Die Krise der Credit Suisse hat Bund, Nationalbank und Finanzaufsicht auf dem falschen Fuss erwischt. Mit den Notfallmassnahmen vom vergangenen Sonntag ist die Arbeit noch längst nicht getan – der Stresstest der Regulierung beginnt erst.
Die massiven Liquditätsspritzen von Notenbanken rund um die Welt haben die von den USA ausgehende Bankenkrise fürs Erste sediert. In der Schweiz haben sich die beiden grössten Institute UBS und Credit Suisse (CS) auf Geheiss von Aufsicht und Staat zusammengeschlossen. Ein Zurück, das machte Nationalbank-Präsident Thomas Jordan am Donnerstag noch einmal klar, gebe es nicht. Nun müsse die Transaktion schnell und glatt über die Bühne gehen.
Damit rückt bereits der nächste Stresstest ins Blickfeld: jener der Regulierung.
An einem Tiefpunkt angekommen
Es zählt zu den grossen Enttäuschungen der CS-Rettungsaktion, dass die in der Schweiz über mehr als ein Jahrzehnt hin entwickelte Too-big-to-fail-Regulierung am vergangenen Sonntag praktisch nicht zum Einsatz gelangte. Einmal abgesehen von der Aktivierung von Pflichtwandelanleihen, die vor allem der UBS nützte, blieb das Regelwerk in der Schublade. Tatsächlich gab es bei der CS keine Kapitallücken zu stopfen, wie man es von der Finanzkrise von 2008 her kannte. Die Bank krankte stattdessen an einem riesigen Verlust an Vertrauen und mangelnder Liquidität.
Als Lösung wurde nun der «Public Liquidity Stopgap» vorgeschoben – ein Instrument, das der Bundesrat bereits vor einem Jahr diskutiert hatte, dann aber nicht forcierte, weil dies am Finanzmarkt als Alarmsignal hätte gedeutet werden können. Mit dem Stopgap, den auch die US-Behörden im März breit angewendet haben, wird eine Problembank ganz einfach mit Geld zugeschüttet. Damit lässt sich zwar kurzfristig die Lage beruhigen. Gelöst ist aber nichts, und ordnungspolitisch ist das Vorgehen höchst bedenklich.
Kurz: die Bankenregulierung ist aktuell an einem Tiefpunkt angekommen. Sie hat folglich einige Stufen zu nehmen, um aus diesen Niederungen herauszufinden. Dies sind die wichtigsten Herausforderungen:
1. Der Staat ist präsenter denn je
Es gehört zur Ironie der CS-Rettung, dass der Staat erneut stark involviert ist – genau dies sollte aber nach der Rettung der UBS im Jahr 2008 nie mehr geschehen. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) agierten als «Dreifaltigkeit», welche die Übernahme der CS durch die UBS durchdrückte. Dazu ging sie selber tief ins Risiko. Der Bund garantiert allein der UBS bis zu 9 Milliarden Franken für mögliche Verluste. Es gibt zudem ein Abkommen, weitere Einbussen zwischen Bank und Staat aufzuteilen.
Bei der Regulierung des neuen Bankenkolosses wird der Bund nun erneut involviert sein – es ist deshalb nicht falsch, von der UBS als neue Staatsbank zu sprechen, wie es die «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig) getan hat.
Fazit: Mindestens so wichtig wie taugliche Vorschriften sind Behörden, die diese Regeln auch umsetzen. Die Finma ist weiterhin zu stark in die Bundespolitik eingebunden und damit in ihrem Vorgehen eingeschränkt. Bei der CS-Rettung machte sie zwischen den Polen Finanzdepartement und SNB eine recht unglückliche Figur. Eine Lektion aus der Aktion müsste sein, Politik und Aufsicht stärker zu entflechten. Das ist am ehesten Garant dafür, dass der Staat der nächsten Bankenrettung fern bleiben kann.
2. Too big to not fail
Auf dem Papier ist der 5-Billionen-Dollar-Koloss UBS/CS eine Ehrfurcht gebietende Grösse. Doch der Teufel steckt nicht in den Skalen, sondern im Detail. Das Fusionsprojekt vereint zwei höchst unterschiedliche Unternehmenskulturen, eine lange Liste an juristischen Altlasten und Marktanteilen, die zusammengenommen dafür garantieren, dass die doppelte Grossbank jederzeit im Scheinwerferlicht steht. Rechnet man die Fliehkräfte hinzu, die sich aus einem Takeover dieser Grössenordnung ergeben, sind Pleiten und Pannen vorprogrammiert. Dazu lässt sich sagen: UBS/CS ist «Too big not to fail» – zu gross, um von Fehlern verschont zu bleiben.
Fazit: Mit der Hinwendung auf weniger kapitalintensive Geschäfte wie die Vermögensverwaltung und die Begrenzung der Investmentbank geht das Übernahmeprojekt in die richtige Richtung. Dennoch wird die Komplexität zur Krux. Dort, wo Vermögen und Kunden nicht übernommen werden können, sollte die UBS Spinoffs zulassen, Bereiche verkaufen oder notfalls schliessen. Im Schweizer Heimmarkt mit zwei Marken aufzutreten, etwa mit einer börsenkotierten CS Schweiz, macht aus Konkurrenzüberlegungen wenig Sinn.
3. Die nationalen Gartenzäune haben nicht Bestand
Nach der Finanzkrise von 2008 wurde auch das «Ringfencing» durchgesetzt: Ländergesellschaften von Banken mussten mit zusätzlichem Eigenkapital ausgestattet werden, um sie vor internationalen Krisen zu schützen, respektive im Notfall ohne Staatsrettung abwickeln zu können. Den intensiven Kontakt mit amerikanischen und europäischen Behörden, welche Finanzministerin Karin Keller-Sutter am vergangenen Sonntag beschrieben hat, deutet daraufhin, dass das Ausland nicht auf diese «Einzäunung» vertrauen wollte. Bei einem Untergang der CS befürchtete man in Washington oder London einen Flächenbrand im weltweiten Finanzsystem.
Fazit: Auch dieser Teil der Too-big-to-fail-Regulierung erwies sich im Fall CS als nutzlos. Nachdem einmal mehr der Beweis erbracht ist, dass die Krise einer international tätigen Bank zwangsläufig globale Folgen hat, müssen sich Regulatoren vom Gärtchendenken befreien. Stattdessen gilt es taugliche Konzepte zu erarbeiten, wie sich die globale Bekämpfung von Krisen besser koordinieren lässt. Mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und dem Finanzstabilitätsrat (FSB) bestehen die entsprechenden Foren bereits.
4. Trennbankensystem – alle Jahre wieder
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