Die Credit Suisse war in Italien ein wichtiges Bindeglied zur Schweiz. Sozusagen eine Partnerin, manchmal auch skrupellos, aber stets bereit, namhafte italienische Unternehmen zu verstehen und zu unterstützen, wie der italienische finews.ch-Italien-Korrespondent Gisueppe Failla schreibt.
Die Frage, wie viel und was Italien mit dem Ende der Credit Suisse (CS) verloren hat, ist weit mehr als eine provinzielle Frage für all jene, welche die Geschichte deuten wollen. Fest steht: Die Eingliederung der CS in die UBS ist kein Ereignis, das italienische Financiers und Industrielle gleichgültig lässt.
Aus rein wirtschaftlicher Sicht waren die Folgen zwar praktisch gleich null: Laut den Daten des Medienkonzerns «Bloomberg» besitzen italienische Aktionäre insgesamt 1'252'283 CS-Aktien von insgesamt rund 4 Milliarden Titeln: Das entspricht 0,031 Prozent. Doch aus historischer Sicht ist das Erbe, das nun verloren geht, enorm.
Sehr enge Beziehungen
Die CS unterhielt sehr enge Beziehungen zur italienischen Finanzwelt, deren Wurzeln bis in die ersten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts zurückreichen. Im digitalisierten Archiv der Mediobanca, das alle Dokumente der Bank von ihrer Gründung im Jahr 1946 bis 2006 sowie eine Reihe von Dokumenten enthält, die von Vincenzo Maranghi gesammelt wurden und bis ins Jahr 1928 zurückreichen, erhält man bei einer Suche mit dem Begriff «Credit Suisse» 4'4347 Dateien. Zum Vergleich: Wird dieselbe Suche mit dem Schlüsselwort «UBS» durchgeführt, sind es nur sieben Ergebnisse.
Das erste CS-Dokument stammt aus dem Jahr 1928 und betrifft eine Transaktion im Zusammenhang mit der Italian Superpower Corporation, der italienisch-amerikanischen Holdinggesellschaft der Banca Commerciale Italiana.
Nur noch vier funktionierende Banken
Die Verbindung zwischen Italien und der CS hat Wurzeln, die weit zurückreichen. Eines der ersten von der Zürcher Bank finanzierten Projekte war die Gotthardbahn, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Nord- und Südeuropa miteinander verband.
Im faschistischen Italien reduzierte sich die Präsenz ausländischer Banken jedoch auf ein Minimum. Im Jahr 1936 gab es in Italien vier funktionierende Banken. Erst viel später konnten die ausländischen Finanzhäuser, darunter auch die damalige Schweizerische Kreditanstalt, SKA, später CS) ihre volle Tätigkeit im Bel Paese wieder aufnehmen.
Enge Beziehungen mit Gianni Agnelli
In den Nachkriegsjahren war Gianni Agnelli, Eigentümer von Fiat, der berühmteste Italiener der Welt, weit mehr als der damalige Ministerpräsident Alcide De Gasperi. Agnelli war dank der fruchtbaren Zusammenarbeit der Turiner Dynastie mit dem Zürcher Bankier Felix Schulthess ein langjähriger Partner der CS (damals Schweizerische Kreditanstalt, SKA) und spielte eine wichtige Rolle bei der Rückkehr der Schweizer Bank zu Geschäften in Italien.
Die Verbindung zwischen Agnelli und der CS war so eng, dass Agnelli überzeugt werden konnte, ein Testimonial für eine Tochtergesellschaft der Schweizer Bank zu geben. Er lieh sein Gesicht, das von dem Fotografen Richard Avedon porträtiert wurde, für eine Anzeige der Winterthur International (die von 1997 bis 2006 von der CS kontrolliert wurde); die Anzeige erschien 1998 in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» erschien.
Geschäfte mit Gianni Agnelli
In den späten 1980er-Jahren wurde der italienische Wertpapiermarkt grundlegend umgestaltet. Zuvor hatten Börsenmakler den Markt kontrolliert, bis neue Rechtsformen (SIM) die ganze Vermögensverwaltung modernisierten. So konnte die CS Ende der 1990er Jahre ihre direkte Tätigkeit auf dem italienischen Markt entwickeln.
Sie bot eine breite Palette an Dienstleistungen von der Vermögensverwaltung über das Private Banking bis zum Investmentbanking an und setzte dabei auf Vollblutbanker wie Luigi de Vecchi, Guido Banti, Andrea Donzelli und vor allem Federico Imbert.
Die CS-Präsenz in Italien hat die Distanz zwischen Zürich und Mailand so stark verkürzt, dass in den vergangenen fünf Jahren auch immer wieder Gerüchte über eine Übernahme einer italienischen Bank durch das Schweizer Institut aufkamen.
Attraktive Marke bis zum Schluss
Trotz der anhaltenden Skandale, die ihre Glaubwürdigkeit und Solidität in der Schweiz und in der ganzen Welt erschütterten und damit die Voraussetzungen für eine Katastrophe schufen, ist die Marke in Italien bis zum Schluss höchst attraktiv geblieben.
Die Anwesenheit von Imbert und Banti, sowie Michele Pangrazzi und Paolo Celesia an der Spitze der italienischen CS war eine Garantie für ein hohes Mass an Kompetenz und Professionalität, die es dem Unternehmen ermöglichte, bei allen jüngeren Transaktionen in der italienischen Wirtschaft präsent zu sein, vom Börsengang von De Nora bis zur Kapitalaufstockung bei der Bank Monte dei Paschi di Siena, von der Schliessung von Dufry-Autogrill bis zur Beratung von Cdp beim Tim-Dossier.
Von der Geburt bis zur Kapitulation
Die CS beriet auch die UBI Banca von ihrer Gründung bis zu ihrer Kapitulation nach dem erfolgreichen Übernahmeangebot von Intesa Sanpaolo. Mit der Ernennung von Imbert, der zuvor bei J.P. Morgan tätig gewesen war, zum Leiter der italienischen Niederlassung im Jahr 2010 erhöhten sich die Ambitionen und Ergebnisse nochmals deutlich.
Imbert, ein 1951 geborener Neapolitaner, gehörte 1999 zu den Direktoren der Mutter aller Übernahmeangebote, der Übernahme von Telecom Italia, und war seither an einigen der wichtigsten Finanz-Deals beteiligt.
Milliardenschwere Transaktionen
Die CS Italia hat zahlreiche milliardenschwere Transaktionen wie die Börsennotierung von Nexi, das Übernahmeangebot von F2i und Mediaset für Ei Towers und vor allem die Übernahme von Abertis durch Atlantia im Wert von 34,5 Milliarden Euro als Hauptfinanzberater und Kreditgeber begleitet.