Mit den jüngsten Veränderungen in der Konzernleitung geht die UBS neue Wege, um mittelfristig einen Nachfolger für ihren CEO Sergio Ermotti zu finden, wie eine Analyse von finews.ch zeigt.

Mit ihrer Ankündigung vom vergangenen Donnerstag, ihre Konzernleitung tiefgreifend zu verändern, hat die UBS gleich mehrere Vorkehrungen getroffen: Erstens hat sie mit der Beförderung von Iqbal Khan und Rob Karofsky zwei Kronfavoriten auserkoren und so die gröbsten Spekulationen im Findungsprozess mit einem Schlag aus der Welt geschaffen.

Zweitens wissen wir nun, dass der nächste CEO mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit aus den eigenen Reihen kommen wird; und sich, drittens, der Weg zur Konzernspitze im Wettbewerb zwischen den beiden Hauptanwärtern entscheiden wird. Viertens verschafft sich die UBS mit ihrer eingeschlagenen Nachfolge-Strategie Klarheit darüber, wer als CEO tatsächlich «einsetzbar» ist.

Einsetzbarkeit beweisen

Denn beide Kronfavoriten haben noch nie eine Bank geleitet – oder anders formuliert: Sie müssen ihre «Einsetzbarkeit» noch unter Beweis stellen. Khan und Karofsky haben beim jüngsten Revirement genau jene zusätzlichen Verantwortlichkeiten erhalten, mit denen sie zeigen können, dass sie dem Anforderungsprofil des CEOs einer globalen Bank gerecht werden. Entsprechend greift es zu kurz, die jüngsten Beförderungen als Auf- oder Abstieg in der jeweiligen Karriereleiter deuten zu wollen.

Rein quantitativ hat Karofsky als neuer Co-Chef der Vermögensverwaltung (Global Wealth Management, GWM) sowie als Hauptverantwortlicher für das sehr wichtige Amerika-Geschäft eine imposante Machtfülle erhalten. In dieser Funktion kann er sich, sofern nichts schiefläuft, in einigen Jahren durchaus als CEO empfehlen.

Wo die Musik spielt

Khans neue Rolle, auch als Co-Chef der GWM-Sparte und zusätzlich als Hauptverantwortlicher für die aufstrebende Marktregion Asien-Pazifik (Apac) ist indessen auch nicht zu unterschätzen. Dass er für diese Rolle gleich mit seiner Familie nach Singapur umzieht, ist weniger als «Abschiebung» oder gar «Degradierung» zu sehen, sondern eher als Bekenntnis, dort zu arbeiten, wo die Musik in der Finanzwelt heute spielt. Da, wo sie am stärksten wächst und sich gleichzeitig am innovativsten zeigt. Sämtliche Megatrends, die das Banking in den nächsten zehn Jahren prägen werden, sind nirgendwo anders auf Welt bereits so weit entwickelt wie in Asien.

Gemeint sind damit etwa de Digitalisierung und Fintech, inklusive Blockchain, Kryptowährungen, kurzum Decentralized Finance (DeFi); der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen, etwa in der Betrugserkennung, in der Cybersecurity oder in der Kundenansprache. Aber auch Themen wie Nachhaltigkeit, Klimarisiko-Management und finanzielle Inklusion geniessen in Asien bereits einen enorm hohen Stellenwert. Und Plattformen, Open Banking sowie Omni-Channel-Strategien zur Steigerung des Kundenerlebnisses (user experience) sind in Asiens Bankenwelt wichtige Effizienztreiber.

Unbeschriebenes Blatt

Alles in allem kann sich Khan einen äusserst vielfältigen Anschauungsunterricht verschaffen, der sein Karriere-Profil massiv aufwertet. Neben der Themenfülle wird er in einer – im Gegensatz zu den USA – extrem heterogenen Region tätig sein, was ihm beste Möglichkeiten bietet, sein Know-how insbesondere für die Gesamtsteuerung der Bank ausbauen, also in Bereichen wie Bilanz- respektive Finanzmanagement, Treasury, Compliance auf oberster Stufe oder Corporate Governance und Stakeholder-Management; alles zentral für den CEO-Posten.

Zugegeben, Khan ist ein noch eher unbeschriebenes Blatt in weiten Teilen der Aussenwahrnehmung. Man weiss bestenfalls von seiner früheren Tätigkeit als Treuhänder, später als Unternehmensberater im Banking sowie von seiner steilen Karriere im Schosse der Credit Suisse (CS), bevor er 2019 spektakulär die Seite wechselte und bei der Erzrivalin UBS anheuerte.

Nachbarschaftsstreit führt zum «Spygate»

Khan gilt als brillanter Netzwerker und eloquenter Verkäufer und Motivator. Doch darüber hinaus ist in der Öffentlichkeit wenig über ihn bekannt, ausser dass er sich mit seinem früheren Vorgesetzten Tidjane Thiam einen wüsten Nachbarschaftsstreit geliefert hat, der schliesslich als «Spygate» in die Annalen der CS-Geschichte eingegangenen ist.

Mag sein, dass gerade dieses höchst einseitige, unvollständige Bild Khans seinen Neidern und Kritiker in die Hände spielt, wenn es heisst, er werde nach Asien abgeschoben. Darum muss, sofern er weiter auf das CEO-Amt aspiriert, seine Person mehr Konturen erhalten, sprich: in seiner Manager-Rolle mehr Persönlichkeit durchschimmern; so, wie das bei Sergio Ermotti der Fall ist. Der Umzug nach Asien könnte ihm dabei zugutekommen, wie einige Beispiele zeigen.

Asien als Sprungbrett

August Hatecke etwa, in seiner mehr als 30-jährige Karriere sowohl bei der UBS und der Credit Suisse (CS) tätig, wechselte 2016 von der Schweiz nach Singapur, wo er eine steile Karriere bis hinauf zum Co-Chef der gesamten Vermögensverwaltung im asiatisch-pazifischen Raum machte.

Seit bald einem Jahr zurück in der Schweiz, leitet er bei der «neuen» UBS das wichtige Wealth Management in der Schweiz sowie das globale Geschäft mit Finanzintermediären. Die Asien-Praxis erwies sich als Sprungbrett.

Benjamin Cavalli wiederum, wechselte zunächst für die UBS nach Asien, heuerte später bei der CS an, wo er es bis zum Hauptverantwortlichen für die Vermögensverwaltung im asiatisch-pazifischen Raum brachte. Im vergangenen Jahr dann der Wechsel zurück zur UBS, wo er heute der ranghöchste, ehemalige CS-Banker ist, dem das Geschäft mit den sogenannten Strategic Clients anvertraut worden ist, und zwar global.

Dabei handelt es sich um die allerbesten privaten Kundinnen und Kunden der Grossbank. Dank seinem Leistungsausweis in Asien gelang es auch ihm, seine «Einsetzbarkeit» unter Beweis zu stellen.

Einsatz in Chicago

Ein Auslandseinsatz selbst auf höchster Stufe ist bei der UBS nichts Neues. So wechselte beispielsweise Peter Wuffli 1999 als Chef im Asset Management nach Chicago, um die Abflüsse an US-Kundengeldern nach der Fusion zwischen der Schweizerischen Bankgesellschaft und dem Schweizerischen Bankverein zu stoppen.

Das gelang ihm offensichtlich mit Erfolg, denn vier Jahre später wurde er zum CEO der UBS ernannt. Auch er hatte seine «Einsetzbarkeit» unter Beweis gestellt.

Wie bei Morgan Stanley

Die Nachfolgefrage an der Spitze der UBS trägt diesmal die Handschrift von Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher. Er hat sie bereits vor geraumer Zeit zum Thema gemacht. Die Gefahr, dass Sergio Ermotti, deswegen zur «lame duck» respektive zur «lahmen Ente» als CEO mutieren könnte, weil sich alles bloss noch um seinen potenziellen Nachfolger dreht, ist unbegründet.

Bei Morgan Stanley, wo Kelleher 30 Jahre arbeitete, verlief der CEO-Nachfolgeprozess problemlos über mehrere Jahre, allerdings ohne, dass Kelleher dabei zum obersten operativen Chef (CEO) gekürt wurde.