Wenn die Aktie der Credit Suisse diesen Dienstag dekotiert wird, endet ein grosses Kapitel Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Denn wie nur wenige andere Unternehmen ist die CS oder einstmals die Schweizerische Kreditanstalt in vielfältigster Weise im Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung verankert.
Im Gegensatz beispielsweise zur UBS, bei der wohl viele Leute hierzulande kaum wissen, wie sie entstanden ist, gehört die Gründung der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) vor 167 Jahren durch den Unternehmer, Wirtschaftsführer und Politiker Alfred Escher sozusagen zum Allgemeinwissen, zumal ihm auch noch vor dem Zürcher Hauptbahnhof ein Denkmal gewidmet ist (Bild unten).
Die Geschichte der SKA ist in grossen Teilen auch sehr positiv konnotiert, trug doch die «Escher-Bank» massgeblich zur Industrialisierung der Schweiz bei. Entsprechend war das Unternehmen mit Werten wie Leistungswille, Zuverlässigkeit, Qualität, Weitsicht und Langfristigkeit verbunden.
Alfred-Escher-Denkmal in Zürich (Bild: finews.ch)
Daraus leitete sich die Unternehmenskultur ab. Über die Jahre und vor allem in den vergangenen paar Jahrzehnten sind diese Werte sukzessive abhandengekommen respektive von den Verantwortlichen verraten worden. Dieser Umstand trug massgeblich zum tragischen Ende der Bank bei.
«Der Fisch stinkt vom Kopf her»
Es gibt verschiedene Sichtweisen, wann und weshalb genau die Talfahrt der CS begonnen hat. Es kann sein, dass die CS ihren Niedergang bereits einläutete, als sie in den 1970er- und 1980er-Jahren mit der kulturell gänzlich anders gearteten US-Investmentbank First Boston auf Tuchfühlung ging. Gut möglich auch, dass die Absicht, mit milliardenschweren Übernahmen, die sich nie gerechnet haben, zu einem globalen Powerhouse zu avancieren, schlicht überrissen war. Das wenig greifbare Aktionariat vornehmlich aus den Nahen Osten trug ebenfalls dazu bei, dass die Bank nie eine wirklich langfristige und konsistente Strategie fuhr.
Insofern waren die grossen Skandale der vergangenen zehn Jahren bloss das Resultat einer waghalsigen Entwicklung ohne Verantwortungsbewusstsein, was wiederum sehr viel mit der Unternehmenskultur respektive mit deren Fehlen zu tun hat. «Der Fisch stinkt vom Kopf her», war in den vergangenen Wochen häufig zu hören, wenn es darum ging, das fatale Versagen der CS zu erklären – und tatsächlich fehlte es diesen «Fischköpfen» nicht nur an Kompetenz und Geschick, sondern vor allem an Kultur, und zwar an einer Kultur der Verantwortlichkeit, wie sie jedes rechtschaffene und langfristig erfolgreiche Unternehmen besitzt – insbesondere in der Finanzbranche.
Beispiellose Selbstüberschätzung
Symptomatisch für die Denkweise der einstigen Top-Leute der CS ist der Umstand, dass sich manche dieser Verwaltungsräte und Manager in den vergangenen Wochen prominent zu Wort gemeldet haben; dabei allerdings weder die geringste Einsicht gezeigt noch irgendwelche Fehler eingeräumt haben, keinerlei Selbstkritik äusserten oder sich gar entschuldigt hätten. Stattdessen frönten sie in ihrer beispiellosen Selbstüberschätzung bloss ihrem Tanz um das Goldene Kalb, letztlich um die Millionen von Franken nochmals zu rechtfertigen, die sie in Form von Gehältern und Boni über die Jahre eingestrichen haben.
Dies notabene über eine Zeit, in der sich der Aktienkurs der CS von 95 Franken (im Jahr 2007) bis auf unter 95 Rappen verringert hat. Die Bank erzielte damit die schlechteste Performance eines global systemrelevanten Geldhauses seit der grossen Finanzkrise von 2007/2008. So gesehen war spätestens seit 2007 der Untergang der CS vorhersehbar, insbesondere auch noch vor dem Hintergrund, dass sie in praktisch jedem grösseren Finanzskandal auf der Welt verwickelt war – was ebenfalls viel über das damalige Verantwortungsbewusstsein auf der Teppichetage aussagt.
Absehbare Entwicklung
Das bittere Ende der CS, das in der Tat viele Schweizerinnen und Schweizer noch immer nicht richtig wahrhaben können, ist vor dem Hintergrund der «absehbaren» Entwicklung in den vergangenen Jahren auch auf ein sträfliches Versäumnis des Triumvirats Finma (Finanzmarktaufsicht), SNB (Nationalbank) und EFD (Finanzdepartement) in der Schweiz zurückzuführen.
Denn die tiefgreifenden Folgen der nun eingetretenen Verluste, seien sie finanzieller Natur oder am Arbeitsmarkt, stehen uns erst noch bevor. Auch der Reputations- und Vertrauensverlust, den die Schweiz zuletzt in Kauf genommen hat, wird den hiesigen Finanzplatz noch auf lange Zeit hinaus beeinträchtigen. Die CS wird stets das Synonym dafür sein.