten zum Aufbau eines Fintech-Laboratoriums – dem «Swiss Fintech Innovation Lab» – mandatiert.
Weisser Fleck auf der Fintech-Weltkarte
Puschmann kann dabei auf einige Unterstützung zählen: Hinter der Initiative stehen neben der Zürcher Standortförderung, der ETH und der Universität Zürich auch so nahmhafte Finanzplayer wie die UBS, die Credit Suisse und die Börsenbetreiberin SIX, wie finews.ch kürzlich berichtete.
«Es ist klar, dass die Zusammenarbeit zwischen Finanzbranche, Start-ups und Forschung Raum braucht, und dass eine Initiative wie das Swiss FinTech Innovation Lab geeignet wäre, der Fintech-Branche in der Schweiz Visibilität zu verleihen», so Puschmann.
Es brauche Massnahmen, dass die Schweiz endlich auf der Fintech-Weltkarte erscheine, fordert der Koordinator der Initiative.
Lieber Forschung statt Kommerz
Dabei ist für den Wissenschafter das Wie wichtiger als das Wo. Insbesondere sieht er Chancen für die Schweizer Szene, wenn sie sich eng mit der Forschung verzahnen würde. Fintech-Initiativen wie jene in London zielten vor allem auf die Kommerzialisierung von Lösungen und vernachlässigten die Integration der Forschung, gibt Puschmann zu bedenken.
«Die Schweiz könnte sich durch eine solche Integration der Innovationswertschöpfungskette differenzieren, indem sie erstmals im Fintech-Bereich die Vernetzung mit den Hochschulen institutionalisiert», so Puschmann.
Gleichzeitig gibt der Wissenschafter zu, dass Massnahmen zur Förderung von Fintech-Themen ohne festen Standort wohl zum Rohrkrepierer würden.
Destination Dübendorf
Kommenden Juni soll nun im Rahmen der Arbeitsgruppe zum Fintech-Labor diesbezüglich ein «Richtungsentscheid gefällt werden, wie Insider berichten. Und dabei hat vor allem ein Standort gute Karten: Die Zürcher Vorortsgemeinde Dübendorf.
Auf dem Areal des alten Militärflughafens soll dort dereinst der «Swiss Innovation Park» zu stehen kommen. Und der würde Platz genug bieten, um auch noch ein Fintech-Labor zu beherbergen. Finanzunternehmen wie die UBS, die Credit Suisse oder die Zurich gehören zudem bereits zu den Gönnern des Innovationsparks.
Entsprechend erklärte die UBS schon letzten Februar, dass sie den Swiss Innovation Park (Bild unten) für eine ideale Plattform halte, um die weltweit besten Fintech-Startups anzuziehen und in einem Labor zu vereinen.
Mit dem Segen des Kantons
Zudem hätte das Projekt damit den Segen des Kantons. «Der Aufbau eines Fintech-Clusters in Dübendorf wird besonders von der kantonalen Politik befürwortet, weil damit der geplante Innovationspark zusätzliches Momentum bekäme», erklärt Puschmann.
Doch wie Kenner der Initiative berichten, sind die Banken als wichtige Partner in erster Linie an der Entwicklung neuer Lösungen interessiert – und weniger am Aufbau teurer Infrastruktur. Deshalb könnten sie sich für einen Standort entscheiden, wo sie bereits vor Ort sind: In Zürich wird besonders das brandneue Viertel Europaallee (Bild unten) als Alternative zu Dübendorf genannt.
Nicht von ungefähr. Beide Grossbanken unterhalten dort grossflächige Büros. Zudem wäre der Standort verkehrstechnisch bestens erschlossen und in nächster Nähe zur ETH und der Universität Zürich gelegen. Für das Fintech-Labor könnten «theoretisch» auch andere Standorte wie eben die Europaallee in Frage kommen, räumt der Projektverantwortliche Puschmann ein.
Startschuss in Genf gefallen
Während es in Zürich also zu einem Gerangel vor den Startlöcher kommen könnte, hat sich der Finanzplatz Genf bereits ins Rennen geworfen. Schon im vergangenen Februar wurde dort der Startschuss zum Aufbau von «Fusion» (Bild unten) gegeben – der ersten Schweizer «Fintech Factory», wie das Projekt vollmundig angekündigt wurde.
Hinter Fusion steht die Wagniskapitalgeberin Polytech Ventures mit Sitz in Lausanne und Niederlassung im kalifornischen Tech-Mekka Silicon Valley. Zu den strategischen Partnern zählt zudem der börsenkotierte Schweizer Banken-Software-Produzent Temenos.
Reiches Erbe nutzen
Zu den erklärten Zielen von Fusion gehört es demnach, das «reiche Erbe» des Swiss Banking für den Aufbau einer dynamischen Fintech-Branche zu nutzen – und damit den Schweizer Finanzplatz zu stärken.
Auch wenn letzteres Ziel noch nicht in Griffweite ist: Bezüglich Inkubatoren dürften die Schweizer Fintech-Firmen bald die Qual der Wahl haben.