Das vielgepriesene Swiss Banking verblasst zunehmend, wenn es selbst den innovativsten Schweizer Geldhäusern nicht mehr gelingt, ihren Kundinnen und Kunden zufriedenstellende Investmentrenditen zu bieten.
Erstmals präsentierte vergangene Woche die UBS einen Jahresabschluss, der auch die Credit Suisse (CS) integrierte. Gleichzeitig legte eine ganze Reihe von Finanzinstituten ihre Zahlen für 2023 vor. Während etwa die beiden grössten Kantonalbanken, aus Zürich und der Waadt, Rekordergebnisse auswiesen, enttäuschten einige Akteure, die bislang als innovativ galten, wie das Investmenthaus Vontobel oder die Derivate-Boutique Leonteq – vom Abschneiden der Bank Julius Bär nach dem Signa-Debakel ganz zu schweigen.
Hier also die behäbigen Staats- und Regionalinstitute mit Erfolg, und dort jene Geldhäuser, die das vielgerühmte Swiss Banking in der Welt repräsentieren, nun sozusagen unterwegs auf der Via Dolorosa. Besorgniserregend ist dies insofern, da sich damit zeigt, dass die Anlage-Kompetenz dieser Finanzinstitute sehr bescheiden ist.
Nur noch Sparen
Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Vontobel, ein Unternehmen, das sich seit einigen Jahr nicht mehr als Bank, sondern als Investmenthaus bezeichnet, aber im Asset Management seit langem den Erwartungen nicht gerecht wird. Selbst die Schweizer Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» diagnostizierte vergangene Woche: «Vontobel hilft nur noch Sparen» – mit anderen Worten: Vorwärts kommt Vontobel bloss noch mit defensiven Massnahmen.
Leonteq wiederum musste einen massiven Ergebniseinbruch melden, nachdem das Unternehmen im vergangenen Dezember bereits zum dritten Mal in Folge eine Gewinnwarnung hatte aussprechen müssen. Und last but not least hat die Bank Julius Bär, die sich bislang als pure Private-Banking-Akteurin definierte, mit ihren Krediten an den österreichischen Unternehmer René Benko und dessen Signa-Imperium kein goldenes Händchen in Sachen Eigenverantwortung bewiesen.
Kurzum: Wenn das vielgerühmte Swiss Banking je mit Anlage-Kompetenz brilliert hat, dann war davon in jüngster Zeit wenig zu spüren. Selbst die UBS – wenn man einmal vom Informations-Overkill zur CS-Integration absieht – verharrte in ihrem Kerngeschäft, dem Wealth Management für vermögende Privatkunden und Familien, im vergangenen Jahr unter den Erwartungen. Extrem hohe Kosten sowie der Umstand, dass die grösste Schweizer Bank in den USA halt doch nur ein vergleichsweise kleiner Player ist, haben zu diesem Ergebnis geführt, das Andreas Venditti, Finanzanalyst bei Vontobel, als schlicht «enttäuschend» bezeichnete.
Zweite Geige
Dass das Swiss Banking, gerade was die Investment-Expertise anbelangt, dermassen enttäuscht, hat verschiedene Gründe: Erstens ist die Bedeutung der Technologie beim Anlegen in den vergangenen Jahren rapide gewachsen, was wenig mit den Qualitäten der Schweiz zu tun hat. Zweitens verstärkt Künstliche Intelligenz (KI) diesen Effekt weiter. Drittens sind Kunden heute besser informiert und suchen mehr nach Anlagemöglichkeiten ausserhalb der traditionellen Märkte, etwa im Private-Equity-Geschäft oder über Club Deals, Immobilien und anderen alternativen Anlagen.
Banken spielen bei vielen solcher Investments die zweite Geige. Reiche Kundinnen und Kunden geben spezialisierten Instituten da den Vorzug. Viertens fliessen immer mehr Gelder in digitale Vermögenswerte ausserhalb des angestammten Finanzsystems. Und fünftens üben spezialisierte Online-Anbieter einen enormen Margendruck aus, was die Erträge der Banken spürbar verringert.
Unter dem Strich
Unter diesen Prämissen wird es für Banken, die sich weder auf das konventionelle Zinsdifferenzgeschäft sowie auf klassische Vermögensberatung oder auf reines Online-Banking fokussieren, immer schwieriger, mit dem Etikett «Swiss Banking» zu punkten. Denn in einer zunehmend technologisierten und durchwegs globalisierten Welt voller Künstlicher Intelligenz hat das Swiss Banking in seiner ursprünglichen Ausgestaltung keinerlei Relevanz mehr. Reputationskrisen, wie sie die Credit Suisse und Julius Bär in den vergangenen zwölf Monaten geliefert haben, tragen weiter dazu bei, dass das wenige Werthaltige, das in dem Gütesiegel mitschwingt, zunichte gemacht wird.
So bleibt unter dem Strich wenig bis gar nichts, was das urschweizerische Savoir-faire im Umgang mit Geld noch auszeichnet. Vielleicht wäre es inzwischen angebracht, eine Bestandesaufnahme zu machen, was Swiss Banking eigentlich noch bedeutet, oder mit welchen Qualitäten diese Marke ausgestaltet werden könnten, um langfristig Erfolg zu haben. Damit sollten sich letztlich alle Instanzen befassen, denen noch etwas an der Schweizer Bankbranche liegt.