Die Europäische Union will das Euro-Clearing von London verstärkt in die Eurozone zurückholen. Banken warnen nun, die EU-Pläne könnten die Finanzstabilität untergraben.
Trotz Brexit werden in Euro denominierte Derivate nach wie vor grösstenteils in London abgewickelt. Dagegen wehrt sich die Europäische Union (EU) seit geraumer Zeit. Ihr erklärtes Ziel: die Abhängigkeit vom britischen Finanzplatz zu verringern.
Fest in Londoner Hand
Obwohl die EU bestrebt ist, das Derivate-Abwicklungsgeschäft zurück auf den Kontinent zu holen, dominiert die britische LCH Group, den Markt für das Euro-Clearing weiterhin klar. Das Clearing ist der einzige Bereich, in dem die EU London nach dem Brexit eine vorübergehende «Äquivalenz» gewährt hat, so dass die früher unter dem Namen London Clearing House bekannte Plattform weiterhin auf Euro lautende Swapgeschäfte abwickeln kann.
Laut dem Marktforschungsunternehmen Clarus wickelte LCH im Jahr 2022 Euro-Swaps mit Bezug auf den Euribor-Satz im Wert von 50,9 Billionen Euro ab. Das entspricht einem Marktanteil von rund 94 Prozent. Im Vergleich dazu wickelte Eurex Clearing, Europas grösste Clearingsstelle für Zinsderivate, nur 3,35 Billionen Euro ab. LCH gehört zur London Stock Exchange Group. Eurex wird von der Deutschen Börse betrieben.
Finanzhäuser warnen vor Risiken
Brüssel drängt darauf, dass Finanzunternehmen nach Juni 2025 verstärkt Clearinghäuser in der Eurozone für ihre Derivategeschäfte nutzen. Im Tauziehen um das Euro-Clearing konkurrieren die Finanzplätze um Marktanteile und Arbeitsplätze.
Europäische Derivatehäuser erhöhen nun aber den Druck auf die EU, ihre Pläne für das Clearing von Euro-Derivaten in der City zu überdenken. Sie warnen unter anderem vor einem grossen Risiko für die Finanzstabilität.
So lehnen Europas grösste Derivatehäuser, darunter BNP Paribas, Deutsche Bank und Société Générale, die EU-Pläne vehement ab, wie die «Financial Times» berichtet (kostenpflichtiger Artikel). Auch das Londoner Clearinghaus LCH, dem lukrative Geschäfte wegzubrechen drohen, drängt auf ein Umdenken.
Bankenlobby bringt sich in Stellung
Die Institute befürchten zusätzliche Kosten und ein weniger effizientes Clearing. Banken und ihre Lobbygruppen warnen zudem, dass die Brüsseler Vorschläge zur Verlagerung von Clearingaktivitäten den europäischen Märkten schaden könnten.
Laut dem Branchenverband International Swaps and Derivatives Association (ISDA) seien die Vorschläge in ihrer jetzigen Form nicht praktikabel und könnten das Marktrisiko erhöhen, heisst es.
Auch die Lobbygruppe European Banking Federation hat in den vergangenen Wochen ein Positionspapier in Umlauf gebracht. Darin wird gewarnt, dass die derzeitigen Pläne unvorhergesehene und weitgehend negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Attraktivität der europäischen Finanzmärkte und ihrer Finanzinstitute haben könnten.