Wer nach dem Swissair-Grounding glaubte, das McKinsey-Netzwerk sei geschwächt, muss umdenken: Die Berater holen sich wieder Top-Positionen in der Finanzwelt.
Es ist wieder soweit: Wieder einmal kommt ein McKinsey-Mann an die Spitze einer Grossbank. Es ist James Gorman (links), der nächsten Januar John Mack als Konzernchef von Morgan Stanley ablösen soll.
Gorman, 50, war erst vor rund drei Jahren zur New Yorker Bank gestossen – zuvor hatte er unter anderem als Senior Partner und Finanzmarkt-Spezialist für McKinsey gearbeitet.
Bei Morgan Stanley lieferte der Australier danach just das, was von einem Spezialisten der legendären Beratungsfirma zu erwarten war: Er schuf sich einen Ruf als effizienter Kosten- und Organisations-Optimierer.
Kurz: James Gorman bringt Qualitäten mit, die in der aktuellen Lage der Finanzindustrie sehr gefragt sind – McKinsey-Qualitäten eben.
«Ich denke, dass Leute wir er als Bank-Chief-Executives nach der Finanzkrise häufiger auftauchen werden», sagte denn auch ein McKinsey-Berater nach Gormans Ernennung gegenüber der Branchenzeitung «Financial News».
In Schlüsselpositionen präsent
In der Schweiz mochte man nach dem Swissair-Grounding und den Debatten um das Versagen des Wirtschaftsfilzes den Eindruck erhalten, dass McKinsey an Wert, Image und Einfluss verloren habe. In der internationalen Finanzwelt jedoch waren die Spitzenleute aus dem Beratungs-Netzwerk stets ebenso präsent wie unumstritten – und in der Finanzkrise managten sie an Schlüsselpositionen kräftig mit.
Zu nennen wären etwa: Stephen Green, der Konzernchef von HSBC; Lord Adair Turner, der Präsident der britischen Börsenaufsicht FSA; Rajat Gupta, Konzernleitungsmitglied von Goldman Sachs; Peter Sands, CEO von Standard Chartered; Chuck Farr, Vizepräsident von American Express; oder auch Diana Farrell, Beraterin von Barack Obama und Vizepräsidentin von dessen Nationalem Wirtschaftsrat.
Gefragtes Know-how
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich zudem: Auch in der Schweiz spült die Krise ehemalige McKinsey-Berater wieder nach oben. So stiess der frühere McKinsey- und Credit-Suisse-Mann Ulrich Körner im Zuge der Reorganisation bei der UBS eine entscheidende Top-Position vor. Als Chief Operating Officer zählt er zu den wichtigsten Personen in der Entourage von Konzernchef Oswald J. Grübel, welche die Grossbank wieder auf Erfolgskurs bringen sollen. Kostenkontrolle und Change-Management – das sind zwei Bereiche, in denen Körner sehr viel Know-how mitbringt.
...und eine Frau
Körner selber hat unlängst Vesna Nevistic von Goldman Sachs geholt. Sie wird Head of Corporporate Development bei der Zürcher Grossbank. Vor ihrer Zeit bei Goldman Sachs war sie bis 2006 Partnerin bei McKinsey. Vesna Nevistic wird unter COO Ulrich Körner verantwortlich für die Strategieentwicklung, Mergers & Acquisitions und für die Erarbeitung von Kostenstraffungs-Massnahmen.
Auch bei der Credit Suisse ist ein ehemaliger Mc-Kinsey-Mann Chief Operating Officer – allerdings im Private Banking. Direkt unter Walter Berchtold nimmt Christoph Brunner eine enorm wichtig Funktion wahr und leistet seinen Job – so interne Quellen – mit Bravour.
Comeback von Peter Wuffli
Aber auch der frühere UBS-Konzernchef Peter Wuffli – ebenfalls ein langjähriger McKinsey-Mann– hat in der Finanzwelt wieder Fuss gefasst und amtiert als Verwaltungsrat der Zuger Vermögensverwalterin Partners Group. Zu den Teilhabern gehört dort unter anderem Marcel Erni – auch er ein früherer McKinsey-Stratege.
Als potenzieller CEO der Bank Vontobel – anstelle von Herbert J. Scheidt– wird immer mal wieder auch Zeno Staub genannt. Der aktuelle Finanzchef der Zürcher Traditionsbank kommt ebenfalls von McKinsey und hätte durchaus die Kompetenz, das Institut neu auszurichten.
Sichere Werte im Versicherungswesen
Und auch bei anderen Privatbanken sind es ehemalige McKinsey-Leute, die Akzente setzen, so Rémy Best als Teilhaber bei der Genfer Privatbank Pictet. Oder so Gratian Anda als Verwaltungsratspräsident und Geschäftsleiter der Familienholding IHAG, zu der auch das gleichnamige Finanzinstitut gehört.
Last but not least hat unlängst auch im Versicherungssektor, nämlich bei der Swiss Life, ein ehemaliger Mc-Kinsey-Mann das Zepter übernommen: Bruno Pfister löste im letzten Mai Rolf Dörig als Konzernchef ab.
Ebenfalls im Assekuranzbereich ist Mario Greco tätig. Er ist seit April 2008 als CEO im Bereich Global Life bei der Zurich Financial Services tätig. Von 1986 bis 1994 arbeitete der gebürtige Italiener im Mailänder Büro von McKinsey.
Alles in allem zeigt sich, dass das Know-how aus der amerikanischen Talentschmiede immer noch zählt, mehr noch: Die strikten Qualitäten der ehemaligen Berater sind wohl gerade in der Stunde Null der Finanzwelt gefragter denn je.