Das mutmassliche Signa-Engagement von Julius Bär ist nicht existenzbedrohend, und es gibt auch keine neuen schlechten Nachrichten. Dennoch steht die Privatbank an der Börse erneut unter Druck – und ist laut Beobachtern in eine Zwickmühle geraten.
Der Börsenwert von Julius Bär fällt und fällt. Zum Wochenauftakt zählten die Titel der Privatbank zu den Tagesverlierern am Schweizer SLI Index. Am (heutigen) Dienstag lagen der Kurs zur Börseneröffnung erneut im Minus.
Der Abwärtsdruck erstaunt, wo doch mittlerweile seit mehr als einer Woche keine schlechten Neuigkeiten mehr vorliegen.
Alles im Kurs drin – eigentlich
Zuletzt hatte das Zürcher Traditionshaus Ende November vermeldet, dass es auf einem Einzelengangement von 606 Millionen Franken gegenüber einem «europäischen Konglomerat» Rückstellungen von 70 Millionen Franken vorgenommen hatte. Am Markt gilt es als ausgemacht, dass es sich bei den Gläubigern des Darlehens um Firmen aus der Signa-Gruppe des österreichischen Investors René Benko handelt.
Dessen Gesellschaften gehen nun nach und nach in die Insolvenz.
Mit einer Kurskorrektur von deutlich mehr als 20 Prozent seit der letzten Ergebnispräsentation vom 20. November sind auch alle möglichen Rücksetzer eingepreist, welche Julius Bär aus dem Engagement noch erwachsen könnte. Totalabschreiber auf den 606 Millionen Franken, Ansteckung weiterer Private-Debt-Darlehen, Wegfall des in Aussicht gestellten Aktienrückkauf-Programms für 2024: Das alles ist bereits im Aktienkurs mit drin.
Und trotzdem verliert Julius Bär an der Börse weiter an Wert.
Starke Auswirkung auf das Kernkapital
Einen Reim darauf gemacht hat sich Andreas Venditti, als langjähriger Finanzanalyst beim Investmenthaus Vontobel einer der besten Kenner der Schweizer Bankenszene. «In den anhaltenden Kursverlusten der Aktie von Julius Bär schwingt wohl noch immer der Schock der Investoren mit, dass sich die als konservativ geltende Privatbank auf solch riskoreichen Kredite eingelassen hat», sagt er auf Anfrage.
Wie risikoreich, das werde auch augenscheinlich, wenn man das ausstehende Gesamtengagement mit dem harten Kernkapital der Privatbank (CET1) vergleiche. Würden nämlich die 606 Millionen Franken abgeschrieben, würde das harte Kernkapital von derzeit 3,3 Milliarden Franken um rund 18 Prozent vermindert. «Das wäre sehr viel», gibt Venditti zu bedenken.
Das Problem mit dem reinen Tisch
Soweit ist es noch nicht, und auch ein Totalabschreiber wäre nicht existenzgefährdend für das Institut. Hingegen ist der weiterhin fallende Kurs ein Gradmesser für die Zwickmühle, in der sich die Privatbank befindet. So würde es mit Blick auf die verschreckten Investoren wohl Sinn ergeben, einen Strich unter die Signa-Thematik zu ziehen und das gesamte Engagement von 606 Millionen Franken auf einen Wisch abzuschreiben: Ein Ende mit Schmerzen anstatt Schmerzen ohne Ende.
Doch laut Bankenkenner Venditti ist das nicht so einfach. «Julius Bär ist wohl aus regulatorischen wie auch aus taktischen Gründen als Gläubiger nicht in der Lage, sofort das gesamte Engagement abzuschreiben und so reinen Tisch zu machen», erklärt er. In seinen Modellrechnungen geht der Analyst stattdessen davon aus, dass Julius Bär auf das Jahresende hin und dann 2024 zwei weitere Rückstellungen von 80 respektive 150 Millionen Franken vornehmen wird. Damit würde sich die Signa-Thematik aber noch lange für das Institut hinschleppen.
Eigene Dynamik
Kursverluste ziehen derweil eine eigene Dynamik nach sich. So könnten Profispekulanten versucht sein, den Börsenwert des Institut mit Leerverkäufen tiefer zu drücken. Wie Recherchen von finews.ch ergeben haben, erkundigen sich offenbar Hedgefonds nach Julius Bär. Dem Vernehmen nach liegen aber aktuell keine Abwärtswetten gegen die Titel vor.
Was mit einer ärgerlichen, aber nicht weiter dramatischen Rückstellung begonnen hat, könnte bei der Privatbank nun weiteres Kopfzerbrechen bereiten.