Heute Montag reicht das Initiativkomitee die Unterschriften gegen die «Spekulation mit Nahrungsmitteln» bei der Bundeskanzlei ein. Doch das Totschlagen von Geschäftsaktivitäten mit der Moralkeule helfe niemandem, findet Martin Hess von der Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Der Schuss ist gefallen: Die Initiative, die jegliche Finanzinvestitionen in Nahrungsmittel verbieten will, wird bei der Bundeskanzlei deponiert. Das Anliegen ist nutzlos, aber nicht nur. Wann immer eine so genannte «loose cannon» ins Feld geschoben wird, dürften auch Kollateralschäden nicht zu vermeiden sein. Ist das Ziel der Initianten die Bekämpfung des Hungers, dann mache ich mit. Ich habe Jahre in unterentwickelten Regionen gelebt und die Versorgungsprobleme aus nächster Nähe gesehen. Eine Schande.
Hehre Absichten
Knappe Ressourcen müssen jedoch zielgerichtet eingesetzt und nicht in politischem Aktivismus in den Sand gesetzt werden. Das Setzen symbolischer Zeichen an der Urne kann erfahrungsgemäss ins Auge gehen.
Ist es das Ziel, das Verständnis über das Finanzgeschäft zu fördern, dann sind wir auch dabei. Die Bankbranche ist im Zeitalter der Transparenz angekommen. Sie ist in der Pflicht, zu erklären, was sie tut, und wieso sie es tut. Und zwar proaktiv und im Dialog mit der interessierten Öffentlichkeit.
An der Realität vorbeigezielt
Dem Initiativkomitee möchte ich den guten Willen nicht absprechen. Aber das ziellose Totschlagen von Geschäftsaktivitäten mit der Moralkeule hilft niemandem. Für eine Ursachenbekämpfung bedarf es fundierter Fakten.
Zur zentralen Frage, ob Finanzinstrumente die Preisbildung auf den Rohstoffmärkten negativ beeinflussen, hat die Wissenschaft bislang keine schlüssigen Antworten geliefert. Eindeutig belegt sind einzig kurzfristig erhöhte Preisschwankungen durch physisch hinterlegte ETFs bei kleineren Rohstoffmärkten.
Diese Fonds nehmen Rohstoffe vom Markt, welche danach nicht mehr als Angebot zur Verfügung stehen. Dass solche Ereignisse jedoch bedeutend genug wären, um sich von internationalen Börsen auf lokale Märkte in armen Ländern zu übertragen und so zu Unterernährung führen, ist unwahrscheinlich und wurde nie nachgewiesen.
Unötig und untauglich...
Die Initiative ist aber nicht nur unnötig, sondern auch untauglich. Die in der Schweiz via Finanzinvestitionen in Nahrungsmitteln angelegten Gelder betragen einen minimen Bruchteil des Handelsvolumens an einem Tag an den internationalen Börsen. Sie sind somit irrelevant für die Preisbildung von Nahrungsmitteln.
...aber schädlich
Das Hornberger Schiessen der Initianten gefährdet aber die volkswirtschaftlichen Vorteile von Rohstoffinvestitionen. Diese bieten einen wirksamen Schutz gegen Inflation und eine Senkung des Portefeuillerisikos. Deshalb sind sie namentlich für Pensionskassen attraktiv. Produzenten und Verarbeiter ihrerseits profitieren von Investitionen durch die Zuführung von Liquidität.
Dies sind Voraussetzungen für kostengünstigen Handel, faire Preise und effiziente Risikoabsicherung. All dies würde durch einschneidende Verbote aufs Spiel gesetzt, ohne das Kernproblem des Hungers auch nur im Geringsten gelindert wäre.
Wirksame Massnahmen existieren
Es gibt durchaus Mittel, um Preisübertreibungen zu verhindern. Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln kann durch Effizienzsteigerungen und verbesserte Infrastruktur in der Produktion verbessert werden. Spekulation kann durch Transparenzmassnahmen vorgebeugt werden. Die weltweite Verfügbarkeit von Daten zu Lagerbestand, Produktionserwartungen und Erntesituation würde der Gerüchteküche den Strom abdrehen.
Zur Minderung kurzfristiger Fluktuationen dienen beste Praktiken im Asset Management für den Handel in illiquiden Märkten ebenso wie strategische Nahrungsmittel-Lager. Hätten die Jungsozialisten (Juso) vor ihrem Schuss gezielt, dürften sie für sich tatsächlich in Anspruch nehmen, zur Problemlösung beizutragen.
So ist die Initiative aber nicht mehr wert als eine Ladung Schrot.